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hatte dem gegenüber den Gedanken ausgesprochen, ein derartiges Vorgehen könne vielleicht ihren Plan, daß die Vereinigten Staaten die Angelegenheit entscheiden sollten, vereiteln. Die amerikanische Regierung hatte darauf ihre Idee nicht weiter verfolgt.1) Zu Anfang des Jahres 1887 boten die Vereinigten Staaten der englischen Regierung das erste Mal ihre guten Dienste tatsächlich an. Das betreffende Instruktionsschreiben Bayards an Mr. Phelps vom 30. Dezember 1886 2) ist noch sehr vorsichtig gehalten.

Bayard nimmt in diesem Schreiben wiederum auf die Monroedoktrin Bezug. Er erklärt nämlich unter anderem, die Regierung Ihrer Majestät werde es verstehen, daß die Haltung freundlicher Neutralität und völliger Unparteilichkeit der Vereinigten Staaten diesem Streite gegenüber, der ja ausschließlich auf der Verschiedenheit der Auffassung von Tatsachen durch Freunde und Nachbarn der Vereinigten Staaten beruhe, völlig vereinbar mit dem Verantwortlichkeitsgefühle sei, das auf den Vereinigten Staaten den südamerikanischen Republiken gegenüber laste. Er fährt dann fort:

,,Die Doktrinen, die wir vor zwei Generationen auf Ansuchen und mit der kordialen Unterstützung und Billigung der englischen Regierung verkündet haben, haben im Laufe der Zeit nichts von ihrer Kraft und Bedeutung verloren, und die Regierung von England wie die der Vereinigten Staaten sind gleichmäßig an der Aufrechterhaltung eines Standes der Dinge interessiert, dessen Weisheit durch die Erfahrung von mehr als einem halben Jahrhundert dargetan worden ist.“

Zum Schlusse versichert er wiederum ausdrücklich, daß der Streit mit England,,lediglich einer über geographische Grenzen und Titel, nicht jedoch ein Fall versuchter politischer Jurisdiktion" sei.

Mr. Phelps entledigte sich dieses Auftrages, indem er durch Schreiben vom 8. Februar 1887 dem Lord Salisbury den Hauptinhalt der ihm gegebenen Instruktion mitteilt und die guten Dienste der Vereinigten Staaten in der Angelegenheit anbietet.3) Salisbury lehnte dieses Angebot durch Schreiben vom 22. Februar 1887 ab.4)

1) Vergl. Bayard an Phelps unter dem 20. Juli 1885, eod. S. 57 f.
2) eod. S. 67 ff.

3) Blaubuch 1896, Nr. 1 S. 1; Corr. 1896, S. 80 f.

*) Blaubuch, l. c. S. 2; Corr. 1896, S. 84.

Von nun an wiederholten sich die Versuche der von Venezuela immer dringender um Vermittlung gebetenen Regierung der Vereinigten Staaten fortdauernd, aber stets ohne Erfolg.1)

Auch die Sprache der amerikanischen Diplomatie änderte sich etwas.

Als der englische Gouverneur von Britisch Guayana durch Proklamation 2) vom 31. Dezember 1887 Landkonzessionen für den Bau einer Eisenbahn in dem streitigen Gebiet, die der Präsident von Venezuela etreilt hatte, für unwirksam erklärte, schrieb der Staatssekretär an Mr. Phelps unter dem 17. Februar 1888,3) die Regierung der Vereinigten Staaten habe bisher ein ernstes und freundliches Interesse an dem Grenzstreite genommen und so weit als möglich dessen endgültige und ehrenwerte Beilegung befürwortet. Sie sei dabei von der Annahme ausgegangen, daß es sich bei dem Streite um historische Tatsachen handle und daß er sich hervorragend für die Beilegung durch Schiedssprechung eigne, sowie, daß beide Parteien festbegrenzte Ansprüche aufstellten. Die nunmehr von den Autoritäten in Britisch Guayana geltend gemachten Forderungen gäben Anlaß zu schwerer Unruhe und ließen Raum für die Vorstellung, daß der Gebietsanspruch nicht historischen Traditionen oder Beweisen folge, sondern offenbar unbestimmt sei. Er beauftragte Phelps sodann dahin, Salisbury zu erklären, daß es der amerikanischen Regierung zu größter Befriedigung gereichen würde, den Venezuelastreit freundschaftlich und in ehrenvoller Weise beigelegt zu sehen, und hinzuzufügen, daß die Vereinigten Staaten bereit seien, alles was in ihrer Macht stehe zu tun, um zur Herbeiführung eines solchen Endes zu helfen.

