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26. Italien.

4. ?lt»l°!»l bei italienischen Geschichte ». I. 1859.

F. Gregoroviu«. Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter. Vom fiinsten bi« zum sechsten Jahrhundert. 8. Stuttgart. I G. Cott«, Vd. 1. (X, 484 S.) 1859. Bd. 2. (X. 548 S., 1859. Vd. 3. (XII. 584 T.) 1860.

Wer eine Monographie über Rom im Mittelalter schreiben will, kann hierunter zwei ganz verschiedene Aufgaben verstehen/ entweder faßt er vorzugsweise die Geschichte der Stadt Rom ins Auge oder er geht der Entwicklung des Papstthums durch die Reihe der Jahrhunderte nach. Letzteres ist fast gleichbedeutend mit einer Universalgeschichte von Europa, und dann ist nur der Titel für diese Arbeit ein schlecht gewählter. Wer aber sich auf die Stadt Rom beschränkt, hat die wegen der Dürftigkeit des Materiales äußerst schwierige Aufgabe, nachzuweisen, wie aus dem Rom der Kaiserzeit sich das so eigenthümliche Leben der christlichen Welthauptstadt entwickelt hat, wie dann die städtischen Dinge stets in Wechselbeziehung zu den großen kirchlichen und politischen Bewegungen des Mittelalters gestanden haben, wie zuletzt die ehemalige Weltstadt in die Ordnung des kleinen Kirchenstaates eingefügt worden ist. Und diese Aufgabe zu lösen sind schon verschiedene Ansätze gemacht, bisher aber stets ohne genügenden Abschluß der Arbeit. F. Papencordt, der, soweit wir aus dem von Höfler edirten Nachlaß fehen können, dazu der geeignete Mann gewesen wäre, ist leider der Vollendung seines Werkes durch frühen Tod entrissen. Fast gleichzeitig mit ihm, aber unabhängig von seinem Plane, faßte der in Rom lebende deutfche Schriftsteller F. Gregorovius die Idee, sich

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einer ähnlichen Arbeit zu unterziehen. Von seinem Werke liegen uns bis jetzt 3 Bände vor, die von 410 bis 1002 reichen. —

Gregorovius versucht nun jene beiden an sich verschiedenen Aufgab en in Ein Werk verschmelzend, beide gleichzeitig zu lösen; nach unserem Dafürhalten ein mißlicher Versuch, dessen Lösung auch ihm keineswegs geglückt ist.

Wenn man sich über die Aufgabe einer Geschichte der Stadt Rom klar geworden ist, die doch als Geschichte einer Stadt*) immer eine Spezialgeschichte bleibt, so wird man freilich nicht alle Erörterungen über allgemeinere Verhältnisse ausschließen, man wird aber doch, diese kurz berührend, das Hauptgewicht auf die innere Geschichte der Stadt (d. h. auf Darlegung der Verfassungsentwicklung, Schilderung socialer und Culturzustände) legen. Gregorovius will aber, Ron« als das Centrum der Weltgeschichte auffassend, in seiner Geschichte die Geschicke der Menschheit erzählen. Indem er dabei die Stadt Rom mit dem römischen Bisthum und der päpstlichen Curie identisicirt, wird der Unterschied zwischen einer Stadtgeschichte und einer Geschichte der päpstlichen Macht verwischt. Letztere geradezu zu übernehmen, lehnt Gregorovius zuweilen ab, kann aber der Versuchung nicht immer widerstehen, Fragmeute einer solchen Geschichte zu liefern. So fehlt ihm die Selbstbeschränkung auf ein festgezeichnetes, festzuhaltendes Thema / das ganze Buch fällt oft fast in geistreiche Journal-Artikel auseinander. Dieser Mangel findet wohl seine Erklärung in einer dem Verfasser von früheren Arbeiten noch anklebenden journalistischen Arbeitsweise. Damit wollen wir keineswegs dem Verfasser zu nahe treten, wir erkennen seine Bedeutung in diesem Fache gern an, — aber, eine historische Arbeit.ist ein ganz anderes Ding, als eine Reihe von guten Iournalartikeln oder eine geistreiche Reisebeschreibung. Trotzdem aber — und obwohl wir auch von so mancher einzelnen Ausdrucksweise, die offenbar nicht hierhin paßt, von der häufigen Schaustellung der eigenen Persönlichkeit des Autors, besonders aber von einer ganz unpassenden Bezugnahme auf die Tagesereignisse, wie sie leider deni 3. Bd. besonders eigen ist, sehr oft unangenehm

*) Daß schon im Titel eine derartige Einschränkung enthalten sein müsse, erlennt auch der im Uebrigen reichliches Lob spendende Referent in den Preuß. Jahrb. (Märzheft 1861) an.

berührt worden sind — trotz alledem glauben wir in dem Verfasser Begabung zu historischen Arbeiten zu erkennen, und das hat uns veranlaßt, den Hauptmangel des Buches so ausführlich darzulegen. Durch alle jene gerügten Eigenschaften, besonders durch jene Unklarheit über die Grenzen seiner Aufgabe, schadet sich der Verfasser bei der wissenschaftlichen Welt, an die er sich doch vorzugsweise richten muß. Die knappe Form, welche die Anlage Papencordt's erkennen laßt, tonnte da als Muster dienen! —

Wenn wir nun auf Einzelnes eingehen, fo wollen wir vorab gestehen, daß zu einem Urtheil über die tunsthistorischen und topographischen Abschnitte uns ebensowohl das Material als die Befähigung fehlt. Die kulturhistorischen Schilderungen dagegen finden wir größtcntheils wahr, meistens auch lebendig und anschaulich. Als besonders gelungen heben wir hervor: die Charakteristik der heidnischen und christlichen Gesellschaft (>. 134—146) die Schilderung der Entstehung des Mönchthums (ll. 6—13) die Darstellung der wachsenden städtischen Aristokratie (II. I>u«s>in, bes. III 277 ff.) — An einzelne Behauptungen sei es uns nun noch gestattet, Bemerkungen anzuknüpfen und indem wir unsere abweichende Anschauung ihnen an diesem Orte gegenüberstellen, dadurch die Aufmerksamkeit der Kenner zugleich mehr auf das vorliegende Buch hinzulenken.

Im !. Bd. möchten wir gegen das über Theodorichs Verhalten gegen Boethius ausgesprochene Urtheil (!. S. 3N9 ff.) Protest einlegen. Auch wir wollen keineswegs jenen Act tumultuarischen Justiz beschönigen, allein Gregorovius selbst zeigt doch die auf eine Conspiration der Senatoren mit Ostrom hindeutenden Spuren an. Ist dem aber so, dann finden wir in Theodorich's Strenge einen Alt der Nothwchr, und ob dann der Verräther ein Handwerker war oder „ein Mann wie Boethius das goldne Trostbuch der Philosophie in der Hand": das durfte Nichts an dem Urtheil Theodorichs ändern. Durch die Borliebe für „einen Philosophen« läßt sich Gregorovius hier zu einer Ungerechtigkeit gegen den vortrefflichen König der Gothen verleiten. — Daß die Stadt Rom von Theodorich das verfassungsmässige Recht erhalten habe, von fremden oder gothischen Truppen nicht besetzt zu werben (>. 340), scheint uns keineswegs nachgewiesen. Die dafür angeführten Schreiben Theodats beweisen es wenigstens nicht; und die Existenz des cume« Nomue, des gothischen Militärbefehlöhabers, zeigt deutlich das Gegcntheil. Den

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