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eines unfreundlichen Verhaltens gegenüber den Vereinigten Staaten ansehen".

Die geschilderten Begebenheiten interessieren aber nicht nur als eine Wiederbestätigung und Anwendung dieses Teiles der ursprünglichen Monroedoktrin.

Gegenüber dem gemeinsamen englisch-französisch-spanischen, zum Zwecke der Beitreibung von Schuld- bez. Ersatzansprüchen gegen Mexiko vorgenommenen, der französischen Intervention vorausgehenden Vorgehen enthielt die Regierung der Vereinigten Staaten sich jedweden Eingreifens. Sie brachte es hier ebenso wie zu Anfang der französischen Sonderintervention wieder und wieder als ihren Standpunkt zum Ausdrucke, daß sie es nicht unternähme, jedwedem Vorgehen europäischer Mächte gegen amerikanische Staaten schlechtweg zu widerstreben, daß sie vielmehr lediglich den Zuwachs politischer Macht europäischer Staaten in Amerika verhindern wolle und daß ihre Stellung gegenüber europäischer Tätigkeit in Amerika sich unter diesem Gesichtspunkte bestimme.

Sowohl die Haltung wie zahlreiche Erklärungen der Regierung der Vereinigten Staaten während dieser mexikanischen Angelegenheit bringen es mit antitetischer Schärfe zum Ausdruck:

Die Monroedoktrin richtet sich nur gegen die Vermehrung politischer politischer Macht europäischer Staaten in Amerika, sie bezieht sich jedoch nicht auf jedwedes Vorgehen europäischer Mächte gegen amerikanische Staaten schlechthin.1)

e) Die Ausbildung der Polk'schen Erweiterungen. der Monroedoktrin durch Präsident Grant.

(Cuba und Santo-Domingo um 1870).2)

Allgemeines.

Die auf den Erwerb von Gebiet oder wenigstens von politischer Kontrolle im mittleren Amerika gerichtete Politik Englands hatte den Vereinigten Staaten Anlaß zur Wiederanwendung und Wiederbestätigung des gegen europäische Kolonisation in Amerika gerichteten Teiles der ursprünglichen Monroedoktrin gegeben.

1) Vergl. mehr hierüber unten S. 244 ff.

2) Vergl. zu Cuba die oben auf S. 62 f. und 94 ff. und unten auf S. 324 ff. gemachten Ausführungen. Für die Literatur zu Cuba vergl. unten S. 324 Anm. 1; zu Santo Domingo vergl. die unten auf S. 217 ff. gemachten Ausführungen, sowie die Literaturangaben unten S. 217 Anm. 1.

Die auf gewaltsamen Erwerb von politischer Macht in Mexiko gerichteten Versuche Frankreichs waren Anlaß für eine energische Anwendung des Verbotes politischen Machtzuwachses europäischer Mächte in Amerika geworden.

Die in der historischen Reihe der mit der Monroedoktrin verbundenen Ereignisse nächsten Begebenheiten stehen in unmittelbarer Beziehung zu den Ausbildungen und Erweiterungen der ursprünglichen Monroedoktrin, wie sie Präsident Polk vorgenommen hatte.

Es ist ein seltsamer Zufall, daß Präsident Grant ebenso wie Polk zweimal, und zwar in den Jahren 1869 und 1870 Gelegenheit fand, sich mit dem Verbote europäischen Machtzuwachses in Amerika in zwei Botschaften zu beschäftigen und dieses Verbot ganz im Sinne seines Amtsvorgängers Polk anzuwenden und auszubilden.

Dies geschah das erstemal in seiner Jahresbotschaft vom 6. Dezember 1869.1)

Grants Botschaft vom 6. Dezember 1869

in Bezug auf Cuba.

Diese Botschaft bezog sich auf den damals in Cuba wütenden Bürgerkrieg.

Die Regierung der Vereinigten Staaten hatte sich nach dem im Jahre 1868 erfolgten Ausbruche des sogenannten zehnjährigen Krieges in Cuba 2) sehr bald um Wiederherstellung der Ruhe und des Friedens auf dieser Insel bemüht. Sie hatte ihren neu ernannten Gesandten in Spanien, den General Sickles, durch Instruktion vom 29. Juni 1869 dahin beauftragt, mit der spanischen Regierung über die Leistung guter Dienste zur Beendigung dieses Bürgerkrieges Verhandlungen anzuknüpfen.3)

Die beiden Regierungen hatten sich jedoch über die Grundlagen dafür nicht zu einigen vermocht. Und nachdem auch noch Streitereien zwischen ihnen ausgebrochen waren, hatte General

1) Der Text der Botschaft steht in Richardsons Mess., VII S. 27 ff.; vergl. insbesondere S. 31 ff.

