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päischen Regierung mit der Erbauung oder Kontrolle eines Schiffskanals über den Isthmus von Darien oder durch Zentralamerika sehen wird, und jede solche Verbindung oder Kontrolle als nachteilig für die berechtigten Ansprüche und Interessen der Vereinigten Staaten und als eine Drohung für ihre Wohlfahrt betrachten muß.“ 1)

Der Nachfolger Clevelands nach Beendigung seiner ersten Verwaltung, Benjamin Harrison, brachte diesen veränderten Standpunkt bereits in seiner Inauguraladresse vom 4. März 1889 zum Ausdrucke, wenn er sagte: 2)

„Wir haben glücklicherweise eine Politik der Vermeidung jedes Eingriffes in europäische Angelegenheiten aufrecht erhalten. Wir sind lediglich interessierte Zuschauer ihrer diplomatischen und kriegerischen Streitereien gewesen, bereit, unsere guten Dienste zur Herbeiführung des Friedens zu leisten, aber niemals, unsern Rat aufzudrängen, und niemals, zu versuchen, in unehrlicher Weise aus den Nöten anderer Mächte Handelsvorteile für uns herauszuschlagen. Wir sind berechtigt zu erwarten, daß unsere europäische Politik die amerikanische Politik der europäischen Höfe sei. Die Beherrschung eines kürzeren Wasserweges ist offensichtlich unvereinbar mit solchen Vorsichtsmaßregeln für unseren Frieden und für unsere Sicherheit, wie sie die großen Mächte gewohnheitsmäßig in Angelegenheiten, die sie berühren, beobachten und durchsetzen, so daß wir vertrauensvoll erwarten können, eine solche Absicht werde nicht von einer befreundeten Macht gehegt werden. . . .“ Und ferner:

,,Wir haben ein unbestreitbares Recht, deshalb zu erwarten, daß keine europäische Regierung die Errichtung kolonialer Dependenzen auf dem Gebiete solcher unabhängiger amerikanischer Staaten vornehme."

Auch Präsident Mc Kinley, der Nachfolger Clevelands nach Beendigung seiner zweiten Administration, erklärte sich

1) Vergl. auch den zweiten Absatz dieser Resolution, der folgendermaßen lautet:,,That the President be and he is hereby, requested to communicate this expression of the views of the government of the United States to the Governments of the countries of Europe".

2) Richardsons Mess., IX S. 10. Vergl. auch seine erste Jahresbotschaft vom 3. Dez. 1889, 1. c. S. 35.

ausdrücklich für den von der amerikanischen Regierung seit 1880 eingenommenen Standpunkt, wenn er in seiner Botschaft vom 5. Dezember 1898 sagte: 1)

,,Daß unsere nationale Politik gebieterischer denn je die Kontrolle des Kanals durch diese (die amerikanische) Regierung erheischt."

Der Sieg der Vereinigten Staaten über England.

Der endliche Sieg des amerikanischen Standpunktes wurde gesichert, als England endlich nach langen Erörterungen nachgab und sich zur Ersetzung des Clayton-Bulwer-Vertrages durch einen andern Vertrag herbeiließ.

Am 5. Februar 1900 wurde zwischen den beiden Regierungen in Washington durch den dort residierenden britischen Botschafter, Lord Pauncefote, einerseits und den Staatssekretär der Vereinigten Staaten, Mr. Hay, andererseits ein Vertrag geschlossen (sogenannter erster Hay-Pauncefote-Vertrag).2)

Dieser Vertrag sah u. a. folgendes vor:

Artikel I bestimmte, der Kanal könne unter den Auspizien der Vereinigten Staaten entweder durch sie direkt auf ihre eigenen Kosten oder durch Hingabe oder Leihe von Geld an Einzelpersonen oder Gesellschaften, durch Subskription oder dergleichen erbaut werden.

Die Regierung der Vereinigten Staaten sollte ferner alle mit solcher Erbauung zusammenhängenden Rechte ebenso wie die ausschließliche Befugnis der Regelung und Leitung des Kanals nach seiner Vollendung besitzen.

Zur Aufrechterhaltung des in Artikel VIII des ClaytonBulwer-Vertrages aufgestellten ,,allgemeinen Prinzips der Neutralisation" nahmen die Vertragsschließenden eine Reihe von Regeln an, die inhaltlich mit denen übereinstimmen, welche in dem Abkommen von Konstantinopel vom 29. Oktober 1888 für die freie Schiffahrt des Suezkanals enthalten sind. (Art. II.)

