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3. Bericht über eine Reise nach Malmö, Lund, IKanör und /alsterbo. 1860 Oktober?—11.

Von Kopenhagen aus die hansischen Bitten bei Skanör und Falsterbo auf der weit in die See vorspringenden hammerfürmigen Südspitze Schönens aufzusuchen und wo möglich nach alten, vielleicht noch vorhandenen Merkzeichen ihre Ausdehnung und Lage näher zu bestimmen, war mir von Herrn Dr. Lappenberg zur besondern Pflicht gemacht, auch über die Verhältnisse der deutschen Gemeinde, der deutschen Kirche in Malmö, sowie ihre nicht unwahrscheinliche Verbindung mit der deutschen Kaufmannsgilde, deren Statuten vom Jahre 1329 noch vorhanden sind'), sollte ich Erkundigungen einziehen. Ich verschob die Reise bis Anfang October, um gehörig vorbereitet und nicht zu unbekannt mit der Sprache — das Deutsche wird jen» seit des Sundes selbst in den Städten nur von wenigen Gebildeten verstanden — meine Untersuchungen anstellen zu können. Ich fuhr am ?. October vor. Is. auf einem der kleinen Dampfboote, welche zwischen Malmö und Kopenhagen eine lebhafte Verbindung

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unterhalten, hinüber. Der abziehende, vom heftigen Winde verscheuchte
Regen ließ, als das Schiff sich Malmö näherte, sonnenbeschienen
Stadt und Küste hervortreten. Deutlich war die eigenthiimliche Lage
Malmös an der scharf ins Meer vorspringenden Ecke Schönens,
welcher die Stadt den alten bezeichnenden Namen Ellenbogen der«
dankte, zu erkennen; die Kunst hat erst der in neuerer Zeit wieder
aufblühenden Stadt einen sicheren Hafen durch weit ins Meer vor«
gebaute, nur zu einem engen Eingänge sich öffnenden Fangdämme
geschaffen. Die Haupttirche Malmös, die Petritirche, die deutsche
Carlslirche und ein hohes alterthümliches, doch neuerdings geschmack-
los übermahltes Giebelhaus überragen die niedrigen Häuser der Stadt
und sind weithin auf der See sichtbar.

Die Untersuchung über kirchliche Verhältnisse der Deutschen in
Malmö nahm nur wenig Zeit in Anspruch. Der deutsche Prediger
der Carlskirche, Vager, theilte mir bereitwillig seine Kirchenbücher
zur Einsicht mit, ich nahm eine Abschrift des noch vorhandenen 1683
März 19 datirten Handschreibens K. Karls XI., welches den Deut-
schen die Erlaubniß zum Vau einer Kirche giebt und 506 Thaler
Silbermünze zu den Kosten desselben anweist, nachdem bereits 1628
Juni 22 nach Malmö geflüchteten Flensburgern deutscher Gottesdienst
und Bau einer Kirche gestattet worden war. Eingeweiht ward die Kirche
bereits 1693 am 1. October'). Es ist ein roher, haltbarer Steinbau,
ohne künstlerische Bedeutung; ein deutscher über der nördlichen Ein-
gangsthüre eingehauener Bibelspruch ist noch jetzt ein redendes Zeugniß
ihrer ursprünglichen Bestimmung. Doch haben sich jetzt die Verhältnisse
geändert. Es soll zwar für die ungefähr 200 in Malmö lebenden Deut«
schen vom zweiten, deutschen Prediger der Kirche jeden ersten Sonn-
tag im Monat deutsch gepredigt werden, doch kommt es selten dazu:
über 10,000 Seelen, die ärmere Bevölkerung der Stadt gehören zu
dieser Kirche, und da sind denn allerdings die Deutschen sehr in der
Minderheit. Dazu ist der Prediger selbst Schwede. Daß in frü-
herer Zeit die deutsche Kaufmannsgilde sich zur Hauptkirche der Stadt
der Petrikirche, deren reicher Backsteinbau mit stattlichen Treppen-

