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III.

Von dem römischen Papst.
Ein Voltlüg stl den römischen König Joseph l.

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Unter den vielen handschriftlichen Schätzen der tgl. Hof- und Staatsbibliothek zu München befindet sich ein Aufsatz mit der Ucbcrschrift:

Kurz gefaßter Begriff alles dessen, so einem Neu erwöhltcn Römischen König, sürnemblich welcher aus dem Durchleichtigisten Haus Oesterreich entsprossen, sowohl wegen dero hcchsten Persohn selbst, als des Rom. Reichs, vnnd dessen Glieder: dann auswerttigcn Potentaten: Nit weniger dero Erblaudten, vnnd angcbohrenen Vnnderthonen zuWissen ansstendig, vnnd nöttig ist.«

Im ersten Theile des Aufsatzes wird gezeigt, wie ein Fürst und Regent an sich selbst beschaffen sein solle, und worauf er seiue Regierung vornemlich zu gründen und einzurichten habe. Im zweiten zeigt der Verfasser, wie sich der römische König und Erbherr künftig gegen andere fremde Potentaten und souveräne Häupter zu richten (habe) und was ihm von Jedem zu wissen nöthig und vorträglich sein möchte und beginnt: Von dem römischen Papste. Da in diesem Abschnitt die Stelle vorkommt: »Und hat man zu unsern Feiten genugsam erfahren, was Frankreich unter Papst Alexander VII. und Innocenz XI. zu Rom selbst unternommen hat», der Letzte aber im Jahr 1689 starb: so ist unzweifelhaft, daß die Schrift für den im Jahre 1690, 14. Januar erwählten römischen König Joseph I. den Sohn des Kaisers Leopold I. verfaßt wurde und zwar vielleicht um das Jahr 1695, da derselbe erst am 26. Juli 1678 geboren und also wohl taum früher fähig war, die in dem Aufsatze entwickelten Ansichten gehörig zu würdigen. Von wem die Schrift herrührt, wage ich nicht zu entscheiden. In »Johann Peters von Ludwig erläuterte Oermania ?rinoop». Das erste Buch von Böhmen, Oesterreich u. s. w. Frankfurt und Leipzig. 1744. S. 812 heißt es: Sein (des Römischen Königs) Informator war Franz Ferdinand Freiherr von Rummel, nachmals Bischof zu Wien. Sein Hofmeister Wagner informirte ihn in der Historie sonderlich des deutschen Reichs und des österreichischen Hauses.» Einer dieser beiden möchte also wohl der Verfasser des Aufsatzes sein, von welchem ich hier einen Abschnitt mittheile*), der mir der wichtigste schien. um zeitliche Güter zu vereinbaren angefangen und welche den Gipfel der höchsten geistlichen Ehren bestiegen, zugleich auch einer Oberherr^schaft in weltlichen Dingen über andere Fürsten, welchen doch der Allerhöchste allein aus seiner göttlichen Vorsichtigkeit Krone und Szepter in die Hände gelegt, sich anzumossen leine Scheu getragen, welches Niemand mehr und höher empfunden hat als die römischen Kaiser und Könige, deren Borfahren doch der römischen Kirche so namhafte Schcmknngen gcthan und durch ihre zwar lobliche Andacht und Freigebigkeit nicht allein das Neich geschwächt, sondern auch den Päpsten Anlaß gegeben, daß selbe ihr geistliches Amt jcweilen hintan gesetzt und ihre Gedanken auf die irdischen und zeitlichen Güter allzuviel gewendet und ihre Gewalt noch weiter zu erstrecke», die Herrschsucht dergestalt überhand nehmen lassen, daß selbe auch diejenigen zu unterdrücken sich nicht entblödet haben, von welchen sie so hoch erhoben und in den Stand gesetzt worren, dergleichen unternehmen zu dürfen. (Folgt eine längere Auseinandersetzung über Karl den Großen, Gregor VII., Ludwig den Bayern).

München, im Januar 1861. Söltl.

Von dem römischen Papst.