Der entscheidende Wendepunkt jedoch trat erst ein, als Präsident Cleveland in seiner Jahresbotschaft vom 3. Dezember 18944) auf den Streit zu sprechen kam und dabei erklärte, er werde die bisher gemachten Versuche, die diplomatischen Beziehungen zwischen England und Venezuela wieder herzustellen

1) Lincoln an Salisbury, 5. Mai 1890; Blau buch, 1. c. S. 2; Ablehnung Salisburys vom 26. Mai 1890, eod. S. 3; Salisbury an Pauncefote, 11. Nov. 1891, eod. S. 3; Gresham an Bayard am 13. Juli 1894, F o r. R e l. 1894, S. 25 ff. und vom 1. Dez. 1894, eod. S. 252.

2) Corr. 1896, S. 203.

*) eod. S. 204 f.

4) Richardsons Mess., Bd. IX S. 526.

und ihren Streit zur Entscheidung durch Schiedsspruch zu bringen,

erneuern.

Kurz darauf, am 10. Januar 1895, brachte der Abgeordnete Livingston im amerikanischen Parlament eine gemeinsame Resolution ein, die den beiden Streitparteien aufs dringendste Arbitration empfahl. Diese Resolution wurde alsbald in etwas veränderter Form von beiden Häusern angenommen und vom Präsidenten am 20. Februar 1895 unterzeichnet.1) Sie lautet in ihrer endgültigen Form wie folgt:

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beschlossen, daß die Anregung des Präsidenten, die er in seiner letzten Jahresbotschaft dieser Körperschaft gemacht hat, nämlich, daß Großbritannien und Venezuela ihren Grenzstreit friedlicher Schiedssprechung überweisen, beiden Parteien ernstlich zu günstiger Erwägung empfohlen wird.“

Die englische Regierung änderte auch daraufhin noch nicht ihren Standpunkt.

Der amerikanische Gesandte in London, Mr. Bayard, begab sich am 2. Februar 1895 nochmals zum Earl Kimberley und erklärte ihm wiederum, wie begierig die Vereinigten Staaten seien, alles zu tun, um die Beilegung des Streites durch Schiedsverfahren zu erleichtern. Die Antwort Kimberleys, der dem Botschafter der Vereinigten Staaten im Verlaufe dieser Verhandlungen zugleich ein Memorandum über den englischen Standpunkt verlas, ging dahin,,,daß die Regierung Ihrer Majestät zwar bereit sei, in bezug auf gewisse Teile des Gebietes. ... zu Schiedsverfahren zu schreiten, daß sie aber nicht einem Abgehen von der Schomburgklinie zustimmen könnte".2)

Am 20. März 1895 fragte Bayard bei Kimberley an, ob er ihm irgend welche weitere Information über die Zwistigkeit zwischen England und Venezuela geben könne.3) Kimberley erwiderte darauf, er könne nichts der Antwort hinzufügen, die Sir Edward Grey im House of Commons gegeben habe. Die dort gemachten

1) H. Rep. S. 252. Der Text findet sich in Stat. at Large, XXVIII S. 97 f. (Joint Res. Nr. 17). Über die Kongreßberatungen vergl. Cong. Rec., 53. Cong. 3. sess., Bd. XXVII, Teil I S. 836 (der Antrag), Teil 2 S. 1832 (Annahme des Hauses am 6. Februar 1895), Teil 3 S. 2113 (Annahme durch den Senat am 13. Februar 1895) S. 2297, (Annahme einer Senatsänderung durch das Haus am 16. Februar 1895) und S. 2642 (Notiz über Unterzeichnung durch den Präsidenten).

2) Vergl. Kimberleys Bericht über diese Unterhaltung an den englischen Gesandten in Washington vom 23. Februar 1895, Blaubuch, 1. c. S. 5.

*) eod, S. 6 f.

Bemerkungen waren in der Tat überhaupt keine Antwort und lediglich ein Ausdruck dafür, daß die englische Regierung ihren alten Standpunkt unverändert beibehalte.1)

Darauf bereitete Staatssekretär Olney im Auftrage des Präsidenten Cleveland eine sehr ausführliche Instruktion vor, die er unter dem 20. Juli 1895 dem amerikanischen Botschafter in London, Mr. Bayard, mit dem Auftrag übersandte, sie dem Lord Salisbury zu übermitteln.2)

Diese Instruktion, die uns späterhin noch eingehend zu beschäftigen hat, verlangte von England kategorisch und unter ausführlichster Argumentierung mit der Monroedoktrin Erledigung des Grenzstreites durch Schiedsverfahren. Olney ersuchte ferner darin um eine so rechtzeitige Antwort, daß der Präsident in der Lage sei, die ganze Angelegenheit dem Kongreß in seiner demnächst fälligen Jahresbotschaft mitzuteilen. Die englische Antwort kam jedoch nicht rechtzeitig, und so mußte sich Cleveland damit begnügen, in seiner Jahresbotschaft vom 2. Dezember 1895 eine kurze Bemerkung zu dem Streitfall zu machen3) und eine Spezialbotschaft darüber in Aussicht stellen.