') S. Cronholm Slaane« polit. Historia I. 509.

giebeln an den Kreuzflügeln eine besondere Aufmerksamkeit erregt, gehalten haben, leidet keinen Zweifel: da man sich schon 1388 (nach Mai 9) unter anderm über Ausschluß der Deutschen von dem Sakramente der Kirche und Begräbnis) des Kirchhofes beklagt') und damals außer der Petrikirche keine vorhanden war. Nachrichten über ein Fenster ein Gestühl der Stettiner in dieser Kirche erwarte ich noch von Herrn Sonnenstein-Wendt zu Malmö.

Was von älteren Urkunden und Briefen im städtischen Archiv vorhanden ist, zu benutzen, ward mir bereitwillig gestattet'). Ich fand nicht viel zu thun. Einst ist das Archiv reicher gewesen, darauf deuteu summarische Angaben der Registratur.

Das unsichere Wetter bewog mich, den Ausflug nach Slanör und Falsterbo, für den ich auf einen zweirädrigen, offenen Karren angewiesen war, noch um einen Tag zu verschieben, den ich benutzte, um Luud zu besuchen, welches jetzt die Eisenbahn mit Malmö verbindet. Ich besah dort die alte merkwürdige, durch Professor Brunius vor dem Verfall bewahrte Domkirche, das Alterthümermuseum, welches kleine unbedeutende Glasgemälde aus der Kirche zu Skanör und eine früher auf dem Grabsteine eines in der dortigen Kirche begrabenen Campener Bürgers befestigte, bronzene, sorgfältig gearbeitete, mit Wappen und Inschrift geschmückte Tafel bewahrt. Die in mancher Beziehung interessante Inschrift habe ich copiert, sie ist entschieden deutschen Ursprungs, die Gemälde sind es schwerlich.

Auf der Lunder Universitätsbibliothek konnte ich noch in einigen späten Nachmittagsstunden ein Privilegienbuch der Stadt Malmö, auf welches Herr Sonnenstein-Wendt mich aufmerksam gemacht hatte, durchsehen, das lis^istrum vills,« Nalmo^ieusi», einen Pergament« band in Folio, ohne Zweifel einst eine Archivalie des Malmöer Stadtarchives. Es findet sich darin indes nur f. 46^ der Kopenhagener Abschied 1552 Juli 15. 16. in dänischer Fassung, welchen ich copirte, doch später in den Tegnelser paa alle Lande IV. r>. 161 dänisch und deutsch wieder fand.

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Am Sonnabend den 10. October fuhr ich, vom Wetter wider Erwarten begünstigt, früh morgen« von Malmö nach Stanör mit einem Empfehlungsschreiben des deutschen Predigers in Malmö an den Bürgermeister von Skanör versehen. Ich hatte mir die Küste von Malmö bis Stanör und Falsterbo mit meinem Wege nach Hermelins Karte aufgezeichnet, um alles genauer aufzufassen. Kurz vor Hvällinge näherte sich die Straße, welche bisher in ziemlicher Entfernung von der Küste hingeführt hatte, derselben bedeutend und zum erstenmal, seit ich Malmö verlassen hatte, erblickte ich die dunkelblaue See mit den in der Ferne nordwärts und südwärts vorüberziehenden Segeln. Dann trat auch auf kurze Augenblicke die eigenthümliche Bildung der hammerartig in die See von Ost nach West vorspringenden Halbinsel Skanör im N. und Falsterbo im S. hervor, ward jedoch bald, da der Weg sich senkte, dem Blick wieder entzogen. Scharf sondert sich die Halbinsel vom Festlaude, grünbewachsene Hügel, ohne Zweifel vor Zeiten Dünen, schirmen das eigentliche Land. Flach streckt sich die Landzunge hin, mit brauner, sumpfiger Haide bedeckt, hie und da nur angebaut, da der aus steiniger Anschwemmung bestehende, stellenweis moorige Boden die Arbeit nicht lohnt. Schonen ist bekanntlich im Ganzen gut angebaut, um so schroffer ist der Gegensatz. Ein schmaler mit Kiesgeröll beschütteter Fahrweg führt über die Landzunge nach Skanör. Rechts bemerkte ich einen grünüberwachsenen Eidaufwurf — der Bürgermeister von Skanör bezeichnete ihn mir hernach als »die einzige in der Umgegend befindliche Aettahöge". Es wird ein Grabhügel sein, wie man sie im ganzen scandinavischen Norden findet.') Auf der ganzen Strecke bis Skanör fand ich nur ein einzig Häuschen, welches an der Gränze der Feldmark von Skanör und Falsterbo steht und von einem Manne bewohnt wird, welcher ein hier wahrlich sehr unnützes Gatter bewacht. Rechts öffnete sich dann die fast halbkreisförmig einschneidende, in den Urkunden oft genannte hohle Bucht (Holt, Luvil, Huell), in welcher die gewinnreiche Fischerei betrieben ward, da hier der Haring eine gesicherte Stätte fand, wie es keine zweite an Schönens Küste gibt. Sie wird noch jetzt Hölviken oder auch nur Hol

