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tische Leben kennen zu lernen. Der Dienst von der Picke auf, der, wenn er nicht zu lange dauert, dem Staatsmann und Literator immer von Nutzen sein wird, blieb dem Verstorbenen nicht erspart; doch kam Hock früh genug auf die Höhe der administrativen Laufbahn, um den freien Blick allgemeiner Bildung sich offen zu halten, fort und fort Elemente höherer Bildung in sich aufzunehmen. Er sah in seiner amtlichen Stellung im ersten Seehafen der österreichischen Monarchie das Ein- und Ausströmen des Weltverkehres nach und von Oesterreich. Bald darauf konnte er in der Hauptstadt des Reiches aus unmittelbarer Nähe den Herzschlag des österreichischen Güterlebens beobachten. Später diente er als allgemein geachteter Vertreter der österreichischen Regierung den wichtigsten wirthschaftlichen Interessen von internationaler Bedeutung und konnte ausserhalb des Reiches seinen Blick erweitern, die bedeutendsten Fachmänner des Auslandes wurden ihm Bekannte und Freunde. So waren seine geistige Natur und seine äussere Laufbahn glücklich angelegt für grosse Leistungen in unserer Wissenschaft. Und dennoch war das, was er geleistet hat, sein sittliches Verdienst, nicht das Werk äusserer günstiger Umstände, ja die glückliche Wendung seiner Lebensbahn, die ihm gestattete, die Anerkennung der europäischen Wissenschaft zu erwerben, ist selbst das Werk seiner sittlichen Arbeit gewesen. Er hat keine Anstrengung geachtet, um seine Durchbildung zu erhöhen und zu vollenden. Ihm bleibt das Verdienst, dass er als praktischer Administrator den ganzen Bereich seines Dienstes von unsauberen Elementen purificirte, es ist eine Folge seiner persönlichen Tüchtigkeit, dass er bis an den Schluss seines Lebens jede neu auftauchende Frage, die edle Interessen der Menschheit berührte, mit Jugendfrische sich aneignete, mit tiefstem Interesse förderte.

»Das war demgemäss sein eigenes Werk, was seinen wissenschaftlichen Charakter auszeichnet: Theorie und Erfahrung zu verknüpfen, erlebte Wissenschaft zu schreiben, wissenschaftlich bemeisterte Praxis darzustellen, jene beiden Elemente, welche die Voraussetzungen auch des Wirkens unseres Vereines sind, in vollem Maasse und in harmonischem Ebenmaass zu verbinden. Diese Verknüpfung ist bei den Literatoren desselben Faches, die nur oder vorwiegend von der Studirstube aus dem Studium obliegen, viel zu selten zu finden, als dass sie nicht Hock eine weit hervorragende Stellung in der Geschichte der Wissenschaft verschaffen musste. Ja er ragt bedeutend empor fast über Alle, welche auf demselben Gebiete ge

nannt werden können, und unter diesen befinden sich doch bedeutende Namen. Es ist keine Verkleinerung dieser anderen, Hock über sie zu stellen, denn die Vergleichung mit den ersten Grössen ist keine Verkleinerung. Darf man Bedenken tragen, über die Darstellungen der positiven Finanzverwaltung, die wir in grosser Auswahl deutschen und ausserdeutschen Federn verdanken, die classischen Darstellungen Hock's zu setzen? Das Werk über die Finanzverwaltung Frankreichs vom Jahre 1857 und über die Finanzen und Finanzgeschichte der Vereinigten Staaten vom Jahre 1867? Beide Werke sind von keinem Anderen erreicht. Wenn hier vor Allem die grossen Werke über die französische Finanzverwaltung und über diejenige der Vereinigten Staaten angeführt werden, so geschieht diess nicht mit der Absicht, desshalb die Bedeutung des mehr doctrinellen Werkes über »öffentliche Abgaben und Schulden gering anzuschlagen. Im Gegentheile, wenn man dieses Werk mit ähnlichen Werken anderer deutscher Schriftsteller auf diesem Gebiete vergleicht, so zeichnet es sich ebenfalls dadurch aus, dass eine geist volle Theorie aus der Praxis geschöpft ist, es ragt hervor durch die Fruchtbarkeit der Ideen und hebt sich gegen Andere vortheilhaft ab, indem es weder ein luftiges speculatives Werk, noch ein Lehrgebäude schematischer Begriffe, auch nicht ein Geflechte dürrer unbrauchbarer Begriffsspaltereien ist, wie sie so häufig sonst anzutreffen sind. Und nicht geringeres Lob gebührt jenen zahlreichen Arbeiten, die Hock in einer Reihe von Zeitschriften, namentlich in der deutschen Vierteljahrsschrift und in der österreichischen Revue veröffentlicht hat.

»Zu dem tüchtigen Inhalt gesellt sich in Hock's Werken der formelle Vorzug einer vollendeten, fast classischen Darstellungsweise. Man muss die Schwierigkeiten der Untersuchungen kennen gelernt haben, wie sie nöthig waren, um ein Werk wie jenes über die Finanzverwaltung der Vereinigten Staaten zu schreiben, um den Werth der Darstellung in diesem Buche zu schätzen. Es war ein trübes, ungesichtetes massenhaftes Material, dessen Durchdringung und Beherrschung unendliche Schwierigkeiten bietet; wenn man auch nur einen Theil solchen Materials, wie es Hock im ganzen Umfang bewältigen musste, einmal bearbeitet hat, erstaunt man, wie er dasselbe in so hellen Fluss zu bringen wusste, wie rein und klar die Form ist, die er diesen schwer zu erfassenden Materien zu geben wusste. Die Sauberkeit der wissenschaftlichen Form ist ein weiterer Grundzug seiner Schriften, der um so mehr des Lobes

werth, je seltener dieselbe in schweren wissenschaftlichen Werken zu finden ist.