Nach Artikel III sollten beide Staaten dieses Abkommen unmittelbar nach Austausch der Ratifikationen zur Kenntnis der anderen Mächte bringen und diese zum Beitritt einladen.

1) For. Rel. 1898, LXXI.

2) Der Text dieses Vertrages steht in Martens, N. R. G., 2. ser. Bd. XXIX S. 20; Sen. Doc. 85 (Bd. VIII) 57. Cong. 1. sess., St. A., LXVI S. 183; Strupp, II S. 202 f.

Der Senat der Vereinigten Staaten stimmte der Ratifikation dieses Vertrages 1) zu. Er versah ihn aber mit einer Anzahl wichtiger Änderungen.

Vor allem fügte er im Artikel II die ausdrückliche Erklärung ein, daß der Clayton - Bulwer-Vertrag durch dieses Abkommen aufgehoben sei.

Er strich weiter insbesondere den Artikel III, wonach andere Mächte zum Beitritt eingeladen werden sollten.

Die englische Regierung hatte gegen die vom Senat angefügten Amendements Bedenken. Schließlich fügte sie sich aber nach weiteren Verhandlungen 2) unter dem Drucke des Burenkrieges im wesentlichen allen Wünschen der Vereinigten Staaten. Sie ließ sich sogar auf die wichtige weitere Änderung des Vertrags dahingehend ein, Aufrechterhaltung und Überwachung der Neutralität des Kanals den Vereinigten Staaten selbst zu überlassen.

So kam es am 18. November 1901 zu dem sogenannten zweiten Hay-Pauncefote-Vertrag, der von beiden Mächten ratifiziert wurde.3)

In diesem Abkommen war außer kleinen Änderungen insbesondere die ausdrückliche Aufhebung des Clayton-BulwerVertrages ausgesprochen.

Weiterhin war jede auf den Beitritt anderer Nationen zielende Bemerkung unterlassen.

Vor allen Dingen kommt hier aber die wichtige Bestimmung des Artikels III in Betracht, Dort ist erklärt:

Die Vereinigten Staaten nehmen als die Basis der Neutralisierung eines solchen Schiffskanals die folgenden Regeln an, wie sie inhaltlich in der Konvention von Konstantinopel vom 28. Oktober 1888. . . enthalten sind...." (Folgen diese Regeln.)4)

1) Sen. Doc., 85 (Bd. VIII) 57. Cong. 1. sess. (Proceedings of the Hay Pauncefote treaty of February 5th., 1900) S. 10 ff.

2) Siehe bes. A. J., V (1911) S. 199 ff.

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3) Der Vertrag steht u. a. bei Fleischmann S. 321; Martens, N. R. G., 2. Ser., Bd. XXX S. 631; Niemeyers Zeitschr., XII S. 366; Strupp, II S. 203 f.; St. A., LXVI S. 213; Treaty Vol. 1910, I S. 782; A. J., III S. 127.

4) Der englische Text dieser Bestimmung lautet:

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The United States adopts, as the basis of the neutralisation of such ship canal, the following rules, substantially as embordied in the Convention of Constantinople, signed the 28th October, 1888, for the free navigation of the Suez Canal, that is to say...

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Dagegen war auf Englands Wunsch als Artikel IV eine neue Bestimmung eingesetzt.

Dieser Artikel IV erklärte:

,,Es ist vereinbart, daß kein Wechsel der Gebietsherrschaft oder der internationalen Beziehungen des Landes oder der Länder, die von dem vorher erwähnten Kanal durchquert werden, das allgemeine Neutralisationsprinzip oder die Verbindlichkeit der hohen vertragschließenden Parteien aus dem gegenwärtigen Vertrage berühren soll." 1)

Damit war der lange Kampf zwischen den Vereinigten Staaten und England über den internationalen amerikanischen Kanal von der amerikanischen Regierung gewonnen.

Die Fesseln für eine wirkungsvolle, selbständige Inangriffnahme der Kanalidee durch sie, die in der Existenz des ClaytonBulwer-Vertrages bestanden hatten, waren beseitigt.

England hatte seine Bemühungen, in Amerika einen Kanal nach dem Muster des Suezkanals zu schaffen, aufgegeben und war vor der erfolgreicheren amerikanischen Diplomatie zurückgewichen.