Es ist eine allbekannte und richtige Sach, daß die päpstliche Würde die fürnehmste und höchste in der Christenheit sei, indem der Papst als Haupt der römischen Kirche und Statthalter Christi auf Erden billig vor anderen Monarchen mit geziemender Chrerbietnng von ihnen venerirt zu werden verdient. Nachdem aber diese hohe Würde so nur auf das Geistliche anfangs gerichtet und mit nichts Anderem beschäftigt war, als den wahren Glauben Gottesdienst und christlichen Wandel fortzupflanzen und auszubreiten, mit der weltlichen Macht und Herrlichkeit vergesellschaftet worden: hat es nicht wohl anders sein können, als daß die damit Gewürdigte auf das weltliche Interesse gleichfalls ihr Absehen zu richten und die Vorsicht -für der Menschen Seel und Seligkeit mit dem Anliegen und (der) Sorgfalt

*) In wörtlichem Abdruck nur mit der neuen Schreibart, und Hinweglas« jung einiger, an sich nicht bedeutenden historischen Erörterungen.

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Daher so sehr ein römischer Kaiser oder König Amts halber verbunden ist, als »upreluu» ^ävooatu» et äeiengor Ncols»!«,« in Glaubenssachen und geistlichen Dingen dem päpstlichen Stuhl alle Ehrerbietung und Gehorsam zu erweisen, auch denselben kräftigst zu schützen: also will hingegen eben so nöthig und anständig sein, sich wider dergleichen allzuweite Erstreckung der päpstlichen Gewalt wohl zu verwahren und vorzusehen, und gleichwie ein Unterschied zwischen dem päpstlichen Stuhl und römischen Hof zu machen ist, weil der erstere die Glaubenssachen und (das) geistliche Wesen, der andere aber die weltliche Beherrschung zum Ziel und Absehen hat: also muß man Beides wohl zu unterscheiden wissen und nicht zugeben, daß eines mit dem andern vermischt werde. Denn eben dieses war die Hanpt» Ursache, warum die päpstliche Gewalt auch in weltlichen Dingen über den römischen Kaiser so hoch gestiegen und die kaiserliche Autorität so merklich gestutzt worden, weil die Päpste der geistlichen Waffen sich zu weltlichen Dingen gebraucht haben, welche vor Zeiten so sehr gefürchtet worden, daß Könige und Potentaten vor dem römischen Kirchenbann erzittern mußten, und hat die verschmitzte Art und Klugheit etlicher Päpste sich dieses Mittels so vernünftig zu gebrauchen gewußt, daß diejenigen, so sich ihnen widersetzt und die schändlichen Folgen geplüfet, lieber Alles nachgeben und einwilligen wollten, als sich in Gefahr setzen, von Männiglich verlassen auch ihrer Land und Leute Szepter und Krön gar beraubt und verlurstig zu werden.

