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Die Dole in St. Croß.

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besonderen heiligen Tagen des Jahres Brodvertheilungen an ́alle Armen der Umgegend statt.

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Auch findet an dem Thorwege oder vielmehr in dem kleinen Zimmer des Thorwächters (porter) eine Ver= theilung (a dole) von Brod und Bier an die Vorübergehenden und Einsprechenden statt. Ich erwähnte schon ́ früher bei Beschreibung des Sizes des Herzogs von Suther= land einer solchen Dole. Diese von St. Croß ist die zweite der Art, die ich in England gesehen habe. Doch giebt es ihrer sehr viele. Der Porter hat jeden Tag eine gewisse Anzahl von Kannen Bier und von Laiben Brod zu vertheilen.

Das Bier fand ich in einem metallenen Gefäße neben der Thüre stehen, und das Brod lag zum Theil in Stücken zerschnitten daneben. Der Porter sagte mir, er würde jeden Tag mit der bewilligten Quantität fertig und hätte leider nicht immer genug. Ich war am Morgen gegen 11 Uhr da, und es war nur noch wenig Bier und Brod vorhanden. Ich fürchte, die Abendgåste werden diesen Tag nichts erhalten haben.

Man sollte wohl eigentlich eine Portion dieser zu spen= denden Quantität für den Abend lassen, damit auch die, welche sich am Tage müde gelaufen, etwas fånden. In der Mittagszeit sollte man die Austheilung ganz unterbrechen, weil sie zu diesen Stunden den Leuten am wenigsten nöthig und in der Hige der Mittagssonne vielleicht gar schädlich ist. Um Morgen, wenn die Wanderer sich zur neuen Reise stärken müssen, und am Abende, wenn sie sich durch eine lange Reise Appetit geholt haben, bedürfen sie der Gabe

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Zweckmäßigkeit der Doles.

am meisten. Wie manchem möchte es wohl ein tro stender Gedanke auf seiner Reise sein, wenn er sich der zuversichtlichen Hoffnung hingeben könnte, am Abende in St. Croß einen Labetrunk zu finden.

Diese englischen Doles an den Pforten der Schlöffer und Collegien gehören übrigens gewiß zu den wohlthätig= sten aller Wohlthätigkeitsstiftungen. Man ahmt damit. dem lieben Gott nach, der im Walde und am Wege überall in saftigen Beeren und Früchten dem Wanderer kleine Freuden bereitet und Erquickungen spendet. Wenn es in den Straßen von London nur einige Doles gåbe, um die Urmen vom Hungertode zu retten! Håtte ich das Vermögen dazu, ich würde an allen Wegen der Welt folche Doles anlegen.

Southampton.

Hinter Winchester theilt sich die Eisenbahn in zwei Aeste, von denen der eine auf Portsmouth, der andere auf Southampton führt. Ich eilte zunächst dieser Stadt zu, die entschieden eine der hübschesten in England ist.

Ihre Lage ist äußerst reizend. Alle die fie umge= benden niedrigen Anhöhen sind mit schönem Laubholz besegt. Viele liebliche Landsize sind reichlich dazwischen eingestreut. So wie man aus dem Inneren des Landes hervorkommt, entdeckt man die schönen Gewäffer der Bai von Southampton,,,Southampton Water" genannt. Auf der anderen Seite des Wassers dehnt sich der größte Wald von England aus,,,the New Forest" geheißen, und Southampton selbst, ein freundliches Städtchen ohne Mauern und Thürme, liegt anmuthig mitten inne, dicht am Wasser.

Southampton sieht aus wie ein sehr glücklicher, wohls habender und prosperirender Ort, und der Anschein stimmt Kohl's Reisen in England. III.

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Die Londoner Eisenbahn und Southampton.

hier mit der Wirklichkeit überein. Der Handel der Stadt hat sich in den lehten 10 Jahren beinahe verdoppelt *). Die Vollendung der Eisenbahn von London, durch die nun für manche Waaren eine vierstündige Reise an die Stelle einer oft Tage langen Wasserfahrt auf dem Canal und der Themse nach London getreten ist, hat der Stadt nicht wenig Aussichten eröffnet.

Eine der nächsten Folgen dieser Eisenbahn war die Verlegung der Station für die ostindischen und anderen Paketboote nach Southampton.

Es liegt in der Mitte der südlichen Küste von England, ist rund umher von wohlhabenden Landschaften umgeben, hat so bequeme Gewäffer und Håfen, wie wenige Handelsstädte und besigt weder in Portsmouth noch in irgend einem anderen Nachbar einen Rivalen.

Wenn man dieß bedenkt, so ist das blühende Glück von Southampton kein Wunder. Nur darüber möchte man sich wundern, daß diese Stadt nicht längst schon zu größe= rer Bedeutsamkeit herangewachsen. Es ist immer nur ein Hafen dritter und vierter Classe gewesen. Die Zolleinnahme von London betrug in der Regel über 200 Mal und die von Liverpool 80 Mal mehr als die von Southamp= ton. Selbst mit dem Handel von Hull, Bristol und NewCastle konnte sich der von Southampton nicht im Ent

*) Wenigstens so weit man dieß aus dem Betrage der Einnahme der Mauth schließen kann. Im Anfange der dreißiger Jahre belief sich dieselbe auf etwas mehr als 40,000 Pfund, und im Anfange der vierziger Jahre stieg sie auf nahe an 80,000 Pfund.

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ferntesten vergleichen. Sogar die Mauthen von Exeter, Dover, Gloucester, Whitehaven, Yarmouth und Sunderland brachten mehr ein als die von Southampton. Doch hat es von diesen Håfen dritter Classe in neuerer Zeit viele hinter sich gelassen und wird ohne Zweifel in Zukunft sich noch mehr hervorthun.

Die Stadt Southampton sieht im Ganzen so freundlich und frisch wie eine neue Stadt aus. Jedoch sind einige Ueberreste des Alten, einige antike Gebäude, sehr lieblich mit den neuen Baulichkeiten verbunden. Es ist für die englischen Städte, wie überhaupt für ganz England auch in anderer Beziehung etwas Charakteristisches, daß fich dort überall das Alte mit dem Neuen leicht und schön vermählt.

Eine der interessantesten Antiquitäten ist das alte Thor, das am Anfange der Hauptstraße der Stadt steht und ,,Bar-Gate" heißt. Es befinden sich daran zwei große und grob gearbeitete Figuren. Sie sind den beiden Figu= ren, welche in der Guildhall von London stehen, und welche das Volk Gog und Magog nennt, ähnlich. Ob es noch an anderen Orten Englands ähnliche Riesenfiguren giebt, ist mir nicht bekannt geworden. Diese beiden von Southampton sollen mit der Geschichte des romantischen Helden Sir Bevis von Southamptown zusammenhängen. Dieser in mehren Romanzen besungene Held soll auf seinen abenteuerlichen Zügen zwei Riesen erschlagen haben. Einen von ihnen, der Ascapart hieß, hatte er, ehe er ihn erschlug, eine Zeit lang in seinen Diensten.

Dieser eine interessirte mich besonders, weil er den

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