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Infolge dieser Lage erschien der Besitz dieser Insel der englischen Regierung aufs höchste erstrebenswert.

Zur Befriedigung dieses Begehrens ließ sie, angeblich zur Erzwingung von Schadensersatzansprüchen, am 16. Oktober 1849 die Insel kriegerisch besetzen.1)

Der Chargé d'Affaires der Vereinigten Staaten in Nicaragua, Mr. Squier, hatte jedoch Englands Absichten auf die Insel in einem früheren Zeitpunkte erkannt. Er hatte deshalb, ohne die Ermächtigung seiner Regierung dazu abzuwarten, am 28. September 1849 mit Honduras einen allgemeinen Handelsvertrag abgeschlossen. Nach diesem Vertrage, der nach Erfüllung seines Zweckes von der amerikanischen Regierung dem Senate nie zur Genehmigung vorgelegt wurde, machte Honduras den Vereinigten Staaten gewisse Landkonzessionen, und in einem beigefügten Protokolle trat es an diese die Tigerinsel für achtzehn Monate oder bis zur Ratifikation des Handelsvertrages ab.2)

Demgemäß konnte Squier der Besetzung der Insel durch England mit einem auf Eigentum der Vereinigten Staaten begründeten Proteste begegnen.3)

Dem Lord Palmerston blieb demgemäß auf die Vorstellungen des amerikanischen Vertreters in London vom 13. Februar 18504) nichts weiter übrig, als die Insel in ihren früheren Zustand zurückzuversetzen und diesen Besitzergreifungsakt mit der Erklärung zu desavouieren, daß die englische Regierung nicht die Absicht habe, irgend einen Teil von Zentralamerika zu besetzen oder zu kolonisieren. Die amerikanische Regierung andererseits desavouierte ebenfalls das Verhalten ihres Vertreters.5) 6)

1) Vergl. Sen. Ex. Do c. XLIII, 31. Cong. 2. sess. S. 4 ff.

2) eod. S. 19 (Dekret des Präsidenten von Honduras vom 9. Okt. 1849) Br. and For. State Papers, Bd. XL S. 999 f.

3) Vergl. das angeführte Sen. E x. Do c. S. 7 sowie B r. and For. State Papers, Bd. XL S. 1000 f.

4) Br. and For. State Papers, Bd. XL S. 1002 f.

5) Vergl. Seward an Adams am 25. April 1866, Canal Corr. 1900 S. 361 f., der dort auf diese Angelegenheit zurückkommt und eine ausführliche Schilderung derselben gibt und Adams den Auftrag gibt, die Stimmung der englischen Regierung gegenüber dem eventuellen Erwerbe von Kohlenstationen durch die Vereinigten Staaten in Zentral-Amerika vorsichtig zu sondieren. Vergl. auch Schreiben Bulwers an Palmerston vom 2. März 1850, Br. and For. State Papers, Bd. XL S. 1090.

6) Eine interessante Parallele zu diesem Falle, die den Geist der amerikanischen Behörden in bezug auf die Monroedoktrin ebenfalls zeigt, ereignete sich im Jahre 1843: Captain Jones, Kommandant der Squadron der Vereinigten Staaten am

Kraus, Monroedoktrin.

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d) Die Vereinigten Staaten und die

Abtretung der Mole St. Nicholas 1885.

An nächster Stelle ist ein Ereignis hervorzuheben, das insbesondere deshalb von Interesse ist, weil danach schon im Jahre 1885 die Monroedoktrin selbst durch die amerikanische Regierung einer fremden gegenüber als Argument verwendet wurde.

Der Fall ist nach Moore1) kurz folgender:

Nachdem die Vereinigten Staaten im Jahre 1883 ein Angebot der Haïtanischen Regierung auf Abtretung der Halbinsel der Mole St. Nicholas (nordwestliche Spitze von Haïti) oder der Insel Tortuga an die Vereinigten Staaten abgelehnt hatten, erhielten sie Nachricht darüber, daß die haïtanische Regierung erwöge, ein ähnliches Angebot an Frankreich zu machen.

Staatssekretär Frelinghuysen instruierte darauf den Gesandten der Vereinigten Staaten in Paris, Mr. Morton, unter dem 28. Februar 1885 mit der Erklärung, diesem Gerücht sei kein Glauben zu schenken, dahin, Morton möge bei passender Gelegenheit das französische Auswärtige Amt in geeigneten Ausdrücken darauf aufmerksam machen:

,,daß der Erwerb von haïtanischem Gebiet durch Frankreich mit den als Monroedoktrin bekannten Prinzipien unserer öffentlichen Politik in Konflikt stehen würde." 2)

e) Die Vereinigten Staaten und

die Besetzung von Tortuga 1887.

