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Staaten sich verpflichteten, andere europäische Staaten entweder zum Abschlusse selbständiger Garantieverträge mit den betreffenden zentralamerikanischen Staaten, oder zu gemeinsamer Garantie mit ihnen selbst zu veranlassen. 2. Die Frage danach, wer den Kanal solle bauen dürfen, wurde. von ihnen grundsätzlich dahin beantwortet, daß hierfür freie internationale Konkurrenz maßgebend sein sollte.

Zweite Etappe.

Ein völliger Wendepunkt in der Haltung der Vereinigten Staaten den beiden Fragen gegenüber trat ein, als es dem Leutnant Lucien Bonaparte Wyse gelang, für die ,,Société Civile Internationale du Canal Interocéanique" unter dem 20. März 1878 von der Regierung von Colombia das ausschließliche Privilegium für die Erbauung eines Kanals zwischen Atlantischem und Stillem Ozean durch colombianisches Gebiet zu erlangen (sogenannter Salgar-Wyse-Vertrag).1)

Hinzukam, daß ein von Lesseps am 15. Mai 1879 in Paris zusammengerufener internationaler Ingenieurkongreß sich für die Panamaroute entschied, und insbesonders, daß sich die Allgemeine Interozeanische Panamakanal-Gesellschaft (Compagnie universelle du Canal interocéanique de Panama) bildete, deren Inkorporation in Paris unter dem 20. Oktober 1879 erfolgte, nachdem Lesseps die Wyse-Konzession für sie erworben hatte.2)

In New York entstand darauf sofort ein amerikanisches Konkurrenzunternehmen unter dem Namen,,Provisional Interoceanic Canal Society" mit General Grant als Präsidenten.

Insbesondere aber bewirkte die von den Vereinigten Staaten bis dahin nicht in Rechnung gezogene und nunmehr nahegerückte Gefahr, daß die finanziellen Vorteile eines Kanals ihnen entgehen könnten, sofort den völligen Umschwung in der Stellung der amerikanischen Regierung wie des amerikanischen Volkes zu der Kanalfrage.

1) Siehe Canal Corr. 1900 S. 113 ff. Siehe dort auch auf S. 120 ff. das Genehmigungs-Dekret vom 17. Mai 1878, sowie S. 125 ff. den Brief von Lucien B. Wyse, vom 18. Mai 1878, in dem er die in dem Dekret verfügten Änderungen der Konzession annimmt.

Vergl. ferner 57. Cong. 2. sess. Sen. Doc. Nr. 114 (1902-1903, Bd. IX). Dort findet sich auf S. 244 ff. der Zusatzvertrag, der den Vertrag vom 20. März 1878 ändert, welcher Zusatzvertrag durch Gesetz vom 20. Dez. 1890 genehmigt wurde. Vergl. endlich auch den Ausdehnungsvertrag mit der Panama-Company in Liqu. vom 4. April 1893.

2) Die Charter steht übersetzt in Sen. Doc. 253, 57. Cong. 1. sess. S. 29 ff.

Diese neue Haltung, wie sie von Seward bereits vorbereitet. war, kam in einem Schreiben des Staatssekretärs Evarts an den Gesandten der Vereinigten Staaten in Colombia, Mr. Dichmann, vom 19. April 1880 klar zum Ausdruck.1)

In dieser Instruktion beklagt sich der Staatssekretär darüber, daß den Vereinigten Staaten nicht von der vorgeschlagenen Konzession eine vorherige Mitteilung gemacht worden sei, wo sie doch seines Wissens allein die Neutralität eines Kanals durch colombianisches Gebiet und Colombias Souveränität über die Kanalzone garantiert hätten.

Es könne mit Rücksicht auf den Vertrag von 1846 mit NeuGranada, so führt er weiter aus, schwerlich geleugnet werden, ,,daß solch' eine Konzession an fremde Untertanen neue Fragen gegenseitiger Rechte und Interessen, die beide die Souveränitätswie die Eigentumsrechte der Regierung von Colombia und solche, die ernstlich die Verantwortlichkeit aus der Vertragsgarantie der Vereinigten Staaten berühren, hervorbringen werde.“ Hierüber hätten mit den Vereinigten Staaten vorgängige Abmachungen getroffen werden müssen. Das Interesse der Vereinigten Staaten an der Eröffnung des Kanals sei besonders groß.