Die englische Antwort ist in zwei sehr ausführlichen Schriftstücken enthalten, die von Salisbury unterzeichnet sind und deren erstes vom 26. November 1895 4) sich mit den auf die Monroedoktrin bezüglichen Ausführungen von Olneys Instruktion befaßt, während das zweite, ebenfalls vom 26. November 1895 datierte 5) es unternimmt, dessen tatsächliche Behauptungen zu widerlegen. Beide Dokumente sind eine entschiedene Ablehnung des Verlangens der Vereinigten Staaten und ein Verharren auf dem alten Standpunkt seitens der englischen Regierung.

Präsident Cleveland erstattete darauf dem Kongreß unter Übermittlung eines Teiles der ergangenen Korrespondenz dem

1) 1. c. S. 6 Anm. *): Auszug aus Hansard's Deb. vom 11. März 1895 und vom 1. März 1895.

2) Blaubuch, l. c. S. 7 ff.; For. Rel. 1895, I. Teil S. 545 ff., 54. Cong. 1. sess. Sen. Ex. Doc. 31 S. 4 ff.; Moore, VI S. 535 ff. Ein Abdruck im Anhang unten unter I Nr. 8.

3) Richardsons Mess., IX S. 626 ff., besonders S. 632.

4) Blaubuch, l. c. S. 22 ff.; For. Rel., 1. c. S. 563 ff.; 54. Cong. 1. sess. Sen. Ex. Do c. 31 S. 22 ff. Ein Abdruck findet sich im Anhang unten unter I Nr. 9.

*) Blaubuch, l. c. S. 25 ff.; For. Rel., 1. c. S. 565 ff.; 54. Cong. 1. sess. Sen. Ex. Do c. Nr. 31 S. 26 ff.

Senat von der Angelegenheit in einer Spezialbotschaft vom 17. Dezember 1895 Bericht.

Clevelands Botschaft vom 17. Dezember 1895.

Diese zum Teil recht dunkle und schwerfällig gefaßte Botschaft mag in ihren bedeutungsvollsten Teilen hier in der Übersetzung wiedergegeben werden.1)

Cleveland geht von der Erklärung Salisburys aus, die Monroedoktrin sei auf den ,,Zustand der Dinge, unter dem wir gegenwärtig leben" und insbesondere auf den Venezuela-Grenzstreit unanwendbar. Er widerspricht dieser Behauptung und führt aus:

,,Die Doktrin, auf der wir fußen, ist lebenskräftig und vernünftig, weil ihre Durchsetzung wichtig für unsern Frieden und für unsere Sicherheit als eine Nation ist und weil sie notwendig für den unverletzten Bestand unserer freien Einrichtungen und für die ruhige Aufrechterhaltung unserer besonderen Regierungsform ist. Sie sollte auf jedes Stadium unseres nationalen Lebens Anwendung finden und kann solange nicht gegenstandslos werden als unsere Republik besteht. Wenn das Gleichgewicht der Kräfte berechtigterweise ein Grund für eifersüchtige Besorgnis zwischen den Regierungen der alten Welt und ein Gegenstand völliger Nichteinmengung für uns ist, so ist die Monroedoktrin nicht weniger für unser Volk und seine Regierung von vitalem Interesse

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Wenn eine europäische Macht durch Ausdehnung ihrer Grenzen Besitz von dem Gebiete einer unserer Nachbarrepubliken gegen deren Willen und unter Schmälerung ihrer Rechte ergreift, so ist schwer zu sehen, warum diese europäische Macht in diesem Umfange nicht dadurch versucht, ihr Regierungssystem auf den Teil dieses Kontinents auszudehnen, den sie so genommen hat. Das ist genau das Vorgehen, von dem Präsident Monroe erklärte, es sei ,,gefährlich für unsern Frieden und für unsere Sicherheit", und es kann keinen Unterschied machen, ob das europäische System durch ein Vorrücken der Grenze oder auf andere Weise ausgedehnt wird....

1) Richardsons Mess., IX S. 655 ff.; For. Rel. 1895, I S. 542 ff.; 54. Cong. 1. sess. Sen. Do c.. 31. S. 1 ff. Ein Abdruck findet sich im Anhang unten unter I Nr. 7.

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