Genau so verhielten sich die Vereinigten Staaten im Jahre 1887 auf das Gerücht hin, England wolle die nördlich von Haïti gelegene Insel Tortuga besetzen.

Stillen Ozean, rückte auf die Zeitungsnachricht hin, daß England Kalifornien von Mexiko gekauft habe, ohne irgend eine Instruktion abzuwarten, etwa am 19. Okt. 1843 in Mexiko ein, nahm von Monterey Besitz und erklärte sich selbst zum Kommandanten der Marine- und militärischen Expedition nach Kalifornien. Der Präsident der Vereinigten Staaten desavouierte diese unautorisierte Handlung und rief Jones zurück. Vergl. hier besonders A dams: English interest in California, Am. His t. Rev., Bd. XIV (1908-1909) S. 744 ff., der von tatsächlich stattgehabten Erwägungen Englands in bezug auf den Erwerb von Kalifornien in dieser Zeit nach neuem englischen Quellenmaterial berichtet. Vergl. weiter z. B. v. Holst (engl. Ausg.), Bd. II S. 615 ff.; Carrol, S. 57 f. An Quellenmaterial z. B. H. Ex. Doc. 27. Čong. 3. sess., Bd. V (1842-1843) Nr. 166.

1) Moore, VI S. 432 f. Vergl. die dort angeführten Manuskripturkunden. 2) MS. Inst., France XXI S. 172:,,That acquisition of Haytian territory by France would conflict with the principles of our public policy known as the Monroe doctrine.":

Staatssekretär Bayard instruierte den Gesandten der Vereinigten Staaten in England, Mr. Phelps, unter dem 24. Februar 1887, er solle, falls er fände, daß etwas an der Sache sei:

,,in geeigneten Ausdrücken gegen die Vollziehung einer Maßnahme seitens der Regierung ihrer Britischen Majestät remonstrieren, welche die gut bekannten Prinzipien der Monroedoktrin verletzen würde.1)

f) Die Vereinigten Staaten und der Erwerb der Margarita-Insel durch Deutschland.")

Der letzte hier zu erwähnende Fall richtete sich gegen Deutschland. Deutschland scheint um das Jahr 1901 den Erwerb der zu Venezuela gehörigen Küsteninsel Margarita erwogen zu haben.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch der amerikanischen Regierung. Staatssekretär Hay beauftragte den Chargé d'Affaires der Vereinigten Staaten in Berlin, Mr. Jackson, unter dem 10. April 1901,3) der deutschen Regierung zu eröffnen, ein solcher Versuch werde,,im Hinblick auf die vor langer Zeit erklärte und weit bekannte Politik der Vereinigten Staaten eine Quelle der Unruhe für diese Regierung sein, wenn nicht sogar zur Störung der kordialen und freimütigen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der betreffenden Macht führen.“ 4)

1) M S. Inst., Great Britain XXVIII S. 272 (M., VI S. 433, wo eine Reihe weiterer Manuskripte zitiert sind). Der englische Text lautet: ,,to remonstrate, in suitable terms, against the consummation of any measure on the part of Her Britannic Majestys Government, which would violate the well known principles of the Monroe doctrine".

2) More, Digest, VI S. 583.

3) Der englische Text dieser Bemerkung lautet nach Moore: „Having in view the long declared and widely known policy of the United States, any attempt on the part of a European power to acquire the Venezuelan coast-island of Margarita ,,would be a source of concern to this Government, if dot tending to the embarrassment of the cordial and frank relations" between the United States and such power". (MS. Inst., Germany XXI S. 283; die übrige zu dieser Angelegenheit ergangene Korrespondenz ist vertraulich.)

4) Ein Beleg dafür, wie stark die Monroedoktrin die Haltung der amerikanischen Regierung auch in kleinsten Dingen zu beeinflussen ist geeignet, ergibt sich aus folgendem: Als im Jahre 1877 eine New Yorker Zeitung das Gerücht verbreitete, Spanien wolle Porto Rico an Deutschland abtreten, wurde der Gesandte der Vereinigten Staaten in Madrid, Mr. Cushing, sofort bei der spanischen Regierung vorstellig. Der Erfolg war, daß das Gerücht als unbegründet von der spanischen Regierung aufs emphatischste verneint wurde. (For. Rel. 1874 S. 907, 912. 1913 f.)

4. Die Unanwendbarkeit der Monroedoktrin auf Selbsthilfehandlungen nichtamerikanischer Staaten gegenüber amerikanischen, die zu dem Zwecke vorgenommen werden, die amerikanischen zur Erfüllung ihrer internationalen Verbindlichkeiten anzuhalten.

a) Einführende Bemerkungen.

