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Staatssekretär Blaine begründete dies in einem Schreiben vom 5. September 1881 an Mr. Morton, den Gesandten der Vereinigten Staaten in Frankreich, damit,1) derartige gemeinsame Interventionen seien in der Geschichte der europäischen Diplomatie häufig und hätten zuweilen wohltätig für die Erhaltung des Gleichgewichts der Kräfte gewirkt. Die Vereinigten Staaten gehörten jedoch nicht zu diesem Staatensystem. Weder Interesse noch Neigung veranlaßten sie dazu, sich bei der Erörterung derartiger Fragen eine Stimme zu wünschen. Ihre Beziehungen zu den Nationen auf dem amerikanischen Kontinente seien jedoch verschieden. Letztere seien Schwesterrepubliken der Vereinigten Staaten; alle amerikanischen Regierungen seien besonders eng mit einander verbunden. Die Interessen der Vereinigten Staaten überstiegen im Verhältnis zu jenen Staatswesen diejenigen jeder anderen Macht. Sie müßten sich deshalb eine solche Stellung bewahren, die ihnen einen wirksamen und unabhängigen Einfluß in Amerika erhalte.

Zwei Gründe sind es also, aus denen in diesem Falle die Vereinigten Staaten eine gemeinsame Vermittlungspolitik ablehnen: Der erste Grund ist der, daß dies ihrer alten Politik der Vermeidung von Allianzen widersprechen würde. Der zweite, weil ihr besonderes Interesse und ihre besonderen Beziehungen auf dem amerikanischen Kontinente es notwendig machten, sich gegenüber den amerikanischen Angelegenheiten freie Hand zu sichern. Daß aber die Monroedoktrin bei dieser Entschließung eine Rolle gespielt habe, dafür fehlt jeder Anhaltspunkt.2)

Vor allen Dingen aber haben die Vereinigten Staaten, wie noch näher zu zeigen sein wird,3) tatsächlich auch nie den Versuch gemacht, sich gegen europäische Schiedsgerichtsbarkeit in amerikanischen Angelegenheiten zu wehren. Sie haben sich sogar gelegentlich selbst in einem Streite zwischen ihnen und einem anderen amerikanischen Staatswesen einer nicht amerikanischen Macht als

1) For. Rel., 1881 S. 426.

2) Es ist interessant, hier folgendes hervorzuheben: Als der Gesandte der Vereinigten Staaten in Lima im Februar 1883 sich mit den Vertretern von Frankreich, England und Italien zur Unterbreitung von Vorschlägen für die Beendigung dieses Krieges an die beiden kriegsführenden Parteien verband, wurde diese seine Handlungsweise ausdrücklich von der Regierung der Vereinigten Staaten gemißbilligt. Vergl. Frelinghuysens Schreiben an Mr. Logan vom 7. März 1883, M S. Inst. Chile XVII S. 60 (M., VI S. 509).

*) Siehe unten S. 267 ff.

Schiedsrichter bedient, worüber später auch noch zu reden sein wird.

Nach alledem kann man abschließend sagen, daß die Monroedoktrin durch die Olney-Instruktion in keiner Weise inhaltlich erweitert worden ist und daß die Bedeutung dieses Schreibens auch nicht in einer Klärung, sondern in einer Verwirrung der Meinungen über diese Doktrin besteht.

Die sogenannte Davis-Doktrin.1)

Endlich mag zum Schluß ein kurzes Wort von dem oben erwähnten Antrag Davis gesagt werden, von dem in der Literatur ein völlig unberechtigtes Aufsehen gemacht worden ist.2)

Tatsächlich ist dieser Antrag nichts wie einer der vielen mißglückten Versuche, den Kongreß zu einer formellen Bestätigung einer schlechten Formulierung der Monroedoktrin durch einen Senator oder einen Abgeordneten zu bringen.3)

Im übrigen steht nichts Neues darin; er geht zwar über das hinaus, was Cleveland und Olney zur Monroedoktrin erklärt haben. Er tut dies aber nicht deshalb, weil er weitergeht als die Monroedoktrin in ihrem damals festgestellten Umfange, sondern weil

1) Siehe oben S. 162.