') S. Geyer, Geschichte Schwedens, Nd. I. z>. 20 (der Uebersetzung.)

genannt. Ich sah nur zwei Boote auf der weiten Fläche schweben, mit dem nur kärglich lohnenden Fischfange beschäftigt; die männliche Bevölkerung der beiden Orte sucht als Seevolk Erwerb. Die hie und da verstreuten von hohen, geschwärzten Erdmauern, deren Fugen sonnengebleichter Seetang füllt, umgebenen Felder und Wiesen zeigen am besten, wie wenig dem Boden abzugewinnen ist. Skanör liegt flach und offen, es ist reinlicher und stattlicher, als alle anderen Ortschaften, durch welche mein Weg führte. Ist es ein Rest städtischen Sinnes oder die Eigenthümlichkeit des Seefahrers, welche sich hierin geltend macht? Der Bürgermeister, an welchen ich mich natürlich zuerst mit. meinen Fragen wandte, ein alter, an Ort und Stelle aufgewachsener Mann, wußte mir doch nur wenige der in ziemlicher Zahl aus den Urkunden von mir ausgezogenen Lokalnamen nachzuweisen, auch die Hoffnung, Kreuze noch vorzufinden, welche einst die Bitten der einzelnen Städte von einander trennten, ward nicht erfüllt: sie waren nur aus Holz für den Augenblick errichtet und sind verschwunden, als die Bitten verlassen wurden. Auf einem neu in Anbau genommenen Felde haben sich beim Graben in einiger Tiefe gepflasterte Straßen gefunden, doch konnte ich nichts Näheres über ihre Richtnng und Beschaffenheit erfragen. Jetzt liegen sie nicht mehr zu Tage. Dagegen ist der Erdaufwurf, auf welchem einst das Schloß Skanör gestanden hat, noch vorhanden; der schmale seichte Schloßgraben bot kein Hinderniß für die Ersteigung der kleinen Anhöhe, die wohl später einmal in eine Schanze umgestaltet ist. Spuren von Steinbau konnte ich nicht mehr entdecken. Auch die Kirche besuchte ich: an der eingehenden Beschreibung von Professor Brunius') wüßte ich nur das Eine auszusetzen, daß sie zu große Erwartungen erregt. Die von Brunius vorgetragenen Bermuthungen über einen deutschen Baumeister der Kirche, so ansprechend sie sind, muß ich auf sich beruhen lassen. Hansische Erinnerungen finden sich nicht mehr, seitdem die oben (p. 8?) erwähnte Vronzetafel nach dem Lunder Museum entführt ist. Vergebens forschte ich der Ettebeke, welche einst kubisches und dänisches Recht schied, demTodtenhofe derRostocker,

') In dessen Slaanes Konsthistoria?, 245.

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