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reservirend.. Ihr priesterlichen Erzieher der Jugend, ihr Meister der Künste und Wissenschaften, ihr kunst- und wissenschaftlosen Meister, ihr Rekrutensammler für die streitende Kirche (Church Militant), schont euere heilige Indignation über unser Erkühnen, die arcana sacra eueres betrügerischen Grubenbaues enthüllt und die grinsenden Züge des hinter dem Prophetenschleier verborgenen Unge= thums gezeigt zu haben. Aber ach, schon fühle ich die Scorpionstiche der Pfeile eueres Zornes. O schont mich Unglücklichen, der ich nur den Krieg wagte, nicht mit euch selbst, sondern mit eueren Principien, euerer List, euerer Intoleranz, euerer Verstellung, euerer Kriecherei, euerer Ungerechtigkeit und euerer Hetzlosigkeit !"

Uebrigens erscheinen solche Pamphlete immer von Zeit zu Zeit. Und ich habe nur gerade das citirte genommen, um meinen Lesern eine Vorstellung von den Rügen der Gegner der Universität zu geben. Alle Schriften der Dissenters und der Liberalen sind voll von ähnlichen Angriffen auf die Universität. Namentlich wird gerade jezt in einigen tüchtigen englischen Journalen ein heftiger Krieg gegen die Mißbräuche in Oxford geführt. Doch gehen die Gegner natürlich oft zu weit. Jedes menschliche Institut hat ja seine großen Mißbräuche, und der verständige Leser, der dieß weiß, wird daher schon selbst von dem Citirten abzuziehen wissen, was nöthig ist, und begreifen, daß solche Schlechtigkeiten, wie der Pamphletist fie rügt, nicht ohne Weiteres allen Mitgliedern der Universität Orford in die Schuhe geschüttet werden können. Allein zu gleicher Zeit wird derselbe auch einige Fingerzeige

Die Universitätskirche.

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in den Eitaten finden, die ihm eine Anleitung geben, wo die schwachen Seiten der Alma mater vorzugsweise zu fin= den sind. Und hierauf, auf die Entdeckung der Eigenthümlichkeiten der Fehler und Tugenden der Menschen und Institute, kommt es einem, in fremden Ländern Reisenden besonders an, nicht auf das Haschen nach Feh-lern und Schwachheiten überhaupt.

So wie jedes Collegium seine eigene Kirche hat, so hat auch die Universität als solche die ihrige, die MarienKirche, die mitten in der Stadt liegt, und in welcher alle diejenigen religiösen und kirchlichen Feierlichkeiten gehalten werden, welche die Universität als solche angehen, in der aber auch sonst noch jeden Sonntag zwei Mal gepredigt wird. Es ist ein schönes gothisches Gebäude, das aber leider aus einem nicht sehr festen Steine gebaut ist. Es ist, wenn ich mich recht erinnere, ein Sandstein, der sehr locker ist, und welcher, lange der Luft ausgeseßt, ́ auf · der Oberfläche bröcklich wird, und von dem man leicht ganze dünne Schichten ablösen kann. Leider sind auch viele Collegien der Stadt aus demselben bröcklichen Steine gebaut, der die Formen, die man ihm gegeben hat, nicht auf eine spåte Nachwelt bringen wird. Allein ich ging nicht des Gebäudes wegen zu dieser Kirche, sondern um eine Predigt mit anzuhören, die von dem Hauptan= hänger des Dr. Pusey, dem Dr. Newman, hier gehalten. werden sollte.

Dieser Dr. Newman ist bekanntlich jest eigentlich das Haupt derjenigen religiösen Secte, oder vielmehr derjenigen theologischen Schule, welche man die Puseyiten nennt. Er Kohl's 'Reisen in England. III.

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Entstehung des Puseyismus.

ist, wie man mir zuvor sagte, gelehrter, beredter und klüger, mit einem Worte bedeutender, als der Stifter dieser Schule, der Dr. Pusey selbst. Die Lehren, die dieser Dr. Pusey ungefähr seit dem Jahre 1833 predigte und die Newman noch weiter ausführte, haben eigentlich schon immer in Orford bestanden und sind dort beständig vorgetragen worden. Jene Herren sprachen diese alten Orforder Religionsgrundsäße (Oxford Divinity) nur noch entschiedener aus, gaben ihnen gewisse bestimmte Formen, suchten sie durch Tractåtchen in weiteren Umlauf zu sehen und brachten sie eifriger als zuvor auf die Canzeln. Daher werden die Puseyiten in England auch wohl,,the abettors of the Oxford Divinity" (die Aufheher der Orford'schen Theologie) genannt.

