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Oberprinzip der politischen Isolierung Amerikas zum
Schutze der Vereinigten Staaten zusammenfassen kann.1)

Dieser defensive Isolationsgrundsatz durchzog mehr oder weniger klar erkannt und mehr oder weniger allgemein ausgesprochen, teils beschränkt auf das Verhältnis zwischen Europa und den Vereinigten Staaten, teils erweitert auf dasjenige der Vereinigten Staaten zu der übrigen Welt, teils angewendet auf das zwischen Europa und die amerikanischen Kontinente, immer jedoch die Vereinigten Staaten einschließend und zu ihrem Schutze gedacht, das Denken und Handeln der amerikanischen Regierung von der Unabhängigkeitserklärung an.

Gedankliche Zeugnisse.

Seinen mächtigsten Ausdruck fand er unter vornehmlicher Betonung der Haltung, die die Vereinigten Staaten Europa gegenüber annehmen sollten,2) in George Washingtons Abschiedsadresse vom 17. September 1796, jener berühmten Botschaft der ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten, die fast die gleiche ehrfürchtige Autorität wie die Verfassung der Vereinigten Staaten selbst gewonnen hat. In dieser Botschaft sagt Washington u. a.: 3)

,,Gegen die hinterlistige Tücke fremden Einflusses, ich beschwöre Euch mir zu glauben, Mitbürger, sollte das Mißtrauen eines freien Volkes beständig wach sein, da Geschichte und Erfahrung beweisen, daß fremder Einfluß einer der giftigsten Feinde republikanischer Regierung ist."

Während diese Wendung noch als allgemeine Phrase bezeichnet werden kann, sind die folgenden Sätze ein deutlicher Ausdruck des eben erwähnten Prinzipes.

1) Noch im Jahre 1898 bezeichnete der frühere Staatssekretär Olney, International Isolation als den Grundsatz amerikanischer Politik (Atlantic Monthly, LXXXI, 577 ff.); vergl. ferner Low, in XIX. Century, 1896 (The Olney doctrine), S. 860:,,The old Monroe doctrine was one of self-centred isolation". Vergl. ferner auch Dunning, S. 1.

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2) Vergl. Staatssekretär Olney's Bemerkung in seiner Instruktion_vom 20. Juli 1895 an Bayard; vergl. unten bes. S. 171 ff. u. A n hang unter Nr. 8: ,Während die Abschiedsadresse Amerika aus dem Felde europäischer Politik herausnahm, schwieg sie zu dem Teii, den Europa in Amerika zu spielen erlaubt sei.“ 3) Die Botschaft ist im engl. Text im Anhang unter Nr. 1 wiedergegeben. Sie ist zahlreich gedruckt worden. Wir finden sie z. B. in Ford's Writings of Washington, XIII, 277 ff.; ferner im Auszug bei Moore, VI, 369 f.; und sie steht in etwas veränderter Form in A m. State Papers For. Rel. I, 34 ff.

Washington erklärt:

,,Die große Regel unserer Haltung gegenüber fremden Nationen ist: in Ausdehnung unserer kommerziellen Beziehungen mit ihnen so wenig politische Verbindung als möglich zu haben."1)

Und weiter:

,,Europa hat eine Reihe fundamentaler Interessen, die uns gar nicht oder nur sehr wenig berühren. Deshalb muß es in häufige Kontroversen verwickelt sein, deren Gründe unseren Interessen wesentlich fremd sind. Deshalb muß es weiter unklug für uns sein, uns selbst durch künstliche Bande in die alltägliche Unbeständigkeit ihrer Politik oder in die üblichen Verbindungen und Zusammenstöße ihrer Freundschaften oder Feindschaften hineinziehen zu lassen."

Endlich:

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,Warum sollten wir dadurch, daß wir unser Geschick mit dem irgend eines Teiles von Europa verketten, unseren Frieden und Wohlstand in die Plackereien europäischen Ehrgeizes, seiner Rivalitäten, seiner Interessen, seiner Launen und Capricen verwickeln?"

Diese allgemeinen Ausführungen schließen den Teil der Monroebotschaft, der von der Beschränkung der Betätigungsfreiheit der Vereinigten Staaten Europa gegenüber handelt, völlig in sich ein. Sie gehen sogar noch darüber hinaus, denn sie warnen die Vereinigten Staaten vor politischen Beziehungen nicht nur mit europäischen Mächten, sondern mit fremden Mächten überhaupt.

