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will, so wird man darüber hinaus unter Amerika hier auch all' das Gebiet zu verstehen haben, das zwar nach den eben gemachten Ausführungen geographisch nicht zu Amerika gehören würde, daß aber politisch einen Bestandteil irgend einer amerikanischen Macht bildet.

Praktisch kommt hierbei nur der vom amerikanischen Kontinente entfernte Kolonialbesitz der Vereinigten Staaten in Betracht, nämlich die Philippinen, die Hawaiien und Tutuila, Porto Rico und Guam.

Dafür, daß die Hawaien nach amerikanischer Anschauung zu Amerika auch schon gerechnet worden sind, bevor sie von den Vereinigten Staaten annektiert wurden, mögen zwei Zeugnisse angeführt werden.

Während der langdauernden Versuche der Vereinigten Staaten, diese Inselgruppe unter ihre politische Herrschaft zu bringen, instruierte Staatssekretär Blaine am 1. Dezember 1881 den Gesandten der Vereinigten Staaten in Hawai, Mr. Comly, folgendermaßen: 1)

Unter keinen Umständen können die Vereinigten Staaten. einen Wechsel in der territorialen Kontrolle über eine von beiden (nämlich Cuba oder die Hawaiien) dulden, der sie vom amerikanischen System abschneiden würde, wozu sie unabänderlich gehören.“

Und während der internationalen amerikanischen Konferenz, die am 2. Oktober 1889 in Washington zusammentrat, wurde auf Antrag der Vereinigten Staaten am 17. März 1890 ein Beschluß dahin gefaßt, den König der Hawaiien, der im Gegensatz zur haïtischen Regierung, sowie derjenigen der Dominikanischen Republik ursprünglich nicht eingeladen worden war, zur Entsendung eines Delegierten zur Konferenz noch nachträglich aufzufordern.2)

Auch in bezug auf den räumlichen Herrschaftsumfang der Monroedoktrin hat ihre Geschichte eine Erweiterung gebracht.

Indem nämlich Polk ihre Verbote auf Verfügungen nichtamerikanischer Mächte über deren amerikanischen Kolonialbesitz an andere europäische Mächte erweiterte, fügte er diese Kolonien

1) For. Rel. 1881, S. 635 ff.

2) Vergl. die Zusammenfassung über die Tätigkeit dieser Konferenz bei Moore, VI S. 599 ff.; vergl. ferner beispielsweise Fried, S. 46 ff.

dem bisher auf den Besitz amerikanischer, selbständiger Staaten beschränkten,,verbotenen" Gebiet zu.

Hierzu gehören: Canada, Neu-Fundland, Britisch-Guayana, Britisch-Honduras, die Bermudas, die Falklandinseln, die westindischen Inseln Englands, besonders Jamaica, ferner FranzösichGuayana, der französiche Inselbesitz in den Antillen, besonders St. Barthélemy und endlich Holländisch-Guayana, St. Thomas, St. Croix, St. John und Curaçao.

Im übrigen hat sich das räumliche Herrschaftsfeld der Monroedoktrin nicht geändert. Insbesondere ist es auch nicht kleiner geworden. Die von Polk erklärte Beschränkung des Kolonisationsverbots auf Nordamerika ist, wie schon erwähnt, niemals in den Inhalt der Monroedoktrin eingegangen.1)

7. Zusammenfassung.

Es bleibt nunmehr noch übrig, aus den vorstehenden Ausführungen den gegenwärtigen Inhalt des hier behandelten ersten Unterprinzips der Monroedoktrin festzustellen.

Wir haben, insbesondere in dem Widerstreben der Vereinigten Staaten gegen Englands Bemühungen, seine Herrschaft in mittlerem Amerika zu erweitern,2) gegen Frankreichs Intervention in Mexiko zu politischen Zwecken 3) und in ihrem Eingreifen in den VenezuelaGrenzstreit 4) eine Reihe von Fällen angetroffen, welche, ohne eine inhaltliche Erweiterung der Monroedoktrin zu bringen, deren Existenz als einen wirkenden Faktor in der amerikanischen Politik bestätigen und verstärken.

