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diges Wort, den Laut de« abgebildeten Gegenstände«, oder die An» fangssilbe desselben oder auch nur den Anfangsvocal bezeichnete. Manche Ungenauigteiten und Unbestimmtheiten der Schreibweise waren hierbei unvermeidlich, einzelne Andeutungen scheinen indessen schlie« ßen zu lassen, daß die Schrift der Mericancr für manche Fälle dem Uebergange in eine wirlliche Silbenschrift, welche den Laut selbst be» zeichnet, nicht mehr fern stand.

VI.

Das Heidelberger Schloß in seiner Wust!- und culturgeschicht-
lichen Bedeutung.

Von
K. B. Statt.

Es war im Jahre 1693, als Ludwig XIV. von Frankreich eine Münze prägen ließ mit einer in Flammen aufgehenden Stadt und Schloß, den jammernden Flußgott des Neckar und eine Jungfrau, das Palatinat, im Vordergrund. Die Inschrift des geistreichen Voi» leau meldete lakonisch Heiäelder^g, ästet»,: das zerstörte vernichtete Heidelberg, erinnernd damit an das alte Wort des Römers Cato und an Rom's Erbfeindin Carthago. Das Residenzschloß der Pfalzgrafen am Rhein und Kurfürsten des deutschen Reiches war eine Ruine und sie ist es geblieben bis auf den heutigen Tag, während die Stadt zu seinen Füßen, die noch schwerer fast heimgesucht war von den Banden französischer Plünderer und Mordbrenner, sich wieder erhoben hat als ein Sitz regen Vürgerthums und eine Stätte geistigen Lebens.

Nicht allein jene brutale Gewalt mit ihren Pulverminen, mit ihren Brecheisen und zerstörenden Fäusten hat das Heidelberger Schloß

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zur Ruine gemacht, sondern in noch höherem Grabe die Herrschaft der von Pari« ausgehenden Anschauungsweise und Lultur de« modernen Despotismu« und ebenso sehr die unglückselige Richtung, welche das wenige Jahre vor der traurigen Katastrophe von 1689 und 1693 zum Besitze der Kurwürde und der Rheinpfalz gelangte Haus Pfalz« Zweibrücken in der materiellen und geistigen Verwaltung des Landes verfolgte.

Den Anschauungen und Bedürfnissen fürstlicher Allgewalt, dem Genußleben an den Höfen, das abgezogen von plebejischer Berufung geführt werden sollte, dem Stieben von einem Mittelpunkte aus in wohl abgezirkelten Kreisen Handel und Wandel, Kunst und Wissen» fchaft zu leiten, entsprachen die immerhin engern Räumlichkeiten eines aus dem mittelalterlichen Burgenbau hervorgegangenen Schlosses auf lecker Höhe nicht, nicht die nahen Beziehungen zu den engen und gewundenen Gassen, zu den spitzen Kirchendächern, zu den Höfen, akademischen Bursen und Ccllegien einer Bürger» und Univer» sitätsstadt. Nein, es galt neue Mittelpunkte zu schaffen in weiter Ebene, in flachster Umgebung, nach gleichen Mustern breite Straßen anzulegen, Kirche und Schule, Rathhaus und städtische Lokale in gleichem Hofstile zu bauen. Der Fürst zog wo möglich noch weiter hinaus, um fernab vom städtischen Treiben Sandhügel, Wald und Sumpf in große, weite Parks mit weitgedehnten Schloßflügeln und architektonischen Kunststücken aller Art umzuwandeln. So ist Mannheim mit seinem kolossalen unvollendeten Schlosse neben Heidelberg entstanden, so ist Schwetzingen das Versailles der Pfalz geworden.

Doch Kurfürst Karl Philipp zog im Jahre 1720 nicht allein als glänzender moderner Fürst von seiner Burg zu Heidelberg, sondern zürnend und drohend verließ er die Stadt, die der kirchlichen Restauration in ihren letzten Forderungen mannhaften Widerstand geleistet: GraS sollte auf ihren Gassen wachsen. Und bereits hatte diese Reaktion weithin Wurzel geschlagen, der es um die Vernichtung des geistigen freien Culturlebens zu thun war, dessen Schutz und Pflege die Kurfürsten von der Pfalz seit Generationen in den Rheinlanden übernommen, für das sie gekämpft und gelitten hatten. Die protestantische Kirche sah sich bedroht im eigenen Hause, ja selbst im Recht der Existenz. Die Universität, an der die größten Männer des XVI. und XVII. Jahrhunderts, zum Theil um ihre« Glaubens willen Verfolgte, gelehrt, ward mehr und mehr eine Iesuitenanstalt, und als dieser Or» den endlich weichen mußte, ward er ersetzt Hon den Gliedern des La» zaristenordens. Die neu erstehende Stadt sah mitten unter sich außer jenem Orden eine Menge klösterlicher Stiftungen jüngsten Datums: Carmeliter, Kapuziner, Dominikaner- und Augustinernonnen in stolzen Gebäuden sich festsetzen.

Das Heidelberg des XVIII. Jahrhunderts hat an den großen geistigen und sittlichen Bewegungen des deutschen Volkes nur einen sehr geringen Antheil genommen. Nur Glanz und Verschwendung und allenfalls fremde, ausländische Kunst wlchte man von dem kur» fürstlichen Hofe in Mannheim zu rühmen. Mochte auch Karl Theo« dor vorübergehend den Gedanken äußern, in Heidelberg wieber zu residiren, mochte die Stadt ihm bereits als Vater des Vaterlandes kostbare Triumphthore errichten, der Zauber, der einst Fürsten und Gelehrte und Staatsmänner hinauf in die Räume des Schlosses gezogen, war geschwunden und Himmelszeichen schienen jede Erneuerung und neue Einrichtung der Ruine zu verbieten.

Nur das riesige Faß, ein Zeichen der Fülle und des Segens die» ser Rheinlande, aber auch deutscher Trintlust, das zum drittenmal», unter Karl Theodor gebaut und gebunden warb, verbreitete seinen eigenen und Heidelberg's Namen über die Grenzen der Pfalz, und daneben erzählte man sich von den Wasserkünsten, von dem Apollotempel und der Moschee des Schwetzinger Gartens. Noch heute wird man in den Kreisen des eigentlichen Voltes finden, daß nicht die Schloßruinen, sondern das Faß, nicht der Reiz der Lage Heidelberg's, sondern die Wunder Schwetzingens ihren Zauber üben.

Seit den Achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts beginnt die Schloßruine von Heidelberg auf die deutsche Literatur und die deutsche moderne Kunst einen Einfluß zu üben und damit im steigenden Grade die Aufmerksamkeit der Reisenden auf sich zu ziehen, ja eine begeisterte Liebe für seine romantische Schönheit zu wecken. Die ewig junge Natur hatte bereits in den verlassenen Räumen des Schlosses ungehemmt ein neues Leben entfaltet; für den Sammler wuchsen üppig zwischen und auf den Mauern interessante Pflanzen und der Epheu umkleidete mehr und mehr die offenen, klaffenden Wunden, welche

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