Andererseits ist aber auch kein Gedanke der Monroedoktrin in Washingtons Abschiedsadresse schon besonders ausgesprochen. Diese Adresse ist zwar eines der wichtigsten, aber weder das einzige noch auch das entschiedenste Zeugnis dafür, daß der über der Monroedoktrin stehende Grundsatz der Isolation die Ideen der amerikanischen Staatsmänner schon vor 1823 beherrschte.

Es kann nicht die Aufgabe sein, hier eine Sammlung solcher Aussprüche abzudrucken.2) Für die Zwecke unserer Darstellung

1) Im Original nicht hervorgehoben.

2) Gilman in seinem nützlichen Buche: James Monroe usw. Boston u. New York, 1900, druckt auf S. 162 ff. eine solche Sammlung ab. Wertvoll ist in dieser Beziehung auch die Auswahl, die in A m. History Leaflets Nr. 4 usw.. auf den Seiten 2-13 gegeben ist.

genügt es, Bemerkungen aus zwei Briefen Jeffersons an William Short wiederzugeben, weil sie der leidenschaftlichste und radikalste, zugleich aber auch ein typischer Ausdruck dieses Isolationsgedankens sind. Der eine Brief vom 3. Oktober 1801 enthält die folgenden Worte: 1)

„Wir haben einen vollständigen Abscheu vor allem, was wie eine Verbindung unserer selbst mit einer Politik Europas aussieht. . . .“

Der andere Brief vom 4. August 1820 lautet an der entscheidenden
Stelle folgendermaßen: 2)

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,,Von vielen Unterhaltungen mit ihm 3) hoffe ich er sieht und wird in seiner neuen Stellung die Vorteile einer kordialen Verbrüderung zwischen allen amerikanischen Nationen und die Bedeutung ihrer Vereinigung in ein System amerikanischer Politik, das völlig unabhängig von und unverbunden mit Europa ist, verwirklichen.

Der Tag ist nicht fern, an dem wir formell einen Meridian der Teilung durch den Ozean heischen, der die beiden Hemisphären trennt, diesseits von dem kein europäischer Schuß jemals gehört werden soll, noch ein amerikanischer auf der andern Seite; und wenn während der Wut der ewigen Kriege Europas es den Löwen und das Lamm in unseren Regionen in Frieden zu einander zieht.". . . . .4)

Die Betätigungsrichtungen des Isolationsgedankens in der amerikanischen Diplomatie von 1823.

Nicht nur die Worte von Staatsmännern, sondern auch die Haltung der Vereinigten Staaten vom Erlaß der Unabhängigkeitserklärung an bis zur Verkündung der Monroebotschaft zeigt fortdauernd, wie sie ihre auswärtige Politik konsequent nach jenem Grundsatz der Isolation eingerichtet haben.

Ein allgemeiner Überblick über den betreffenden Zeitraum ergibt, daß sie sich prinzipiell politische Untätigkeit Europa gegen

1) Enthalten in Jeffersons Works, IV, 370 und Gilman S. 169.
2) Enthalten in Randolfs Memoirs of Jefferson, III, 472.

Gemeint ist Correa, designierter Gesandter von Portugal zu Brasilien. Vergl. auch weiter: Jefferson's Worte vom 13. Mai 1797, die in Ford's Ausgabe seiner Papiere im Bd. VI, S. 123 abgedruckt sind und folgendermaßen lauten:,,I can scarely withold myself from joining the wish of Silas Deane, that there were an ocean of fire between us an the old world".

über auferlegt haben, dasselbe von den europäischen Mächten Amerika gegenüber verlangend.

Man kann dabei verschiedene Betätigungseinrichtungen nachweisen. Von diesen kommen hier besonders die folgenden in Betracht:

Das Prinzip der Vermeidung von Allianzen.

Das Isolationsprinzip äußert sich vor allem darin, daß die Vereinigten Staaten es grundsätzlich vermieden haben, sich in politische Allianzen oder andere engere politische Bündnisse mit andern Staaten einzulassen.

In den bangen Zeiten amerikanischer Diplomatie, wo die Vertreter der Regierung der Vereinigten Staaten von einem europäischen Hofe zum andern wanderten und um Anerkennung und Hilfe nachsuchten, konnte es zwar geschehen, daß dieser Grundsatz der Vermeidung von Allianzen zugunsten des näher liegenden Zieles der Daseinserhaltung zurücktrat.