Die meisten Anwendungfälle dieses Unterprinzips der Monroedoktrin erweitern sie jedoch zugleich und bilden sie gleichzeitig inhaltlich fort.

Dieses Unterprinzip hatte sich nach der Monroebotschaft gegen Versuche europäischer Mächte gerichtet, die darauf zielen, durch gewaltsame Einengung der politischen Freiheit amerikanischer Staaten oder durch koloniale Neugründungen auf amerikanischem Boden ihre politische Macht in Amerika zu mehren.5)

Siehe oben S. 80, 92.

Siehe oben S. 100 ff.

Siehe oben S. 123 ff.

Siehe oben S. 142 ff. 5) Siehe oben S. 66 ff.

Dieser Abgrenzung gegenüber haben sich im Verlaufe der Geschichte der Monroedoktrin zwei grundlegende Erweiterungen ergeben:

Die erste führt auf die Botschaft des Präsidenten Polk vom 2. Dezember 1845 zurück. Nach der von ihm hier der Monroedoktrin gegebenen Auslegung und Formulierung stehen mit ihr nicht mehr nur bestimmt geartete Handlungen in Widerspruch, sondern schlechtweg alle Versuche einer europäischen Nation, ihre politische Macht in Amerika auszudehnen, oder sich solche dort neu zu begründen.1)

Dieser neu gewonnene Standpunkt ist in der Folgezeit häufig wiederbestätigt worden. Durch Polk selbst ist dies in seiner auf die Yukatan-Angelegenheit bezüglichen Botschaft vom 29. April 1848 geschehen.2)

Es ist ferner durch den Präsidenten Grant in seiner auf Cuba bezüglichen Botschaft vom 6. Dezember 1869,3) sowie in seinen die Annektierung der Dominikanischen Republik empfehlenden Botschaften vom 31. Mai 1870 und 5. Dezember 1870 getan worden.4)

Dieser Standpunkt ist endlich insbesondere durch die von den Vereinigten Staaten in der Panamakanal-Angelegenheit eingenommene Haltung wiederbestätigt worden.5)

Die zweite grundlegende, geschichtlich entwickelte Erweiterung der Monroedoktrin besteht darin, daß die nach der Monroebotschaft vorhandenen Beschränkungen ihrer Anwendbarkeit auf solche Handlungen, welche Versuche unmittelbaren Erwerbs von neuer Macht durch europäische Staaten in Amerika darstellen, verschwinden. Es hat sich geschichtlich ergeben, daß nunmehr jedwede Tätigkeit eines nichtamerikanischen Staates in bezug auf Amerika als unverträglich mit der Monroedoktrin angesehen wird, falls sie nur nach dem Urteile der Vereinigten Staaten geeignet erscheint, mittelbar oder unmittelbar die Vermehrung der politischen Macht eines nichtamerikanischen Staates in Amerika herbeizuführen.

Als Hauptfall hierfür haben wir die Haltung der Vereinigten Staaten gegenüber den beiden Fragen, wer den interozeanischen

Siehe oben S. 83 ff.

Siehe oben S. 97 ff.

Siehe oben S. 132 ff.

Siehe oben S. 137 ff.

Siehe oben S. 183 ff.

amerikanischen Kanal bauen und zum andern, wer ihn kontrollieren

solle, angetroffen.1)

Diese Haltung hat ihre Wiederbestätigung und Ausbildung einmal durch das Eingreifen der Vereinigten Staaten in die finanziellen Verhältnisse der Dominikanischen Republik 2) und zum andern beispielsweise in dem Magdalena-Bay-Falle 3) gefunden.