»Allein noch mehr tritt uns aus allen, den früheren und den späteren Werken des Hingegangenen entgegen: der Ausdruck eines innigen Gemüthes, der Zauber einer liebenswürdigen, echt menschlichen Persönlichkeit; warmes Gefühl für alles Edle erfüllt seine Schriften nnd war auch die Triebfeder jener regen Thätigkeit, mit der er für die Wissenschaft gearbeitet hat.<

III. Miscellen.

Das östreichische Reichsgericht als umfassender Gerichtshof des öffentlichen Rechtes.

Im nächsten Hefte wird ein gedrängter Abriss der neueren östreichischen, wie der englischen, Gesezgebung an die nachfolgende Uebersicht der französischen Gesezgebung sich anschliessen.

In diesem Hefte glauben wir eingehender auf eine neuere Schöpfung des öffentlichen Rechtes in Oestreich hinweisen zu sollen, welche für Europa ganz neu in ihrer Art und höchstens dem Bundesgerichtshof der Vereinigten Staaten vergleichbar ist. Diese Schöpfung ist das Reichsgericht, dem Grundgesez gemäss verabschiedet durch Gesez vom 18. April 1869.

Das Reichsgericht ist weder mit dem »Verwaltungsgerichtshof< (Administrativjustizhof) zu verwechseln, welcher im Staatsgrundgesez vorgesehen ist und gegenwärtig vorbereitet wird, noch mit den drei Staatsgerichtshöfen Oestreichs, Ungarns und Oestreich-Ungarns, welche von der Gesezgebung in Durchführung des verfassungsmässigen Grundsazes der Ministerverantwortlichkeit bereits im Detail normirt sind. Das Reichsgericht, welches sich bereits constituirt hat, wird im dritten Staatsgrundgesez allgemein ein Gerichtshof zur Entscheidung bei Competenzconflicten und in streitigen Angelegenheiten öffentlichen Rechtes« genannt. Schon nach Art. 2 des grundlegenden Verfassungsgesezes vom 21. Dezember 1867 entscheidet das Reichsgericht endgiltig

»erstens in Competenz conflicten (Art. 2)

a) zwischen Gerichts- und Verwaltungsbehörden über die Frage, ob eine Angelegenheit im Rechts- oder im Verwaltungswege auszutragen ist, in den durch das Gesez bestimmten Fällen; b) zwischen einer Landes- (Kronlands-) Vertretung und den obersten Regierungsbehörden, wenn jede derselben das Verfügungs- oder Entscheidungsrecht in einer administrativen

Zeitschr. f. Staatsw. 1870. I. Heft.

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Angelegenheit beansprucht (die Landtagsausschüsse haben eine bedeutende administrative Befugniss.)

c) zwischen den autonomen Landesorganen verschiedener Länder in den ihrer Besorgung und Verwaltung zugewiesenen Angelegenheiten.

(Art. 3) »Das Reichsgericht hat die endgiltige Entscheidung ferner: a) über Ansprüche einzelner der im Reichsrath vertretenen Königreiche und Länder an die Gesammtheit derselben oder umgekehrt, dann über Ansprüche eines dieser Königreiche und Länder an ein anderes derselben, endlich über Ansprüche, welche von Gemeinden, Körperschaften oder einzelnen Personen an eines der genannten Königreiche und Länder oder an die Gesammtheit derselben gestellt werden, wenn solche Ansprüche zur Austragung im ordentlichen Rechtswege nicht geeignet sind;

>>b) über Beschwerden der Staatsbürger wegen Verlezung der ihnen durch die Verfassung gewährleisteten politischen Rechte, nachdem die Angelegenheit im gesezlich vorgeschriebenen administrativen Wege ausgetragen worden ist.

>> Ueber die Frage, ob die Entscheidung eines Falles dem Reichsgerichte zusteht, erkennt einzig und allein das Reichsgericht selbst; dessen Entscheidungen schliessen jede weitere Berufung, sowie die Betretung des Rechtsweges aus. Wird eine Angelegenheit vom Reichsgericht vor den ordentlichen Richter oder vor eine Verwaltungsbehörde gewiesen, so kann die Entscheidung von denselben wegen Incompetenz nicht abgelehnt werden.<<

»Das Reichsgericht hat seinen Siz in Wien und besteht aus dem Präsidenten und seinem Stellvertreter, welche vom Kaiser auf Lebensdauer ernannt werden, dann aus zwölf Mitgliedern und vier Ersazmännern, welche der Kaiser über Vorschlag des Reichsrathes, und zwar 6 Mitglieder und 2 Ersazmänner aus den durch das Abgeordnetenhaus, dann 6 Mitglieder und 2 Ersazmänner aus den durch das Herrenhaus vorgeschlagenen Personen ebenfalls auf Lebensdauer ernennt. Der Vorschlag wird in der Weise erstattet, dass für jede der zu besezenden Stellen drei sachkundige Männer bezeichnet werden.<<

Wir erlauben uns kein Urtheil darüber, ob dieses Gericht in Oestreich wirklich Wurzel fassen wird; das wird von dem weiteren Verlauf der inneren staatsrechtlichen Entwicklung und von dem Geist der zu dem Gerichte berufenen Männer entschieden werden. Für die Wissenschaft hat dieser Versuch eine hohe Bedeutung, auch wenn er in Oestreich misslingen sollte. Man hat es hier gewagt, das öffentliche Recht in entscheidenden Punkten mit justitiellen Garantieen auszustatten. Das neue östreichische Reichsgericht ist weder ein französischer Staatsrath, noch ein Geheimerrath bisherigen Stils, sondern ein öffentlichrechtliches Gericht sui generis, selbst als Competenzgerichtshof

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