Die Vereinigten Staaten waren, der Sache nach nur unwesentlich durch die eben erwähnten Verpflichtungen des Hay-PauncefoteVertrages beschränkt, zum Herrn über die Kanalfrage geworden, deren Lösung nunmehr in ihren Händen lag.

Für die Zwecke dieser Arbeit sind besonders die folgenden Punkte von Bedeutung:

Dieser Vertrag legte die Entscheidung darüber, wer den Kanal bauen solle, ganz in die Hände der Vereinigten Staaten. Er gab ihnen ferner England gegenüber die alleinige Kontrolle über jeden interozeanischen amerikanischen Kanal, gebunden nur durch die oben erwähnte einseitig abgegebene Versicherung in bezug auf die Durchführung der Neutralität dieses Wasserweges. Und endlich erhielten die Vereinigten Staaten durch ihn die Freiheit wieder, die Kanalzone zu erwerben und so indirekter Kontrolle anderer Staaten oder ihrer Einmischung in Kanalangelegenheiten einen Riegel vorzuschieben.

1),,It is agreed that no change of territorial sovereignty or of international relations of the country or countries traversed by the before-mentioned canal shall affect the general principle of neutralisation or the obligation of the high contracting parties under the present treaty."

Kraus, Monroedoktrin.

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Um die Kontrolle und die Entscheidungsgewalt über den Bau des Kanals völlig in ihre Hände zu bekommen, war es für die Vereinigten Staaten notwendig, sich auch mit den Staaten, durch deren Gebiet der Kanal laufen sollte, auseinanderzusetzen.

Staatssekretär Hay hatte bereits am 1. Dezember 1900 zu diesem Zwecke mit Nicaragua und Costa Rica Protokolle abgeschlossen, die die Grundlage für spätere Verträge der Vereinigten Staaten mit diesen beiden Republiken festlegen sollten.1)

Nachdem die Vereinigten Staaten sich nach langem Schwanken für die Wahl der Panamaroute als der für den Kanal in erster Linie empfehlenswerten entschlossen hatten, erließ der Kongreß den sogenannten Spooner-Akt vom 28. Juli 1902.2)

Dieses Gesetz ermächtigte den Präsidenten dazu, um einen Preis von höchstens 40 000 000 Dollar alles Eigentum der Neuen Französischen Panamakanal-Gesellschaft zu erwerben. Ihm wurde ferner die Vollmacht gegeben, von der Republik Colombia zu angemessenen Bedingungen die dauernde Kontrolle eines mindestens sechs englische Meilen breiten Landstriches von der Karaibischen See zum Stillen Ozean für die Vereinigten Staaten zu erwerben, mit der Befugnis, dort einen Kanal zu erbauen, in Betrieb zu halten und zu schützen.

Der Präsident sollte sodann durch eine Kommission den Bau eines Kanals vornehmen lassen.

Falls es ihm nicht gelingen sollte, den gewünschten Vertrag in angemessener Zeit mit Colombia zu schließen, so sollte er versuchen, von Nicaragua und Costa Rica dauernde Kontrolle über einen zum Bau des Kanals notwendigen Landstrich zu erwerben und den Bau der sogenannten Nicaraguaroute vornehmen lassen.

Am 22. Januar 1903 kam es tatsächlich zu einem Vertrage zwischen den Vereinigten Staaten und Colombia (sogenannter Hay-Herran-Vertrag).3) Dieser Vertrag wurde auch vom

1) Vergl. Treaty Vol. 1910, S. 351 (Protokoll mit Costa Rica) u. Treaty Vol.1910, S. 1290 (Protokoll mit Nicaragua); vergl. ferner H. Do c. S. 611,57. Cong. 1. sess. S. 23 ff.

2),,An Act to provide for the Construction of a Canal connecting the waters of the Atlantic and Pacific Ocean, appr. 28. June 1902", abgedruckt Stat. at Large 32, I, Cap. 1302 S. 481 ff.

3) Convention between United States and Colombia for construction of canal, to connect Atlantic and Pacific Ocean, signed Washington 22./23. Jan. 1903 in Conf. Sen. E x. K., 57. Cong. 2. sess. Abgedruckt auch in 57. Cong. 2. sess. H. Do c., 316, Teil I S. 356 ff. u. 513 ff. (Monthly Bulletin des Bureaus der amerikanischen Republiken).

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