Er fährt fort:

,,Die Regierung der Vereinigten Staaten kann sich nicht durch ein Übereinkommen zwischen andern Mächten oder Privatpersonen, bei dem sie keine Partei ist, von einem direkten Interesse und, wenn notwendig, einer tatsächlichen Oberaufsicht und einem Eingreifen bei der Ausführung eines Plans als ausgeschlossen erachten, der, indem er eine interozeanische Verbindung durch den Isthmus herstellt, ihre Handelsinteressen wesentlich berühren, ihre eigenen territorialen Beziehungen ändern und ihr die Notwendigkeit einer auswärtigen Politik auferlegen würde, die als kriegsartige Vorbereitung oder verwickelnde Allianz bisher sorgfältig vermieden worden ist."

Auch der Kongreß begann sich lebhaft für die Kanalfrage zu interessieren.

Das drückte sich einmal darin aus, daß das Haus durch eine Resolution vom 16. Dezember. 1879 beschloß, ein elfköpfiges Ko

1) M S. Inst. Colombia, XVII 54 ff. (M., III S. 14 f).

mitee zu Untersuchung der Frage nach der geeignetsten Route für einen Kanal einzusetzen.1)

Außerdem liefen wie gewöhnlich wieder eine Flut von Resolutionen im Senate wie im Hause ein, die sich alle mit der Kanalfrage und der von den Vereinigten Staaten einzunehmenden Stellung befaßten.

Besonders hervorzuheben ist hier einmal ein von General Burnside, Senator von Rhode Island, am 24. Juni 1879 im Senate und ein von Abgeordneten Carpo am 13. Dezember 1880 im Hause eingebrachter Antrag.

Über beide ist nie abgestimmt worden. Sie sind aber deshalb von besonderem Interesse, weil sie beide das erste Mal die KanalAngelegenheit mit der Monroedoktrin in direkte Verbindung bringen.

Der Antrag Burnside hatte folgenden Wortlaut: 2)

,,Da das Volk dieser Union seit mehr als 50 Jahren die von Präsident Monroe aufgestellten Lehren als einen Grundsatz vertreten hat, in dem die Interessen der Vereinigten Staaten enthalten sind, daß die amerikanischen Kontinente zufolge der freien und unabhängigen Stellung, die sie sich errungen haben und behaupten, fürderhin nicht mehr als Gegenstände für zukünftige Okkupation 3) durch irgend welche europäischen Mächte anzusehen sind, deshalb soll beschlossen werden, daß das Volk dieser Nation nicht ohne ernste Beunruhigung irgend einen Versuch europäischer Mächte mit ansehen kann, unter ihrem Schutze und ihrer Kontrolle einen Schiffskanal durch den Isthmus von Darien anzulegen; und eine solche Handlung seitens einer europäischen Macht könnte in keinem anderen Lichte, denn als die Kundgebung einer unfreundlichen Gesinnung gegen die Vereinigten Staaten angesehen werden.“

Die Resolution Carpo's vom 13. Dezember 1880 lautete: 4) ,,Beschlossen daß der Bau eines interozeanischen Kanals, der die Gewässer des Atlantischen und des Stillen

1) Cong. Rec., 46. Cong. 2. sess. (Bd. X) Teil I S. 128 (Antrag King).
Vergl. Cong. Rec., 46. Cong. 1. sess. Bd. IX (Teil II) S. 2312.
Nicht,,Kolonisation", wie in der Monroebotschaft steht.

4) Vergl. Cong. Rec., 46. Cong. 3. sess. S. 107 (Bd. XI Teil I). Vergl. auch S. 1568, wonach am 14. Februar 1881 vom Komitee für auswärtige Angelegenheiten für diese Resolution (Nr. 345) eine andere (Nr. 397) referiert wurde, bezüglich deren jedoch lediglich Drucklegung beschlossen wurde.

Ozean verbindet, durch ausländisches Kapital unter den Auspizien und der Charter einer europäischen Regierung der feststehenden Politik der Vereinigten Staaten widerspricht, eine Verletzung des Geistes und der Erklärungen der Monroedoktrin ist und nicht durch diese Regierung sanktioniert oder genehmigt werden kann, und daß die Vereinigten Staaten über einen interozeanischen Kanal eine solche Kontrolle und Aufsicht verlangen und dauernd behaupten werden, wie sie als ein Verteidigungsmittel zum Schutze ihrer nationalen Interessen, ihrer Einheit und Sicherheit, und zur Förderung der Wohlfahrt, sowie der Hebung des Handels der atlantischen und pacifischen Staaten der Union notwendig sein mögen.“ 1)

Alle solche Äußerungen zeigen, daß die Vereinigten Staaten nicht gewillt waren, sich die aus einem solchen amerikanischen Kanal springenden Vorteile durch eine nichtamerikanische Nation aus den Händen nehmen zu lassen.

