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wäre der Beweis, daß jene Doktrin ein Satz dieses amerikanischen Völkerrechts sei, noch nicht geführt.

Bei einer solchen Beweisführung wären von vornherein alle Tatsachen auszuschalten, die lediglich dartun, daß auch andere amerikanische Staaten sich gegen die politische Betätigung nichtamerikanischer Mächte in Amerika in derselben Weise wie die Vereinigten Staaten verhalten und dies zu ihrem Grundsatz erhoben haben. Denn derartige Tatsachen sind nur dazu geeignet den Beweis dafür zu erbringen, daß jene Staaten ebenfalls ihre ,,Monroedoktrin" besitzen, und daß die Monroedoktrin ein gemeinsames politisches Grundprinzip oder ein gemeinsamer Satz des äußeren Staatsrechts der betreffenden amerikanischen Republiken einschließlich der Vereinigten Staaten ist. Nicht geeignet dagegen sind sie für den Nachweis, daß die Monroedoktrin, wie sie von Alvarez, und noch mehr wie sie von uns verstanden wird, eine über der Gesamtheit der amerikanischen Staaten stehende Regel bildet, daß sie der Inhalt eines,,gemeinen" amerikanischen Völkerrechtes ist.1)

Der Nachweis der von Alvarez aufgestellten Behauptung könnte nur dadurch geführt werden, daß gezeigt würde, die amerikanischen Republiken wären dazu gelangt, die Monroedoktrin als eine über ihnen allen stehende Regel für ihr Verhalten europäischen Angriffen gegenüber anzunehmen. Damit die Monroedoktrin als ein Satz des amerikanischer Völkerrechts sei, wäre es

1) Dies wird beispielsweise in der Botschaft des Präsidenten Diaz von Mexiko vom 1. April 1896 in besonders drastischer Weise verkannt. In dieser Botschaft, die im übrigen ein wertvolles Zeugnis dafür ist, daß die Monroedoktrin noch nicht einmal als die gemeinsame Doktrin verschiedener amerikanischer Staaten angesprochen werden kann, bemerkt Präsident Diaz nach der englischen Übersetzung in den Br. and For. State Papers LXXXIX, S. 230 f.:,,The Mexican Government can not declare its partiality for a doctrine which condemns as criminal any attack on the part of the monarchs of Europe against the republics of America, against the independent nations of this continent, now all subject to a popular form of governn.ent.

Each one of those republics ought, by means of a declaration like that of President Monroe, to proclaim that every attack on the part of a foreign power, with a view of curteiling the territory of the independence of, or of alterating the institutions of, any of the republics of America, would be considered by the nations making the declaration as an attack on itself, provided that the nation directly attacked was threatened in such manner bespoke the aid of the other nations opportunely. In this manner the doctrine now called by the name of Monroe would become the doctrine of America in the fullest sense of the word, and though originating in the United States, would belong to the international law of the continent." (Im Original nicht gesperrt.)

notwendig, daß sie eine ,,gemeine" Regel für jene Republiken als eine politische Einheit bilde. Abgesehen davon, daß der Beweis der Existenz eines amerikanischen Völkerrechts nicht erbracht ist, fehlen aber auch hierfür wieder alle tatsächlichen Grundlagen.

Die pan-amerikanische Bewegung, so groß im übrigen ihre in Europa wohl noch kaum im vollen Umfange erkannte Bedeutung ist, ist nicht geeignet, hierfür Belege zu geben. Soweit die Herstellung engerer politischer Beziehungen der amerikanischen Staaten zu einander in Betracht kommt, sind ihr dauernde und reale Ergebnisse bisher nicht beschieden gewesen.1) Man kann hier nicht von mehr als von Zukunftshoffnungen reden, zu denen ihre Entwicklungsgeschichte vielleicht berechtigt.

Man hat aber andererseits sogleich hinzuzufügen, daß die Monroedoktrin der Vereinigten Staaten diesen Hoffnungen entgegensteht.2) Denn die notwendige Grundlage für die Monroedoktrin ist ein Verhältnis der Überordnung und der Unterordnung, der Schutzmacht auf der einen Seite, dargestellt durch die Vereinigten Staaten und der Schutzobjekte auf der andern, gebildet durch die übrigen amerikanischen Republiken. Die Grundvoraussetzung für die pan-amerikanische Bewegung dagegen ist Gleichordnung. Und so kann man beobachten, wie die Beratungsgegenstände der internationalen amerikanischen Konferenzen aus weittragenden politischen Einigungsgedanken eines Bolivar und der Teilnehmer der Panama konferenz vom Jahre 1826 sich immer entschiedener zu unpolitischen Aufgaben, wie Eisenbahn-, Sanitäts-,