Es schien nämlich in dem besagten Jahre einigen ausgezeichneten Mitgliedern der Universität Orford, daß religionswidrige Grundsähe und falsche Doctrinen in die Maßregeln des Gouvernements eingeschlichen wären. Sie glaubten, daß die,,Church of England" (englische Kirche) in einer alarmirenden Lage wäre, und sie beschlossen daher, durch das Mittel der Presse alles Mögliche zu thun, um den weiteren Fortschritt der Tagesmeinungen über Religion zu hemmen. Sie publicirten in dieser Absicht eine Reihe von Pamphlets,,,Tracts for the Times" (Tractåtchen für die Zeit) genannt. Ich habe schon oben angedeutet, daß die meisten neuen Meinungen, welche in England durchdringen wollen, vor allen Dingen solche Tractåtchen in die Welt senden, als die geschicktesten und eindringlichsten Träger ihrer Grundsäge.

Christ-kathol. und römisch-kathol. Kirche.

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Diese Tractátchen handelten von lauter Gegenständen, welche die äußere Verfassung und die Berechtigungen der Kirche angingen, von der Constitution der Kirche, von der Autorität der Prediger, von den Irrthümern des Romanismus, und enthielten auch Stellen aus den alten Kirchenvåtern und den großen englischen Gottesgelehrten (the great English Standard-Divines).

Diese Tractåtchen schrieb zum Theil Dr. Pusey, größeren Theils aber der Dr. Newman oder, wie er sich immer halb anonym unterschrieb, I. H. N. Das berühmteste von allen diesen Tractåtchen wurde das neunzigste (the tract ninety). Denn hierin entwickelte Herr Newman das ganze System des Puseyismus, und dieser Tract ist gewissermaßen ihr Catechismus. Denn er be leuchtet die Kirche nach den 39 Artikeln, auf denen die englische Kirche gebaut ist, und erläutert und deutet diese Artikel so, wie sie seiner und mehrer zu ihm haltenden Ges lehrten Meinung nach erläutert und gedeutet werden müfsen, d. h. in einem erweiternden und möglichst „christ= katholischen" (nicht römisch-katholischen) Sinne.

Die Engländer und namentlich die Puseyiten unterscheiden immer zwischen der christ-katholischen und der römisch-katholischen Kirche, ein Unterschied, welcher uns Deutschen nicht so geläufig ist. Unter jener verstehen sie die ursprüngliche innige Gemeinschaft und Gesellschaft aller Christen, die die christliche Lehre so annahm, wie Christus fie der Welt gegeben hatte, und die vor dem Auftauchen der Secten und namentlich der römischen Kirchenirrthümer wirklich existirte, und welche wiederherzustellen das Bestreben

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,,The tract ninety" des Dr. Newman.

aller spåteren protestantischen Secten war. Indem sie von der Ansicht ausgehen, daß es nicht nur der Zweck der Reformatoren war, einige Irrthümer des Papstthums abzuschwören, sondern vielmehr auch die alte ursprüngliche christ-katholische (allgemeine) Kirche wiederherzustellen, und da sie meinen, daß dieß namentlich das Bestreben der englischen Kirchenreformer war, so nennen sie die englische Kirche vorzugsweise die katholische, die wahre, allgemeine Kirche, die Kirche von Rom heißen sie dagegen die rómisch-katholische oder noch lieber bloß die römische (Romanism).

Der Zweck jenes Tracts, welcher so große Sensation erregte, war es nun, jeden der 39 Artikel so zu deuten und seinen Sinn so zu erweitern, daß er dadurch als mit den Meinungen und Grundsähen der Apostel nicht nur, sondern auch der Kirchenvåter und überhaupt der ursprünglichen christlichen Kirche vollkommen harmonirend erscheine. Newman legte diese Artikel, wie er selbst sagt, aus,,in the most catholic sense they will admit" (in dem möglichst katholischen Sinne, den sie zulassen). Alle die Verdammungen des Fegefeuers, der Anbetung der Heiligen, der Sündenvergebung, alle Erklärungen der Artikel über die Messe, die Transsubstantiation, die allgemeinen Concilien 2c. nahm er nicht in dem Sinne an,, in welchem die Protestanten sie gewöhnlich annehmen, als unumwunden und dictatorisch, sondern mit großer, ja mit jesuitischer Feinheit und Gewandtheit deutete er sie so, daß dadurch ihr Sinn mit den Aussprüchen der Kirchenvåter und

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