Sie ergeben ferner, daß unter dem Einflusse der Furcht hiervor die Vereinigten Staaten nicht nur den Bau des Kanals durch sie selbst oder ihre Kapitalisten, zum mindesten aber eine Kontrolle über die Konzessionserteilung zu solchem Baue zu fordern beginnen, sondern daß sie auch anfangen, der bisher von ihnen begünstigten Beteiligung nichtamerikanischer Staaten an einer Kontrolle in bezug auf den Kanal selbst zu widerstreben.

Hinzutrat, daß Nachrichten darüber laut wurden, Colombia versuche, trotz und außer der von den Vereinigten Staaten durch den Vertrag von 1846 mit Granada geleisteten Garantie die Neutralisation des Kanals durch England, Frankreich, Deutschland, Spanien und Italien herbeizuführen.

1) Vergl. auch weiter die von Mr. King am 8. März 1880 im Hause eingebrachte, sehr ausführliche Resolution (Cong. Rec., 46. Cong. 2. sess. Bd. X Teil II S. 1392), die sich ebenfalls gegen europäische Kontrolle des Kanals auf Grund der Monroedoktrin richtet und den Präsidenten zur Ergreifung von Schritten für die Aufhebung der mit der Monroedoktrin in Widerspruch stehenden Verträge auffordert. Vergl. ferner die House Resol. Nr. 529, die am 29. März 1880 vom Repräsentanten Robinson eingebracht wurde und die ebenfalls die Monroedoktrin wiederversichert (Con g. Rec., eod. S. 1936).

Vergl. endlich Cong. Rec., eod. Teil III (Bd. X) S. 2480, wonach am 16. April 1880 für die Resolutionen 251 und 252 vom Komitee für auswärtige Angelegenheiten eine Resolution Nr. 281 berichtet wurde, durch die der Präsident der Vereinigten Staaten aufgefordert werden sollte, einen internationalen Kongreß südamerikanischer Republiken zur Beratung der Politik in bezug auf einen interOzeanischen Kanal und der Tunlichkeit, einen solchen zusammenzurufen. Thr Schicksal: kommt auf den Hauskalender am 23. April 1880, vergl. 1. c. S. 2689.

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Dem gegenüber kam die Richtung der amerikanischen Meinungsänderung besonders entschieden in der Botschaft des Präsidenten Hayes vom 8. März 1880 zum Ausdruck.1) Prä sident Hayes erklärte hier unter anderm folgendes:

...Die Politik dieses Landes ist ein Kanal unter amerikanischer Kontrolle. Die Vereinigten Staaten können nicht der Überantwortung dieser Kontrolle an irgend eine europäische Macht oder eine Verbindung europäischer Mächte zustimmen.... Das von Gesellschaften oder Untertanen anderer Länder in solche Unternehmen gesteckte Kapital ist in hohem Maße auf den Schutz einer oder mehrerer der großen Weltmächte angewiesen. Keine europäische Macht kann zur Gewährung solchen Schutzes intervenieren, ohne zu Maßnahmen auf diesem Erdteile zu schreiten, die den Vereinigten Staaten völlig unzulässig erscheinen würden. Verläßt man sich auf den Schutz der Vereinigten Staaten, so müssen sie eine solche Kontrolle ausüben, die sie dazu in den Stand setzt, ihre nationalen Interessen und die Rechte derjenigen, deren Privatkapital in dem Werke steckt, zu schützen und zu erhalten."

Diese Ausführungen waren eindeutig klar in bezug auf die Frage der Kontrolle des Kanals. Sie erklärten insoweit kurz und bündig: Die Vereinigten Staaten verlangen den Schutz und die Garantie eines solchen Kanals für sich allein.

Nach den Umständen, unter denen diese Botschaft erging, sagte sie zugleich aber auch weiter: Die Vereinigten Staaten wollen zugunsten amerikanischen Kapitals die Entscheidung über die Frage, wer einen solchen Kanal solle bauen dürfen, für sich selbst haben.

Hayes Nachfolger, Präsident Garfield, teilte den Standpunkt seines Vorgängers, indem er in seiner Inauguraladresse vom 4. März 1881 2) erklärte:

,,Wir wollen auf keine enge Politik dringen, noch wollen wir besondere oder ausschließliche Vorteile in bezug auf irgend eine kommerzielle Route erstreben; aber, in' der Sprache meines Vorgängers, ich halte es für das ,,Recht" und die Pflicht der Vereinigten Staaten, eine Oberaufsicht und Autorität der Ver

1) Text Richardsons Mess., VII S. 585 f. Canal Corr. 1900, S. 7 ff. ) Richardsons Mess., VIII S. 6 ff., besonders S. 11.

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