1) Man sollte hier übrigens beachten, daß die pan-amerikanische Bewegung durchaus nicht eine ausschließliche oder primäre Tendenz gegen die nichtamerikanische Staatenwelt hat. Diese Bewegung erstrebt ebenso sehr den Frieden und eine Garantie der Unabhängigkeit der einzelnen amerikanischen Staaten im Verhältnis zu einander, wie gegen nichtamerikanische Staaten. Sie zeigt wiederholt sogar eine Richtung der Abwehr gegen Angriffe, die von seiten der Vereinigten Staaten vermutet wurden. Vergl. hierzu z. B. den sogenannten (niemals in Kraft getretenen Kontinental-Vertrag vom 15. Sept. 1858, der in Santiago zwischen Peru, Chile und Ecuador geschlossen wurde. Dieser Vertrag war aus dem Mißtrauen gegen die Vereinigten Staaten geboren und verursacht durch den Angriffskrieg der Vereinigten Staaten gegen Mexiko, der mit der Wegnahme von Californien und New Mexico endete, sowie insbesondere durch Walkers Freibeuter-Expeditionen. Hierzu vergl. besonders: Calvo, I, S. 88 f., Fried, S. 18 f., ferner International American Conference, Washington 1890, Bd. IV S. 207 ff. (vergl. oben). Der Text des Vertrages steht bei Torres Caicedo, S. 241 ff.

2) Sá Vianna, S. 265:,,Il convient cependant de noter que le Monroeisme constute aujourd'hui le seul obstacle invencible à un rapprochement parfaitement sincère et durable, entre les Républiques latines et la République AngloSaxonne."

Patent-, Gebrauchsmuster-, Literaturschutz-, Professorenaustauschfragen usw. umwandeln, und daß sie nur hier anfangen, greifbare Erfolge zu haben.1)

Nach alledem ist abschließend zu sagen:

Die Monroedoktrin ist kein Satz des Völkerrechts, insbesondere keiner eines amerikanischen Völkerrechts.

1) Uber die pan-amerikanische Bewegung kann hier ebenfalls nicht mehr bemerkt werden, so sehr der interessante Stoff dazu auch reizt. Für sie ist ebenfalls noch nichts Abschließendes geschrieben worden. In deutscher Sprache kommt besonders das tüchtige Werk von Alfred H. Fried, das hier bereits mehrfach erwähnt ist, in Betracht. Von Werken in französischer Sprache sind in erster Linie die Arbeiten von Alvarez und dabei vor allen Dingen sein im Jahre 1910 erschienenes Buch zu nennen. Das Quellenmaterial findet sich bis zur ersten internationalen amerikanischen Konferenz von Washington in der von der amerikanischen Regierung im Jahre 1890 gedruckten vierbändigen Veröffentlichung: ,,International American Conference", das bereits in dem Literaturverzeichnis zur Panamakonferenz erwähnt ist. Vergl. auch sonst noch diesen Literaturnachweis; vergl. oben S. 278 Anm. 1.

Vergl. ferner 57. Cong. 1. sess. Sen. Do c. 330, 1902 (Second International Conference of American States) Report of the Delegates of the United States to the III. International Conference of the American States, held at Rio de Janeiro, Brazil, 21. Juli bis 26. Aug. 1906; Gov. Print. Off., Washington 1907 (Sonderdruck); 61. Cong. 3. sess.; Sen. Doc. 744, 1911; Gov. Print. Off. IV. International Conference of American States, (Buenos Ayres, 12. Juli bis 30. Aug. 1910); Barrett, John, The Pan American Union, Peace Friendship Commerce, Washington 1911; Basdevant, La Conférence de Rio de Janeiro de 1906 et l'union internationale de République américaines, R. G., XV (1908) S. 230 ff.; Calvo, The relation of Central America to the Pan-American Movement; in Supplement to the Ann. Am. Ac. Pol. and Soc. Sc. (The Pan-American Conference and their Significance, Mai 1906, S. 21f., nur 2 Seiten); auf S. 5 ff. derselben Publikation befindet sich eine kurze Abhandlung des Señor Don Jaquin de Casasus, mit dem Titel: The Record of achievement of the Pan-American Conferences; Karl Klugmann, Die Union der amerikanischen Republiken in Internationale Mcnatsschrift für Wissenschaft Kunst und Technik, herausgegeben von Max Cornelius, Berlin 1912, Heft 3 S. 258 ff.; Noël, John Vavasour, History of the Second Pan-American Congress Baltimore 1902; Reinsch, Paul S., Die internationale Konferenz und das Bureau der amerikanischen Republiken in Kohlers Zeitschr., III (1909) S. 432 ff.; Derselbe, The III. International Conference of American States, in A m. Po!. Sc. Review, Bd. I, 1906-1907, S. 187 ff.; Derselbe, The IV. International Conference of American Republics, A. J., IV (1910) S. 777 ff.; Romero, M. (mexikanischer Gesandter in Washington), The Pan-American Conference in N. Am Rev., Bd. CLI (1890) S. 354 ff.; Subercaseaux, B. Vicuna, Los Congresos Pan-Americanos, Santiago de Chile 1906.