Zur schärferen Beleuchtung der Tatsache, daß die Verbote der Monroedoktrin tatsächlich nur unter dem Gesichtspunkte der Verhinderung nichteuropäischen Machtzuwachses in Amerika erlassen sind, mögen einige Ausführungen darüber angefügt werden, daß bei Verneinung dieses Gesichtspunktes die Vereinigten Staaten konsequent ihre Befugnis zum Einschreiten auf Grund der Monroedoktrin verneint haben. Insbesondere haben sie eine Vermischung von Drago- und Calvo-Doktrin mit der Monroedoktrin bisher abgelehnt.1)

Wir sind in dieser Beziehung bereits einer Reihe von Belegen begegnet. Wir haben insbesondere mehrere Male gesehen, daß die Vereinigten Staaten ausdrücklich die prinzipielle Befugnis nichtamerikanischer Staaten, gegen amerikanische wegen zugefügter Kränkungen vorzugehen und sogar zum Kriege zu schreiten, zugegeben haben.

Erinnert werden mag dabei z. B. an die Äußerung des Staatssekretärs Seward in seiner Instruktion an die Herren Lord Lyons, Mercier und Tassara vom 4. Dezember 1861:2)

,,Die repräsentierten Souveräne haben ein unzweifelhaftes Recht, für sich selbst die Tatsache zu entscheiden, ob sie Kränkungen erlitten haben und zum Kriege gegen Mexiko zu schreiten zu dem Zwecke, sich Genugtuung dafür zu verschaffen. . . . Weiter mag Olneys Bemerkung hervorgehoben werden:3)

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,,Die Monroedoktrin entbindet nicht irgend einen amerikanischen Staat seiner durch das Völkerrecht festgesetzten Verpflichtungen, noch hindert sie irgend eine direkt interessierte europäische Macht daran, solche Verpflichtungen zu erzwingen, oder verdiente Bestrafung für ihren Bruch aufzuerlegen."

1) Ein Literaturverzeichnis über Drago- und Calvo-Doktrin ist den Nachweisen zum Venezuela-Schuldenfalle angefügt worden. Vergl. unten S. 253 Anm. 1 zu S. 252.

2) Siehe oben S. 121.

3) Siehe oben S. 171 ff.

Und endlich kommt hier beispielsweise die Bemerkung des Präsidenten Roosevelt in seiner Jahresbotschaft vom 3. Dezember 1901 in Betracht: 1)

,,Wir leisten keinem Staat gegen Bestrafung Garantie, falls er sich schlecht führt, vorausgesetzt, daß die Bestrafung nicht die Form des Landerwerbs durch eine nichtamerikanische Macht annimmt."

Wir waren weiter in der untätigen Haltung der Vereinigten Staaten einmal gegenüber dem gemeinsamen Vorgehen Englands, Frankreichs und Spaniens gegen Mexiko,2) sowie andererseits in ihrem Verhalten gegenüber der Blockierung nicaraguanischer Häfen durch England wegen Insultierung englischer Untertanen 3) in Bluefields im Jahre 1895 bereits zwei Fällen begegnet, in denen die hier behandelte Grenze der Monroedoktrin mit antitetischer Schärfe hervorgetreten waren.

Die Geschichte bewahrt eine Fülle weiterer Belege für eine derartige Begrenzung der Monroedoktrin auf.

Es liegt eine große Reihe von Begebenheiten vor, in denen nichtamerikanische Mächte, sei es zur Erlangung von Genugtuung für zugefügtes Unrecht, sei es zur Beitreibung von vermögensrechtlichen Ansprüchen, die entweder auf Rechtsgeschäft oder Delikt gestützt wurden, im Interesse ihrer souveränen Würde oder ihrer Untertanen zu den verfügbaren Mitteln der Selbsthilfe, wie Friedensblockaden, Embargo, Repressalien oder auch kriegerischen Maßnahmen unbehindert durch die Vereinigten Staaten geschritten sind.

Es wäre müßig, hier eine vollstänidge Sammlung dieser einander sehr ähnlichen und größerenteils bedeutungslosen Fälle zu veranstalten.

Doch mögen einige instruktive Beispiele ganz kurz angeführt werden.

b) Kleinere Fälle.4)

Blockade mexikanischer Häfen durch Frankreich im Jahre 1838.

Ein solcher Fall ereignete sich im Jahre 1838.

1) Siehe oben S. 225 Anm. 2.

Siehe oben S. 117 ff.

Siehe oben S. 113.

Vergl. zu dem folgenden vor allem die sehr gründliche und verdienstlichǝ Abhandlung von Falcke: „Die Friedensblockade", gedruckt in Niemeyers

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