Der Text dieses Antrags lautet folgendermaßen:

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Resolved.... that whereas President Monroe in his Message to Congress of December 2, A. D. 1823, deemed it proper to assert as a principle in which the rights and interests of the United States are involved that the American continents usw. wie die Botschaft

and

Whereas the doctrine and policy so proclaimed by President Monroe have since been repeatedly asserted by the United States by Excecutive declaration and action upon occasions and exigencies similar to the particular occasion and exigency which caused them to be first anounced, and have been ever since their promulgation, and now are, the rightful policy of the United States; therefore,

Be it resolved, That the United States of America reaffirms and confirms the doctrine and principles promulgated by President Monroe in his Message of December 2, A. D. 1823, and declares that it will assert and maintain that doctrine and those principles and will regard any infringment thereof, and particulary any attempt by any European power to take or acquire any new or additional territory on the American continents, or any islands adjacents thereto, or any right of sovereignty or dominion in the same in any case or instance as to which the United States shall deem such attempt to be dangerous to its peace or safety by or through force, purchase, cession, occupation, pledge, colonisation, protectorate or by control of the easement in any canal or any other means of transit across the American Isthmus, whether under unfounded pretension of right in cases of alleged boundary disputes or under any other unfounded pretensions, as manifestation of an unfriendly disposition towards the United States and as an interposition which it would be impossible in any form for the United States to regard with indifference."

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2) Desjardins, S. 22 ff.; Mérign hac, S. 48 ff. und Pé tin, S. 227 ff. 3) Vergl. oben S. 75 ff.

Olney und Cleveland in mehreren Punkten den Inhalt der Monroedoktrin gar nicht vollständig ausgeschöpft haben.

Ein kurzer Überblick über den ungemein schwerfälligen Antrag Davis ergibt, daß mit ihm nichts weiter versucht wird, als eine Bestätigung der Monroedoktrin durch den Kongreß herbeizuführen, wie sie sich durch Polk, Grant und im Verlaufe der Kanalangelegenheit herausgebildet hatte. Und darauf folgt weiter, daß von einer Davisdoktrin überhaupt ernstlich keine Rede sein kann.

g) Die Stellung der Vereinigten Staaten zu der Frage des Baues und der Kontrolle eines amerikanischen interozeanischen Kanals durch nicht amerikanische Mächte und mit nichtamerikanischem Gelde.1)

Allgemeines.

Der Plan, einen Kanal durch die Mitte der amerikanischen Kontinente vom Atlantischen zum Stillen Ozean zu bauen, ist fast so alt wie die Entdeckung Amerikas.

1) Vergl. hier besonders die oben S. 100 ff. gemachten Ausführungen über die englische Politik im mittleren Amerika und die Haltung der amerikanischen Regierung dazu.

Literatur und Quellenmaterial über die Kanalfrage sind unabsehbar und vermehren sich unentwegt.

Ebensowenig wie oben der Versuch unternommen wird, eine vollständige Geschichte des amerikanischen Kanals zu geben, kann es hier die Aufgabe sein, ein auch nur einigermaßen vollständiges Literaturverzeichnis zu bieten. Die folgenden Nachweise sind lediglich eine Sammlung von Abhandlungen, die aus einem oder dem andern Grunde für die besonderen Zwecke der oben gemachten Ausführungen besonders in Betracht kamen.

Das Quellenmaterial findet sich besonders an folgenden Stellen:

St. A., LXVI S. 183 ff.: Verhandlungen zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika über einen Kanal zwischen dem Atlantischen und Stillen Ozean; Br. Acc. and Papers 1856, LX 2052: Corr. with the United States respecting Central America, und 2107: Further Correspondence usw. 1860, Vol., LXVIII 2748: Further Correspondence. Außerdem kommen für die englischen Quellen noch die betreffenden Bände der B r. and For. State Papers besonders in Betracht.