III. Monroedoktrin und Intervention. 1) 2)

1. Die Monroedoktrin gestützt auf das sogenannte Selbsterhaltungsrecht.

Bis hierher war versucht worden, den Beweis dafür zu führen, daß die Monroedoktrin inhaltlich ihrerseits kein Völkerrechtssatz ist.

1) Zur Interventionslehre vergl. die folgende Literaturauswahl: Bluntschli, S. 68, 107, 120, 380, 474 ff.; Bonfils, S. 175 ff.; Bourgeois, J., Le Principe de non-intervention, R. G., IV (1897) S. 475 ff.; Calvo, IS. 264 ff.; Carnazza-A. IS. 495 ff.; Derselbe, Nouvel exposé du principe de non-intervention, A. J., Bd. V (1873) S. 352 ff. und 531 ff.; Creasy, S. 287 ff.; Despagnet, S. 250 ff.; Fiore, Nouveau droit, I S. 497 ff.; Derselbe, Droit International Codifié, (1911) S. 304 ff.; Floeckher, A. de, (Hamburger Referendar), De l'Intervention en droit International, Paris 1896; Floeckher, A. de, Les Conséquences de l'intervention, R. G., III 1896, S. 329 ff.; Foignet, S. 84 ff.; Funk-Brentano und Sorel, Kap. XI S. 213 ff.; Ga reis, § 26, S. 95 ff.; Geffcken, Heinrich, Das Recht der ntervention, Separatdruck aus H. H. 1887, Hamburg; Derselbe, H. H. IV S. 131 ff.; Hall, Kap. VIH S. 278 ff.; Halleck, S. 101, 104, 108, 111, 558 ff.; Hartmann, § 17 S. 56 ff.; Heilborn, in der Holtzendorff-Kohlerschen Encyklopädie, S. 1054 ff.; Heilborn, System, S. 353 ff.; Hautefeuille, L. B., Le principe de non-intervention usw., Paris 1863, Wiederdruck aus der Revue Contemporaine, Bd. XXXIV S. 93 ff.; Heffter-Geffcken, §§ 44-46 S. 109 f.; Heiberg, Das Prinzip der Nichtintervention, Leipzig 1842; Hershey, Essentials, S. 147 ff.; Historicus, (Sir William usw. Harcourt), Letters by...., on some questions of International Law, Reprinted from The Times, London und Cambridge 1863, besonders II S. 39 ff.; ,,Letters or the perils of Intervention"; v. K a m ptz, Völkerrechtliche Erörterung des Rechts der europäischen Mächte, in die Verfassung eines einzelnen Staats sich einzumischen, Berlin 1821; Kent, Ausgabe Abdy, S. 40 ff.; Lawrence S. 123 ff.; Lingelbach, W. E., The Doctrine and Pratice of Intervention in Europe; A n n. A m. A c. Pol. and Soc. Sc., Bd. XVI (1900) S. 1 ff.; v. Liszt, besonders S. 63 f.; Lorimer, S. 43 ff.; Martens, I§ 76; Mérignhac, I S. 284 ff.; Moore, VI, Kap. XIX S. 1 ff.; Nys, II S. 185 ff. und 200 ff.; Oppenheim, I S. 188 ff.; Phillimore, I S. 553 ff.; Pomeroy, § 202 ff. S. 242 ff.; Pradier-F., I Nr. 354 ff., S. 546 ff.; Rivier, Princ, I, § 31 S. 389 ff.; Derselbe, Lehrb. § 33 S. 243 ff. und § 57 S. 363 ff.; RolinJaequemyns, G., Note sur la théorie du droit d'intervention à propos d'une lettre de M. le Professor Arntz, R. J., VIII (1876) S. 673 ff.; v. Rotteck, H., Das Recht der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates, Freiburg 1845; Stapleton, Augustus Granville, Intervention and non-intervention or the foreign policy of Great Britain, 1790-1865, London 1866; Strauch. Zur Interventionslehre; eine völkerrechtliche Studie, Heidelberg 1879; Taylor, International Law, S. 404 ff.; Ullmann, § 163 S. 459 ff.; Walker, Manual, S. 19 ff.; Westlake, I S. 304 ff.; Wheaton-Atlay, § 63 S. 88 ff.; Wildmann, I S. 47 ff.; Wilson-Tucker, Kap. II S. 55 ff.; Woolsey, Introduction, S. 34 ff.

