Page images
PDF

ches ihm das neue guelfische sogenannte vermittelnde Element nach Gioberti verschaffte, ja dessen goldne Schriften selbst wurden mit dem Banne belegt und aufdenlr>6ex libr. pron! Kit. gesetzt. Dies bestätigte auf das Feierlichste den Ausspruch Dante's und Malchiavelli's, die Thatsachen der alten und neuen Geschichte und die ^sichten aller Ghibellinen hinsichtlich des künftigen Schicksals der Halbinsel. Das Papstthum selbst nämlich zerstörte das Wert der Guelfen durch die Hartnäckigkeit und Zähigkeit, mit der es an den alten Traditionen des römischen Stuhles festhielt und sich als den unversöhnlichen Feind der italienischen Unabhängigkeit offen erklärte. Indem es die österreichische Herrschaft begünstigte, neue bewaffnete Fremde in's Land rief, bestätigte es feierlich und auf unläugbare Weise die Behauptung der Ghibellinen von Pietro delle Vigne bis auf die neueste Zeit, daß nämlich der letzte Grund der Knechtschaft, der Uneinigkeiten, Eifersüchteleien, des Hasses, des Zwiespaltes und der endlosen Uebel, welche die Italiener seit Jahrhunderten zu leiden hatten, in der weltlichen Macht des Papstes liege. Daher hatten die wahren und freisinnigen Weisen Recht zu sagen, daß die letzte Manifestation und Umwandlung des Guelfismus in Italien die Schriften Gioberti's waren, gerade so wie der größte Sieg der Ghibellinen im Interesse der künftigen Unabhängigkeit Italiens in der Enchclica vom 29. April 1848 enthalten fei.

X.
Znr Würdigung von Nanke's historischer Kritik.

Von
Georg Wllitz.

Französische Geschichte vornehmlich im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert von Leopold Ranle. 5. Bond. Stuttgart, I. G. Lotta'scher Verlag, 1861. 533 S. 8.

Die großen Arbeiten, mit denen Leopold Ranke fortfährt unsere historische Literatur zu bereichern, finden nur selten noch eine aus« filhrliche Besprechung in unseren kritischen Blättern. Bei dem Pub» likum des In« und Auslandes, das begierigst nach jedem neuen Werke und Bande greift, bedürfen sie keiner Empfehlung: jeder Leser weiß, eine wie anziehende Darstellung großer welthistorischer Epochen, eine wie interessante Schilderung hervorragender Persönlichkeiten er finden wird; der mitforschende Gelehrte aber freut sich im voraus der Fülle neuer Aufschlüsse, die aus einem eingehenden Studium der Periode, aus der Benutzung eines ausgedehnten urkundlichen und handschriftlichen Ma» terialS gewonnen worden ist; er erwartet mit einer gewissen Span« nung, Wie in der Betrachtung Rante's die oft verhandelten Fragen in den nach den verschiedensten Seiten hin so inhaltsreichen Jahrhunderten , denen er vorzugsweise seine Forschung zugewandt hat, erscheinen. Dabei bleibt dann freilich dem einen wie dem andern ein Zweifel über die Art der Auffassung und Beurthcilung einzelner Charaktere und Begebenheiten; die ganze BeHandlungsweise erfreut sich nicht bei allen gleicher Gunst, oder sie erscheint wenigstens nicht für alle Aufgaben gleichmäßig geeignet: wie auch der größte Maler ja wohl nicht mit gleichem Erfolg seinen Pinsel den verschiedenen Darstellungen des Lebens leiht. Gewiß haben auch andere Betrachtungsweisen ihr Recht, und Ranke selbst hat bei mehreren Gelegenheiten es ausgesprochen, wie er am wenigsten gemeint ist, für seine von einem bestimmten Standpunkt aus unternommene Schilderung nun zuletzt der großen Epochen der Geschichte der beiden in der neuern Zeit vor allen andern in den Vordergrund tretenden europäischen Nationen, eine, daß ich so sage, unbedingte Gültigkeit in Anspruch zu nehmen. Wie sie aber in Frankreich, und England reiche Anerkennung gefunden haben, so werden wir in Deutschland in ihnen sicher einen neuen Beweis sehen, wie unsere historische Wissenschaft den Beruf und die Fähigkeit hat, die Geschichte der verschiedensten Nationen zu durchdringen und von einem wahrhaft universalhistorischen Standpunkt auS zu würdigen. Es werden auch wenige anstehen, namentlich der nun vollendet vorliegenden französischen Geschichte unter den Arbeiten Ranke's einen der ersten Plätze anzuweisen: gerade hier war ein Stoff gegeben, wie er wohl ganz eben seiner Natur entspricht, an dem er alle die glänzenden Eigenschaften seines Geistes auf das beste bewähren konnte. Auch hier ist dann, nach allen den Arbeiten, welche die Franzosen selbst der Zeit des Höhepunktes ihres alten Königthums zugewandt haben, nicht bloß in der Auffassung im ganzen, auch in den Einzelheiten viel des Eigentümlichen und Neuen gegeben: ungedruckte Quellen, wie der Verfasser sie immer schon benutzte, diplomatische Relationen und Korrespondenzen, gleichzeitige Aufzeichnungen verschiedener Art haben dazu das Material geboten.