Die Vereinigten Staaten schlossen am 6. Februar 1778 um den Preis der Anerkennung ihrer Freiheit, Souveränität und Unabhängigkeit mit Frankreich neben einem Handelsabkommen auch einen Allianzvertrag.2)

Dieser Vertrag, der schon am 7. April 1798 durch den Kongreß der Vereinigten Staaten aufgehoben wurde,1) blieb jedoch das einzige Allianzbündnis, das die Vereinigten Staaten jemals geschlossen haben, und sie haben sich, abgesehen von dieser Ausnahme, in der fraglichen Zeit auch nie in politische Bündnisse mit engeren Zwecken eingelassen.3)

1) Martens, R. I, 701 u. R. II, 605. Treaty Vol. 1910, S. 479. In einem geheimen Zusatzvertrage vom gleichen Tage wurde übrigens Spaniens Beitritt zu beiden Verträgen offen gehalten (eod. S. 482 f.). Vergl. näheres über die oben skizzierte Angelegenheit insbesondere in Fiske, John, The American Revolution, Vol. II, 1893, Boston u. New York, Kap. 8:,,The French Alliance", S. 1 ff. Ferner Winsor, Justin, Narrative and critical History of America, Bd. VII (Boston u. New York, wahrscheinlich 1888), S. 40 ff.

2) Treaty Vol. 1910 eod. Note a.

3) Nicht politische Bündnisse haben die Vereinigten Staaten während dieser Zeit häufig abgeschlossen. Moore (Dipl. S. 33) erklärt, daß sie in der Zeit zwischen 1776 und 1789 vierzehn solcher Verträge eingegangen seien und zwar 6 mit Frankreich, 3 mit Großbritannien, 2 mit den Niederlanden, je 1 mit Marokko, Preußen und Schweden. Man findet alle diese Verträge im Treaty Vol. 1910 an den betreffenden Stellen.

Das Neutralitätsprinzip.

Eine zweite Ausdrucksform des Isolationsprinzips ist die neutrale Haltung der Vereinigten Staaten gegenüber den damals Europa aufrührenden Kämpfen. Die politischen Zustände in Europa in der betreffenden Zeit gaben den Vereinigten Staaten reiche Gelegenheit zur Betätigung einer neutralen Haltung.

Als Beleg für diese Tatsache mag hier beispielsweise folgendes angeführt werden:

Exkurs.

Der eben bezeichnete Allianzvertrag mit Frankreich verpflichtete die Vereinigten Staaten dazu,,,ihrer christlichen Majestät die gegenwärtigen Besitzungen der französischen Krone in Amerika ebenso wie diejenigen, welche sie durch zukünftigen Friedensvertrag etwa erwerben würde, zu garantieren (Artikel XI)“. Außerdem sollte im Falle eines Bruches zwischen Frankreich und England die reziproke Garantie dieses Vertrages vom Augenblicke des Kriegsausbruches an in Wirksamkeit treten.

Als jedoch Frankreich am 1. Februar 1793 den Krieg gegen England erklärte, waren die Vereinigten Staaten trotz der in dem Allianzvertrag geleisteten Garantie nicht geneigt, für Frankreich Schritte zu ergreifen. Am 18. April 1793 legte George Washington seinem Kabinett eine Reihe von Fragen vor, die sich auf das Verhältnis der Vereinigten Staaten zu Frankreich bezogen.1)

Die erste dieser Fragen war, ob eine Neutralitätserklärung zu erlassen sei, die vierte, ob die Verträge mit Frankreich trotz der veränderten Umstände (Hinrichtung Ludwigs XVI. am 21. Januar 1793 und schon vorher Verkündung der Verfassung der Vereinigten Staaten am 17. September 1787) als noch in Kraft stehend anzusehen seien oder nicht. In der Kabinettssitzung vom 19. April 1793 wurde beschlossen, die Entscheidung über die vierte Frage hinauszuschieben, die erste Frage dagegen wurde in dieser Sitzung bejaht. Und am 22. April 1793 gab George Washington seine berühmte, von John Jay formulierte Neutralitätserklärung heraus.2)

1) Der Text dieser Fragen findet sich bei Sparks, Washingtons Writings X, S. 533, sowie Moore, V, S. 589.

2) Der Text dieser Neutralitätserklärung findet sich in Am. State Papers For. Rel. I, S. 140, sowie bei S parks, l. c. X,533. Ein Faksimile in Moore's Dipl., S. 41.

Die Erklärung stellt fest, daß ein Zustand des Krieges zwischen Österreich, Preußen, Sardinien, Großbritannien und den Vereinigten Niederlanden auf der einen Seite und Frankreich auf der anderen Seite bestehe. Sie stellt ferner fest, daß es die Pflicht und das Interesse der Vereinigten Staaten erfordere, mit Ernst

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