Kanal-Angelegenheit wie Magdalena-Bay-Fall haben es zugleich auch klargestellt, daß, falls nach Ansicht der Vereinigten Staaten eine Maßnahme unter dem Gesichtspunkte möglicher Machtvermehrung eines nichtamerikanischen Staates in Amerika als gefährlich in Betracht kommt, es gleichgültig ist, wer die betreffende Handlung vornimmt, insbesondere ob dies eine Privatperson tut.

Durch beide Fälle ist die Monroedoktrin zu einer Schranke des nichtamerikanischen Handelsverkehrs mit amerikanischen

Staaten geworden.

Andererseits hat sich im Laufe der Geschichte wiederholt Anlaß zur Bestätigung der Tatsache gefunden, daß die Monroedoktrin nicht schlechtweg gegen jede ausländische Tätigkeit in bezug auf Amerika gerichtet sei. Es ist vielfach zum Ausdruck gelangt, daß, falls dieser Gesichtspunkt der Gefahr in dem oben beschriebenen Sinne nach Ansicht der Vereinigten Staaten nicht einschlägt, die Monroedoktrin keine Anwendung finden soll. Dies ist besonders der Fall gewesen bei dem gemeinsamen Vorgehen Englands, Deutschlands und Italiens gegen Venezuela.*)

Hierbei ergab sich zugleich auch die Gelegenheit für die Klarstellung, daß die Vereinigten Staaten eine Verbindung zwischen Monroedoktrin und Drago- (bezw. Calvo-) Doktrin bislang abgelehnt haben.5)

Wir haben weiterhin gefunden, daß die Monroedoktrin sich in dem hier behandelten Unterprinzip als ein von den Vereinigten Staaten ausgehendes Prinzip darstellt, welches sich an alle außeramerikanischen Staaten und nur an diese richtet, und das lediglich den Vereinigten Staaten gegenüber besteht.")

1) Siehe oben S. 183 ff.
2) Siehe oben S. 217 ff.
3) Siehe oben S. 230 ff.
4) Siehe oben S. 252 ff.
5) Siehe oben S. 262 f.
6) Siehe oben S. 277 ff.

Es ist auch der Versuch gemacht worden darzutun, daß die Androhung von Gewalt für ihre Erzwingung zu ihrem Inhalte gehört. Und endlich ist gezeigt worden, daß die räumlichen Herrschaftsgrenzen dieses Verbots sich auf alles Gebiet erstrecken, das für eine natürliche Auffassung zu Amerika im politischen oder geographischen Sinne gehört.

Abschließend können wir daher folgendes sagen:

Das erste Unterprinzip der Monroedoktrin ist ein von den Vereinigten Staaten ausgehendes und ihnen gegenüber bestehendes, unter Androhung gewaltsamer Durchsetzung im Falle seiner Nicht beachtung erlassenes Verbot an die nichtamerikanische Staatenwelt.

Dieses Verbot richtet sich gegen jede von nichtamerikanischer Seite ausgehende Handlung, die nach Ansicht der Vereinigten Staaten dazu geeignet ist, mittelbar oder unmittelbar einem nichtamerikanischen Staate in bezug auf amerikanisches Gebiet politische Macht zu geben oder zu vermehren.

III. Das zweite Unterprinzip:

Der Grundsatz der Beschränkung politischer
Betätigungsfreiheit der Vereinigten Staaten
Europa gegenüber.

1. Allgemeines.

Im letzten Kapitel war der Versuch gemacht worden, für den Grundsatz der Beschränkung politischer Betätigungsfreiheit nichtamerikanischer Staaten in Amerika die Grundlinien einer organischen, zu immer größerer Breite und Vertiefung führenden Entwicklung zu zeichnen.

Diese Entwicklung hatte sich im Widerspruche der Vereinigten Staaten gegen Versuche nichtamerikanischer Mächte, die Monroedoktrin zu mißachten, vollzogen. Sie hatte sich nicht nur in der tatsächlichen Haltung der Vereinigten Staaten ausgedrückt, sondern auch in zahlreichen Meinungsäußerungen über den jeweiligen Inhalt dieses Unterprinzips.

Kraus, Monroedoktrin.

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