Wenn aber die Ausbeutung solcher Quellen den ersten Werken Ranke's einen besondern Ruhm eintrug, da sie in überraschender Weise zeigten, welche Aufschlüsse über bis dahin wenig oder gar nicht ge« kannte Seiten der Geschichte hier zu gewinnen seien, so hat ihm später wohl aus der bevorzugten Benutzung derselben eher ein Vorwurf gemacht werden sollen. Den Diplomaten, »Leuten, deren Schrift und Wort so oft nur zur Verstellung der Wahrheit dienen müsse«, werbe eine ungebührliche Autorität beigelegt, da doch „ihr Bericht keine größere Bedeutung habe, als die Mitteilung jedes andern fähigen zeitgenössischen Beobachters, der in dem eigentlich factischen Theile der Ge« schichte den Täuschungen leicht weniger als jene ausgesetzt sei«; die Dinge bekämen, in dem Spiegel ihrer Auffassung gesehen, leicht etwas kleinliches; die große Macht der Ereignisse komme so in den täglichen Aufzeichnungen nicht zur Geltung. Es nimmt Wunder, einen Gervinus in diesen Ton einstimmen zu sehen (Fr. Chr. Schlosser S. 26), nachdem er selbst neuerdings in den letzten Bänden seiner neuesten Geschichte gezeigt, wie viel diesen ihm erst später zugänglich gewordenen Papieren entnommen werden könne, und wie auch die Beurtheilung an sich wohl bekannter Ereignisse darnach eine andere werde. Wer näher auf Ranke's BeHandlungsweise eingegangen war, die eindringende und umfassende Forschung kannte, die er seinen Darstellungen vorangehen ließ, wußte wohl, wie wenig Grund die Meinung habe, daß er anderweitige Quellen vernachläßige oder zurücksetze. Allerdings hat er oft einen Zweifel kundgegeben gegen hergebrachte Erzählungen, und zwar gerade auch solche, die sich auf vielgelesene, berühmte, in man« cher Beziehung sehr hervorragende Geschichtsbücher stützen. Wie er aber schon in der Beilage zu seiner ersten Schrift: Zur Kritik neuerer Geschichtschreibung, ein solches Mißtrauen rechtfertigte, so hat er auch später wohl, in den Beilagen zur deutschen Geschichte, und sonst gelegentlich, die Resultate seiner kritischen Forschungen dargelegt. Doch aber vielleicht für manche Leser nicht genug. Und es ist daher in jeder Beziehung erfreulich, daß jetzt der schon vor einigen Jahren vollendeten französischen Geschichte ein Band mit Belegen und kritischen Erörterungen nachfolgt, der gerade in dieser Beziehung eine besondere Bedeutung hat: Analecten zur französischen Geschichte im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert, wie der Verf. den Inhalt bezeichnet.

Ich verweile nicht bei dem, was hier an neuem urkundlichen Material geboten wird. Für weitere Kreise am interessantesten dürften jedenfalls die Briefe der Herzogin von Orleans, Elisabeth Charlotte, an die Kurfürstin Sophie von Hannover, sein, die hier, freilich nicht vollständig, aber in reichen Auszügen, aus dem hannoverschen Archive mitgetheilt werden. Außerdem haben die vcuetianischen Relativ» nen zu verschiedenen Auszügen Anlaß gegeben, von denen allerdings ein Theil seit dem schon vor einigen Jahren begonnenen Druck des Bau« des anderweit publicirt worden ist. Daneben fehlt es nicht an Mit« theilungen über andere handschriftliche Aufzeichnungen zur Geschichte der Zeit, unter denen Memoiren des bekannten Pater Joseph jeden» falls den ersten Platz einnehmen. Hier hebe ich aber besonders hervor eine Reihe von Aufsätzen, die sich mit bekannten Darstellungen aus der französischen Geschichte beschäftigen, über Davila's Geschichte der französischen Bürgerkriege, und über einige der bedeutendsten Memoirenwerke dieser Zeit, Richelieu's, des jüngeren Brienne, des Car« dinal Netz und des Duc de St. Simon. Sie sind alle Muster feiner und umsichtiger Kritik: die Fragen der Echtheit, der Glaubwürdigkeit, des Werthes einer bestimmten Betrachtungsweise, kommen hier zur Erörterung und werden in einer Weise behandelt, die über des Verfassers eigene Art zu arbeiten den besten Aufschluß gibt und des Anregenden und Belehrenden im allgemeinen gar viel enthält.

Vortrefflich ist gleich anfangs die Auseinandersetzung über die Schwächen Davila's. Ranke deckt die vielen Unrichtigkeiten seiner Erzählung auf, aber er verhehlt nicht die Bewunderung vor seinem Talent; er erklärt den großen Erfolg, den das Buch gehabt, würdigt den Einfluß, den es geübt: wie es dazu beigetragen, alles auf kleine Motive, auch in den religiösen Angelegenheiten auf egoistische Antriebe zurückzuführen, und wie diese Ansicht dann in dem Pragmatismus des 18. Jahrhunderts vorgeherrscht habe. «Das Göttliche oder Gottverwandte in der menschlichen Natur war aus der geschichtlichen Darstellung entschwunden: ohne Enthusiasmus und Willtür, forschend und der Wahrheit die Ehre gebend, suchen wir es wieder zu finden«.

Mit voller Anerkennung spricht Ranke auch von dem Talent des Cardinal Netz. «Seine Bildwerke haben eine Feinheit des Pinfels und Sicherheit der Conturen, welche mau nur bei den großen Meistern findet«. Den Memoiren wird ein hohes, in einem oder dem andern Bezug unvergleichliches literarisches Verdienst vindicirt. Aber freilich mit dem historischen Werth steht es anders. «Das Vorgetragene,

« PreviousContinue »