2) Wir verstehen unter Völkerrechtssätzen hier den gesamten Inhalt des objektiven Völkerrechts, nicht nur solche Bestimmungen, die subjektive Rechte geben, sondern auch die von ihm umfaßten Duldungssätze. Insbesondere soll der Ausdruck nicht andeuten, daß wir hier ein allgemeines Interventionsrecht aner

Kraus, Monroedoktrin,

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Es bleibt hier nunmehr noch die Frage übrig, ob sich für das von ihr in Aussicht gestellte gewaltsame Einschreiten der Vereinigten Staaten und damit für die Monroedoktrin selbst aus allgemeinen völkerrechtlichen Gesichtspunkten eine Rechtfertigung finden läßt, ob die Monroedoktrin allgemeine Prinzipien des Völkerrechts zu ihrer Grundlage hat.

Die von ihren Verteidigern in dieser Hinsicht üblicherweise aufgestellte Behauptung geht dahin, die Monroedoktrin sei durch das sogenantnte Selbsterhaltungsrecht zu rechtfertigen.1) 2)

Die Befugnis eines Staates, alles Erforderliche zum Zwecke seiner Selbsterhaltung zu tun, ist eine der natürlichsten und unanfechtbarsten Grundtatsachen des Völkerrechts. Erkennt man die Existenzberechtigung unabhängiger Staatswesen an, so muß man ihnen notwendigerweise zugleich auch die Befugnis zubilligen, alle solche Handlungen vorzunehmen, die zur ungestörten Aufrechterhaltung ihres Eigenlebens notwendig erscheinen.

kennen, wie dies gegen die herrschende Meinung, z. B. von Geficken, H. H., IV S. 134, sowie von Mérign hac, I S. 290 f. geschieht.

Für die herrschende Meinung, daß die Intervention kein Recht sei, vergl. insbesondere:

Bonfils, S. 176 (Parler d'un droit d'intervention pour le revendiquer ou pour le repousser c'est abuser du mot droit); Davis, Elements, S. 110; defloeckher, de L'Intervention usw., S. 17 ff. u. 23 ff.; Funk-BrentanoSorel, S. 212 ff.; Heilborn, Kritik, S. 354 ff.; Hershey, S. 155 (,,It may become a source of legal rights and duties"): Martens, IS. 299; Oppenheim, I S. 189 ff.; (er scheidet zwischen Intervention by Right und Admissability of Intervention in default of Right); Piédelièvre, I S 260; Pomeroy S. 244; Pradier-F., I S. 547 ff.; Ullmann, S. 460 (,,soweit dies Recht nicht besonders eingeräumt ist).

1) Über Wesen und Begriff der Selbsterhaltung vergl. auswahlsweise die folgenden Nachweise:]

Bonfils, S. 143 ff.; Calvo, I S. 352 ff.; Gareis, S. 93 f.; Despagnet, S. 224 ff.; Hall, Kap.VII S. 264 ff.; Halleck, Bd. I, Kap.IV S. 100 ff.; Hartmann, § 15 S. 44 f.; Heffter, S. 72 ff.; Heilborn, S. 280 ff.; Hershey, S. 144 ff.; v. Holtzendorff, in H. H., II S. 51 ff.; Martens, I S. 294 ff.; Mérignhac, I S. 239 ff.; Nys, II S. 218 ff.; Oppenheim, IS. 184 ff.; Phillimore, I S. 312 ff.; Piédelièvre, S. 171 ff.; PradierF., I Nr. 211 ff., S. 356 ff.; Rivier, Princ., I § 20 S. 265 ff.; Derselbe, Lehrb. S. 180; Taylor, S. 401 ff.; Twiss, S. 178 ff.; Ullmann, S. 144 ff.; Westlake, I S. 296 ff.; Derselbe, Chapters, Kap. VIII S. 111 ff. (International Rights of selfpreservation); Wheaton-Atlay, S. 86 ff.

2) Die Behauptung, daß das Selbsterhaltungsrecht der Monroedoktrin eine völkerrechtliche Grundlage gebe, tritt besonders deutlich hervor bei Foster, S. 477, in folgender Bemerkung:,,It may be said that the principle which underlies the Monroe doctrine the right of self-defence, the preservation of the peace and safety of the nation is recognized as an elementary part of international Law." Ähnlich Henderson, S. 291.

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