Von den amerikanischen Quellen sind besonders folgende hervorzuheben: Vor allen Dingen eine sehr wertvolle Urkundensammlung, die unter dem Titel: Correspondence in Relation to an Interoceanic Can a l usw. (56. Cong. 1. sess. Se n. Do c. S. 237) von der amerikanischen Regierung im Jahre 1900 gedruckt worden ist. Dieses Buch wird hier als Corr. 1900 zitiert werden. Vergl. ferner Corr. between Great Britain and the United States in relation to Central American affairs, 34. Cong. 1. sess., Washington 1856; Moore, III S. 1 ff. (§ 336 ff.); Sullivan and Cromwell, Compilation of Executive Documents and Diplomatic Correspondence relative to a

Das Interesse der Vereinigten Staaten an dieser Idee beginnt sogleich nach Begründung der Selbständigkeit der latin-amerikanischen Staaten. Von da an ist die Geschichte dieser Idee eine Kette von Begebenheiten, so mannigfaltig, wie sie in den diplomatischen Annalen ihresgleichen sucht, und die gegenwärtig noch nicht abgeschlossen ist.

Wir haben oben bereits als selbständige Episoden die Bemühungen Englands in Zentralamerika um den Erwerb oder die

trans-isthmian Canal in Central America, 3 Bde., New York 1905. Diese nützliche Sammlung ist von der neuen Panama-Canal-Company herausgegeben worden. Canal de Pa na má, Documentos relacionados con este, asúnto que se publican por order del Senado de la Republica, Bogotá 1903.

Vergl. ferner folgende Abhandlungen:

De Barral Montferrat, S. 43 ff. u. S. 171 ff.; Arias, Harmodio, The Panama Canal, a study in international Law and Diplomacy, London 1911; Beaumarchais, S. 96 ff.; De Bustamante, Le Canal de Panama et le droit international, R. I., Bd. XXVII (1895) S. 112 ff. u. S. 223 ff.; Ces pèdes, S. 447 ff., Coolidge (Ed. 1912) S. 267 ff.; Des pagnet, S. 633 ff.; Dunning S. 52 ff.; Foster, S. 461 ff.; Grant, The Nicaragua Canal in N. A m. Rev., Bd. CXXXII (Febr. 1881), S. 107 ff.; Henderson, Cap. II S. 63 ff.; Huberich, Charles Henry, Le Canal Transisthmique, Rev. d. D. Publ. et de la Sc. Pol., XIX, 1903, S. 193 ff.; Derselbe, The Transisthmian Canal: A Study in American diplomatic History, 1825-1904; Austin (Texas) 1904; Johnson, Emory R., The Panama Canal. Pol. Sc. Quart. (1903) Bd. XVIII S. 197 ff.; Johnson, Willis Fletscher, Four Centuries of the Panama Canal, New York 1906; Keasbey, Lindey Miller, The Nicaragua Canal and the Monroedoctrine usw., New York u. London 1896 (ein sehr gutes Buch); Derselbe, The National Canal Policy, Am. Hist. As s. Ann. Rep., 1902, Bd. I Nr. 11 S. 275 ff.; L a tané, John H., Cap. VI; Derselbe, The Neutralisation features of the Hay-Pauncefote Treaty, Am. Hist. Ass. Ann. Rep., 1902, Bd. I Nr. 12 S. 289 ff.; Lawrence, Essays on some disputed questions in modern international Law, Cambridge_1885, Essay III S. 89 ff. The Panama Canal and the Clayton-Bulwer Treaty; Lehmann, Richard, Der Panamakanal, seine Geschichte, die Befestigungs- und Gebührenfrage in Niemeyers Zeitschr., XXIII 3. u. 4. Heft (1913) S. 46 ff.; Lesseps, Ferdinand de, The Interoceanic Canal in N. A. Rev., Bd. CXXX (1880) S. 1 ff., auch Bd. CXXXI (ebenfalls 1880) S. 75 ff. (Lesseps richtet sich hier gegen die Anwendbarkeit der Monroedoktrin auf Privatunternehmen, wie den Canal oder wie eine Eisenbahn); v. Liszt, S. 210 ff.; Moore, John Basset, Interoceanic Canal and Hay-Pauncefote Treaty, Washington Gov. Print. Off. 1900; (Wiederabdruck aus der New York Times vom 4. März 1900); M üller-Heymer, Der Panamakanal in der Politik der Vereinigten Staaten, eine völkerrechtliche Studie, Berlin 1909; Nys, I S. 528 ff.; Oppenheim, I S. 251 ff.; Pensa, Henry, La république et le Canal de Panama, Paris 1906; Pétin, S. 115 ff.; Schleiden, R., Die rechtliche und politische Stellung der Panamakanalfrage, Preuß. Jahrbücher 1882, Juni; Scruggs, S. 16 ff.; Snow, S. 326-346; Travis, Ira Dudley, The History of the Clayton-Bulwer Treaty in Publications of the Michigan Pol. Sc. A ss., Bd. III, Jan. 1900, Nr. 8 (lesenswert); Tucker, S. 43 ff.; Viallate, Les Etats-Unis et le Canal interocéanique, Un chapitre d'histoire diplomatique américaine, R. G. Bd. X (1903) S. 5 ff.; Derselbe, Essays S. 57 ff.; Whiteley, James Gustavus, Les Traités Clayton-Bulwer and Hay-Pauncefote, R. J., 2. Ser. Bd. III, (1901) S. 5 ff.; Woolsey, T. S., Suez and Panama; A Parallel, A m. Hist. Ass. Ann. Rep. (1902–1903) Nr. 13 S. 305 ff.; Wyse, Lucien Nap. Bonaparte, Le Canal de Panama, Paris 1886.

