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ihn in Bewegung und wußte es dahin zu bringen, daß seine Todesstrafe in Galeerenstrafe verwandelt wurde. Während der Zeit seiner Gefangenschaft besuchte sie ihn fleißig und wußte ihm auf mannigfache Weise seine Lage zu verbessern, ohne daß jedoch dieser Barbar nur im Ge ringsten durch ihre treue Liebe gerührt wurde.

Er nahm ihre Liebeszeichen wie den Tribut einer Scla= vin an und mißhandelte sie sogar oft bei den Besuchen, die sie ihm im Gefängniß abstattete. Sie hingegen arbeitete fortwährend an seiner Freilassung. Ihren ehemaligen vornehmen Geliebten, ihre ehemalige Pflegemutter beschwor fie mit Bitten und wußte durch ihren Einfluß wirklich die Freilassung ihres Tyrannen zu bewirken. Aber selbst in dem Augenblicke seiner Freilassung bewies dieser, wie we= nig er solche Bemühungen verdiente. Als seine Frau, deren Liebe ihm lästig war, ihm entgegeneilte und sogar das Bret betrat, auf dem er vom Galeerenschiffe aus zum Lande hinüberschritt, stieß er ihre Liebkosungen so rauh und hef= tig zurück, daß sie dabei ins Wasser fiel. Alle Leute waren darüber empört und wollten ihn zur Strafe festhalten. Allein Charlotte, die man aus dem Wasser wieder aufgefischt hatte, bat ihn los und folgte ihm abermals zu dem wilden Leben, das er mit ihr in dem Newforest und auf den Märkten um London herum führte. Wenn ich mich recht erinnere, so wurde ihr Tyrann dennoch zuleht eines anderen Verbrechens wegen hingerichtet, und auch sie ist jezt todt. Doch soll, wie man mir sagte, der Freund ihrer Jugend noch diesen Augenblick leben und ihr Portrait in seinem Zimmer haben.

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Zahl der Zigcuner in England u. Schottland.

So außerordentlich und romantisch diese Geschichte klingt, besonders für eine englische Geschichte aus dem 19ten Jahrhundert, so ist sie doch den Hauptumständen nach ganz wahr. Man nannte mir die Namen der dabei betheiligten Personen. Auch habe ich das Portrait der Charlotte Stanley selber gesehen. Es ist die umgekehrte Geschichte der Preciosa, und nach den vielen und interessanten Details und Nebenumständen, die man mir darüber mittheilte, die ich aber leider vergessen habe, schließe ich, daß, wenn sich einmal Jemand genau darnach erkundigen wollte, er in der Geschichte der Charlotte Stanley den Stoff zu einem der interessantesten Romane finden würde. Nicht viel besser, wie mit ihr, soll es mit den meisten anderen Zigeunern gegangen sein, welche das Southamp= toner Comité als Dienstmädchen oder Knechte oder auf eine andere Art unterbrachte. Sie sind fast alle wieder zu dem alten herumwandernden Leben, das ihnen im Blute zu stecken scheint, zurückgekehrt.

Herr Crabb schlug die Anzahl aller englischen und schottischen Zigeuner auf 18,000 an, eine Summe, die mir fast zu bedeutend erscheinen wollte.

XXXVII.

Ein Magazin mit englischen Seegeräthen.

Des Morgens vor dem Frühstück saß ich in der Regel auf dem Lawn des Landhauses und ließ den Weihrauch einer Cigarre vor dem kleinen Altare einer mir unbekannten römischen Gottheit, einer Göttin Uncasta, aufdampfen. Es war ein ziemlich unversehrter und vollståndiger Altar, auf dem deutlich, nebst anderen Worten, auch die Worte:,,Deae Ancastae" zu lesen waren. Auch kamen Züge darin vor, die frappant wie,,Tetricus" aussahen. Die Göttin Uncasta war keinem der Mythologen von Southampton bekannt. Vielleicht war es eine der unzähligen kleinen Local-Göttinnen, die es innerhalb der weiten Gränzen des römischen Reiches gab, und welche die in religiöser Beziehung sehr weitherzigen und toleranten Römer in ihren Olympus aufnahmen. Vielleicht ließ Tetricus ihr jenen Altar errichten. Es waren noch mehre Altäre in dem Parke ausgegraben und auch viele römische Münzen auf der Stelle des alten Clausentum aufgefunden worden. Auch zeigte man mir außerhalb des Parks im Felde eine Circumvallation, welche von Wasser zu Wasser