Nachdem aber nichts so Herrliches und Lobliches auf der Welt zu finden, welches von dem Menschen nicht gemißbraucht auch nichts so Heiliges und Reines, welches nicht übel angewendet werden mag, so hat man endlich gar zu sehr wahr genommen, daß die Päpste die Schranken der ihnen zukommenden geistlichen Macht und Gewalt allzuweit überschritten, und anstatt sie das Himmelreich, zu welchem unser Heiland ihnen die Schlüssel anvertraut, ihren Schafen als geist» liche Hüter eröffnen sollten, jeweils vielmehr dahin beflissen gewesen, wie sie die wahren Eigenthums-Herren und rechtmäßigen Besitzer um ihre Länder und Herrschaften bringen mochten, welcher Mißbrauch solcher Bann und Achtserklärung, womit man öfters unnöthiger und ungerechtsamer Weis zugeblitzt selbe nach der Hand verächtlich gemacht, so daß auch die besten Christen durch dergleichen Blitz nicht mehr geschreckt werden können, wann sie nicht eine rechtmäßige Ursach dabei befinden, wie man dessen vielfältige exLinpIl», von Bonifaz VIII. und Julius II. und mehr anderen beibringen könnte, derentwillen denn auch heutiges Tags von den Päpsten selbst hiebet größere Bescheidenheit gebraucht und dieses Mittel des geistlichen Banns sonderheitlich gegen gekrönte Häupter nicht mehr so schlechter Dinge (wegen) ergriffen wird, nachdem die leidige Erfahrung gezeigt, was für schädliche Wirkung es bei Heinrich VIII., König in England, nach sich gezogen. Denn es läßt sich keine Folgerung von den Zeiten der ersten Kirche auf die jetzige machen, weil die Kirchendisciplin damals in viel besserem Flor und (in) Aufnahm und die Gewissen der Menschen in Vekcnnung des christlichen Glaubens viel eifriger und die rechtgläubigen Gemüther viel aufrichtiger gegen einander verbunden gewesen, da sich ein Jeder seiner Gewissenspflicht erinnerte und die Geistlichkeit auf nichts anderes bedacht war, als was ihr Amt eigentlich mit sich brachte. Von diesen alten christlichen Zeiten , sage ich, muß gar kein Schluß auf die gegenwärtige gemacht werden, in welchen die Ketzer und Schwärmer nicht allein die (zu) vor bekannte Lehr des katholischen Glaubens zu falschen und zu stümmeln, sondern auch viel Atheisten den Grund der evangelischen Wahrheit zu minircn angefangen, auch die Kirchenvorsteher selbst nicht jederzeit denjenigen Fwcck allein vor Augen gehabt, um welches willen ihnen Gott die Macht ertheilet, zu binden und aufzulösen, sondern allzu handgreiflich zu erkennen gegeben, daß es ihnen nicht jederzeit um den Himmel, sondern vielmehr um die Erde zu thun sei, zu geschweige«, daß deren Wandel und Lebensart ihnen den vormaligen Credit und Hochschätzung merklich benommen und zn großem Acrgerniß Ursach gegeben haben, bcvorab (zumal) da ihrer Anverwandten unersättlicher Geiz nach Geld und Gut vielmals nicht zu stillen gewesen, und solche Mittel ergriffen worden, wodurch nicht allein nach dem Exempel an» derer Fürsten die weltlichen Güter beschwert sondern auch mit geist» lichen Dingen Haudelschaft getrieben worden.

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Durch diese und mehr andere Unordnungen des römischen Ho» fes hat der päpstliche Stuhl und die katholische Kirche selbst hienach großen Anstoß leiden und der Mackel und Flecken des Hauptes ent» gelten müssen, indem unterm Borwand der Reformation und Abstel» lung solcher Mißbrauch so viel Königreich und Länder von der römi» scheu Kirche abgefallen, ob zwar die Urheber der leider noch dauern« den Religionsspaltung nicht durch einen Eifer für Gottes Ehre dahin angetrieben worden, wohl wissend, daß bei lasterhaften Geistlichen dennoch die Reinigkeit des Glaubens könnte gefunden werden und daß der menschliche Wille zwar öfters znm Vösen neigte, obschon die gesunde Vernunft dawider wäre, und eben diejenigen Befehle und Ge» setze Gottes kraft deren wir der Geistlichkeit Fehler meiden und flie» Heu sollen, dennoch von uns auch dieses erfordert, daß wir ihrer Lehre und demjenigen Weg folgen sollen, auf welchem wir den La» stern, worein sie gefallen, entgehen mögen.

Aber die Anfänger der so schädlichen Glcmbensneuerungcn wur» den durch ganz andere Bewegungen hiezu verursachet und theils durch den Geiz wegen gesuchter Ablaßpredigt theils durch den Hochmuth und (fehlt) wider den römischen Hof Geschöpfen Unwillen augereizt, dergestalt, daß anstatt sie den Fehlern und Mißbräuchen feind und ge« hässig sein sollten, sie sich vielmehr an die Personen der geistlichen Oberen zu reiben nnd dawider aufzulehnen sich (nicht) entblödet und an» ntt sie Gottes gnädige Vorsorge für seine Kirche und Gemeinde bil«

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