2) Vergl. über diese Episode una die Stellung der Diplomatie der Vereinigten Staaten dazu insbesondere die diplomatische Korrespondenz in 41. Cong. 2. sess. H. Ex. Do c. 160 (1869-1870, Bd. VII): Struggle for independence in the Island of Cuba. Vergl. ferner 41. Cong. 2. sess. Sen. Ex. Do c. 7 und 113. Vergl. auch unten S. 324 ff.

3) In 41. Cong. 2. sess. H. Ex. Do c. 160 S. 13 ff.

Sickles das Angebot der Vereinigten Staaten unter dem 28. September 1869 zurückgezogen.1)

In seiner Jahresbotschaft vom 6. Dezember 1869 kommt nun Präsident Grant auf die Ereignisse in Cuba zu sprechen. Dies gibt ihm Anlaß dazu, den Standpunkt der amerikanischen Regierung den dortigen Kämpfen und überhaupt Cuba gegenüber zu präzisieren.

Er beginnt mit der Erklärung, daß die Vereinigten Staaten die freieste aller Nationen sei, und daß ihre Bürger mit jedem um seine Freiheit und um seine Selbstregierung ringendem Volke sympathisiere, daß es aber andererseits ihre Ehre verbiete, ihre Ansichten anderen Nationen aufzudrängen und sie daran hindere, an den Streitereien verschiedener Nationen oder zwischen Regierungen und ihren Untertanen ohne Einladung teilzunehmen. Dies sei auch die Politik der Vereinigten Staaten Cuba gegenüber. General Grant erklärt in seiner Botschaft dann weiter:

,,Die Vereinigten Staaten haben nicht die Absicht, sich in die bestehenden Beziehungen Spaniens zu seinen Kolonialbesitzungen auf diesem Kontinente einzumischen. Sie glauben, daß Spanien und andere europäische Mächte, wenn die Zeit dafür gekommen sein wird, ihr Interesse in einer Beendigung solcher Beziehungen und in der Umwandlung ihrer gegenwärtigen Dependenzen zu unabhängigen Mächten - Mitgliedern der Familie der Nationen finden werden. Diese Dependenzen können nicht länger von einer europäischen Macht an eine andere übertragen werden. Wenn die gegenwärtigen Beziehungen von Kolonien aufhören, so müssen sie unabhängige Mächte werden, die das Recht besitzen, ihre zukünftigen Verhältnisse und Beziehungen zu andern Mächten selbst zu wählen und zu kontrollieren." 2)

1) General Sickles an Silvela unter dem 28. Sept. 1869, eod. S. 56.

2) Das Gesperrte ist im Text nicht hervorgehoben. Der englische Text dieser Stelle lautet:

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The United States have no disposition to interfere with the existing relations of Spain to her colonial possessions on this continent. They believe that in due time Spain and other European powers will find their interest in terminating those relations and establishing their present dependencies as independent powers Members of the family of nations: These dependencies are no longer regarded as subject to transfer from one European power to another. When the present relation of colonies ceases, they are to become independent powers, exercising the right of choice and of self-control in the determination of their future condition and relations with other powers." 66

Diese Ausführungen stehen in der Geschichte der Stellung der amerikanischen Regierung zur cubanischen Frage ziemlich vereinzelt da.

Wir haben oben bereits gesehen, daß es oft ausgesprochen worden ist, eine Vereinigung Cubas mit einer anderen europäischen Macht als Spanien könnten die Vereinigten Staaten nicht zulassen.1)

Dieser Standpunkt ist von den Vereinigten Staaten auch späterhin unverändert beibehalten und häufig wiederversichert worden.

So erklärte z. B., um nur ein besonders charakteristisches Beispiel anzuführen, Staatssekretär Clayton am 22. August 1849 dem damaligen Gesandten der Vereinigten Staaten in Spanien, Mr. Barringer, folgendes: 2)

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,Während diese Regierung fest dazu entschlossen ist, daß die Insel Cuba niemals von Spanien zu einer andern Macht als die Vereinigten Staaten abgetreten werden soll, so wünscht sie nicht, über diesen Gegenstand in Zukunft irgend welche Drohungen zu äußern oder Spanien gegenüber irgend welche Garantien zu übernehmen... Die Nachricht von der Abtretung Cubas an irgend eine fremde Macht würde in den Vereinigten Staaten das augenblickliche Kriegssignal sein.“

Aber im Gegensatz zu Grants Botschaft argumentieren alle hier in Betracht kommenden Äußerungen stets mit dem besonderen Interesse der Vereinigten Staaten an Cubas Geschick.