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ging und die besagte Halbinsel auf der Seite, wo sie mit dem Lande zusammenhing, abschnitt. Es soll Wall und Mauer von Clausentum gewesen sein.

Ein lieblicher Garten, dessen Teppich sich über den Trümmern einer längst entschwundenen Vorzeit ausbreitet, gewährt einen ganz eigenen Reiz, und der Siß am Ultar einer schönen Göttin, und noch dazu einer unbekannten, ist einem Alterthumsfreunde ein besonders reizender, welcher einem unter ähnlichen Umständen nicht häufig zu Theil wird.

Nach einem solchen Morgenopfer ging ich wohl zuweilen in die Stadt, um mir die interessanten und hübschen Låden auf der Highstreet zu beschauen. Dieß Lådenbeschauen ist ein sehr beliebtes Geschäft in England. Ich kenne selbst eine Menge ernster alter Männer, die darin einen großen Genuß finden. Die Mannigfaltigkeit und Eleganz der Waaren selbst in den kleineren Städten dieses waarenreichen Landes, auf das sowohl die chinesischen als die sämmt= lichen ostindischen, die afrikanischen und amerikanischen Göttinnen des Ueberflusses ihre Füllhörner ausschütten, ist außerordentlich. Unter allen diesen Låden interessirten mich am meisten die der sogenannten,,Ship-Chandlers.",,Chandler" heißt eigentlich ein Lichtzieher oder ein Lichtkrämer, und,,Chandlery" feine Waare, die zunächst in Lichtern, Leuchtern, Laternen, Lampen und sonstigem Leucht-Upparate besteht. Dann aber werden darunter auch allerlei andere, den Schiffen und Schiffern nöthige Dinge verstan den, die man alle mit unter Chandlery begreift.

Die Vergnügungsjachten.

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Alle die kleinen Håfen an der Themse, Woolwich, Gravesend, Chatam, Rochester, stecken voll solcher ChandleryShops. Natürlich findet man sie auch in allen anderen englischen Håfen, und in London wimmelt es förmlich in einigen Quartieren von Schiffsausrüstungs-Magazinen im großartigsten Style. Doch haben die Southamptoner Låden deßwegen manches Eigenthümliche, weil in den benachbarten Gewässern die meisten Vergnügungs-Jachten der vornehmen englischen Herren vor Anker liegen und zu Vergnügungsreisen ausgerüstet werden. Auf einer kleinen Ruderfahrt in der Southampton-Bay besuchte ich mehre dieser Schiffe, die,,Dove," eine zierliche Jacht des Herrn...., die,,Jack o' Lantern" des Colonel S...., die,,Phoebe“ des Lord Orkney und einige andere. Die innere Einrichtung dieser Schiffe, und mehr noch ihr Bau und ihr ganzes Schiffs- und Zimmergeråth ist musterhaft solid und schön. Man sieht in Southampton immer eine Anzahl sehr elegant gekleideter Matrosen umhergehen, in feintuchenen blauen Jacken, in weiten schneeweißen Beinkleidern und mit hübschen runden Biberhüten, große schöne junge Leute. Diese Matrosen sind eben der Lord Orkney, der Lord der Colonel S........ und die anderen reichen Herren, denen jene Jachten gehören und die sich darin gefallen, die Matrosen zu spielen.

Sie kaufen in jenen Låden die ihnen nöthigen Geräthe, die daher in der Regel von beßter Qualität sind. Da wir bei uns solche Låden gar nicht kennen, so will ich einen von ihnen und seinen Inhalt beschreiben.

Zuerst sieht man in ihnen alle möglichen Arten von astro

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