Kontrolle solchen Landes, das ihm mit Hinsicht auf den Plan eines interozeanischen Kanals erstrebenswert erschien und die Haltung der Vereinigten Staaten dazu geschildert.1)

Hier interessieren weiter folgende zwei Fragen: einmal, wie haben sich die Vereinigten Staaten gegenüber der Idee der Kontrolle eines solchen Kanals, und zweitens, wie gegenüber derjenigen seines Baues durch nichtamerikanische Mächte bezw. durch nichtamerikanisches Kapital verhalten?

Ihr Standpunkt hat in dieser Beziehung grundsätzliche Wandlungen erfahren.

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Zum ersten Male kommt das Interesse der amerikanischen Regierung an der Kanalsidee zu einem deutlichen Ausdrucke in der Instruktion, welche Henry Clay den Vertretern der Vereinigten Staaten auf dem Panamakongreß des Jahres 1826 gab.2)

Einer der Verhandlungsgegenstände auf diesem Kongresse sollte auch die Frage eines solchen Kanals sein.

Henry Clay äußerte nun in einem Schreiben vom 8. Mai 1826 an die Herren Anderson und Sergeant seine Meinung dahin, die Frage eines solchen Kanals werde einen geeigneten Gegenstand für die Kongreßberatungen bilden.,,Dieses riesige Objekt", so schreibt er,,,wird, falls es jemals vollendet werden sollte, in größerem oder kleinerem Maße für alle Teile der Welt von Interesse sein".

Und er fährt fort:

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Was zum Vorteile von All-Amerika zurückfließen wird, sollte mit gemeinsamen Mitteln und geeigneten Bemühungen ausgeführt und nicht den getrennten und ohne Beistand gemachten Anstrengungen einer Macht überlassen werden. Die Vorteile des Werkes sollten nicht ausschließlich einer Nation zugewendet werden, sondern sie sollten auf alle Teile des Erdballes gegen Zahlung einer gerechten Kompensation oder eines angemessenen Zolles erstreckt werden.")

1) Siehe oben S. 100 ff.

2) Vergl. hier: International American Conference, Reports of Committees and Discussions whereon. Bd. IV, Hist. Appendix. The Congress of 1826, at Panama, and subsequent Movements toward a conference of American Nations, Washington Gov. Print. Off. 1890, S. 113 ff., besonders S. 143.

Vergl. auch über diesen Kongreß die unten S. 277 ff. gemachten Ausführungen.
3) Die Idee, daß sämtliche Mächte der Erde in bezug auf die Benutzung des

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