Hier in Grants Botschaft wird das erste und, wie mir scheint, das einzige Mal überhaupt der Standpunkt der Vereinigten Staaten einem Wechsel Cubas von Spanien in die Hand einer andern europäischen Kolonialmacht gegenüber auf allgemeine Gedanken gegründet, wie sie schon vorher Präsident Polk in bezug auf Oregon und Yukatan geäußert hatte.3)

Am nächsten kommen ihr die Ausführungen, welche Staatssekretär Everett in einer Note vom 1. Dezember 1852 an den Comte de Sartiges sowie an Mr. Crampton (den englischen Gesandten in Washington) gemacht hatte.4)

1) Vergl. oben S. 63 und 95 bes. Anm. 4.

M S. Inst. Spain, XIV S. 295 (M., VI S. 452).

Vergl. oben S. 83 ff.

4) Vergl. Br. and For. State Papers, Bd. XLIV S. 197 f., wo Everetts Brief an Crampton steht, und 32. Cong. 2. sess. Sen. Ex. Do c. 13, S. 15 ff., wo das Schreiben Everetts an den Comte de Sartiges abgedruckt ist.

Diese Ausführungen waren durch einen Vorschlag der französischen und englischen Regierung an die der Vereinigten Staaten veranlaßt, dahingehend, gemeinsam alle Absichten auf Cuba abzuschwören und Cuba der spanischen Regierung zu garantieren.1)

Everett lehnte diese Einladung in den eben bezeichneten Schreiben unter ausführlicher Begründung ab. Er unterzieht darin die Beziehungen der Vereinigten Staaten zu Cuba wie diejenigen zu den europäischen Mächten in bezug auf Cuba eingehendster Betrachtung. Er macht dabei u. a. die folgende Bemerkung:

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Wenn eine Insel wie Cuba, die der spanischen Krone gehört, den Eingang der Themse und Seine bewachte, und, die Vereinigten Staaten ein diesem entsprechendes Abkommen mit Frankreich und England vorschlügen, so würden diese Mächte es sicherlich fühlen, daß die von uns geltend gemachte Unfähigkeit viel weniger ernst wäre als der ihnen von uns gemachte Vorschlag."

Weiterhin begründet er unter Bezugnahme insbesondere auf Washingtons Abschieds- und auf Jeffersons Antrittsadresse diese Ablehnung mit dem alten Leitsatz der Vereinigten Staaten von der Vermeidung von Allianzen.2) Es ist jedoch zu bemerken, daß die Monroedoktrin selbst in dem ganzen, sehr ausführlichen Schriftstücke nicht berührt, geschweige denn zitiert wird.

Dem Präsidenten Grant dagegen gibt die Befürchtung eines Wechsels in der Person des Kolonialherrn über Cuba Anlaß dazu, es allgemein als einen Grundsatz der Vereinigten Staaten auszusprechen, daß Kolonien, deren politische Beziehungen wechseln, freie Staatswesen zu werden haben.

Dies ist ein Gedanke, den wir inhaltlich schon in den von Polk aus Anlaß des Oregonstreits sowie des Yukatan-Falles vorgenommenen Formulierungen der Monroedoktrin gefunden haben.

1) Vergl. besonders Turgots Brief an Daniel Webster, vom 23. April 1852, 32. Cong. 2. sess. Se n. Ex. Do c. 13, S. 3 (auf S. 5 ff. steht ein Entwurf zu einem solchen Vertrage), vergl. ebenfalls Crampton an Webster unter demselben Tage in Br. and For. State Papers, XLIV S. 121 ff.; vergl. außerdem vor allen Dingen W. Henry Trescot's ausführlichen Artikel,,The Cuban question" in The Southern Quarterly Review, N. S., Bd. IX (Bd. XXV des Ganzen) London 1854, S. 429-470. Diese Ausführungen sind durch eine in Boston im Jahre 1853 erschienene Publikation der: „Correspondence on the Tripartite Convention relative to Cuba" veranlaßt.

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2) Siehe oben S. 54.

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