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,,Unsere Leiden und unsere Rechte."

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des Punch, Oberon aus Eifersucht, um im Stande zu sein, immer fein Auge auf sie zu haben, in Shallabella, Puck in Toby und alle anderen Feeen in,,Follies" (Narren).

Sie werden alle Diener des Punch und beschließen fo= fort, per Dampf von Rom nach London zu fahren, um dort eine Pantomime aufzuführen. Punch verspricht, dazu,,Matter exhaustless" (unerschöpflichen Stoff) zu liefern, in Prosa und in Reimen, und Alles, von der „Incometax" (Einkommentare) bis zu der neuesten Erfindung des Ausbrütens der Eier mit Dampf, darin erscheinen zu lassen.

Punch berührt den Feeenwagen mit seinem Zauberstabe, und derselbe verwandelt sich sofort in einen Eisenbahnzug, Punch's,,Special train“ (Extrazug). Sie steigen ein und brausen davon

,,over hill, over plain,"

over street, over lane"*).

Dieß ist das Vorspiel. Nun beginnt die Pantomime selbst.

Erste Scene.

„Magna Charta,“ ein Meeting der vereinigten englischen Barone in der Coal-hole **), Figwalter ***),,in the chair" (auf dem Präsidentenstuhle). „Unsere Leiden und unsere Rechte," steht in großen Buchstaben an den Coulissen geschrieben, wie denn solche Inschriften an den Wänden bei allen englischen Meetings gewöhnlich zu sein pflegen.

*) Ueber Hügel, über Ebenen, über Straßen, über Gassen. **),,Coal-hole" (Kohlenloch) ist eine berühmte Schenke in London am Strande.

***) Eine bekannte historische Person.

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Mind your P's and Q's..

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Die Barone Figwalter, La Marche, D'Albiney, Tibbs, Tims und Jinks kommen nach einander her= ein, alle mit erstaunlich langen Nasen und riesengroßen Masken. Brobdignac-Masken und lange Nafen sind bei allen Londoner Pantomimen ein gewöhnliches Erforderniß, wie sich denn überhaupt alle englischen, sowie alle französischen Caricaturen-Zeichner und Darsteller außer ordentlich viel mit der Nase zu thun machen.

Einige der langen Nasen der Barone find durch einen bewundernswerthen und mir unerklärlichen Mechanismus vollkommen beweglich und können, je nachdem Verzweiflung, Neugierde, Verachtung oder Stolz ausgedrückt werden soll, mehr oder weniger gerümpft und gestülpt, ganz herabgelassen oder völlig in die Höhe gezogen werden.

Figwalter, der Präsident, stellt nun die Barone in Reihe und Glied und fordert sie auf, Alles, was sie,,auf dem Herzen" haben, zu offenbaren. Sie knöpfen darauf alle ihre Westen auf, und jeder zeigt auf seinem Hemde,,,auf dem Herzen" in großen Lettern eine Silbe geschrieben. Das Ganze bildet den Spruch:

,,We will — make — John shi ver in

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his

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*) Wir wollen Johann zittern machen in seinen Schuhen, wenn er sich nicht in Acht nimmt mit seinen P's und Q's. „Mind your P's and Q's," ist eine gewöhnliche englische Redensart, die so viel bedeutet, als:,,Nimm dich in Acht,“ oder „,,wähle deine Worte besser."

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Baron Figwalter überliest das Ganze, approbirt es und stellt sich ans Ende, indem er auch seine Weste aufreißt, worauf sich auf seinem Busen drei Ausrufungszeichen (!!!) zeigen.

Ein jüdischer Banquier kommt hereingelaufen und vermehrt noch die Unzufriedenheit der Barone, indem er ihnen einen Zahn zeigt, den König Johann ihm ausziehen ließ, weil er nicht auf der Stelle 20,000 Pfund zahlen wollte.

Sie schreiten nun sofort zur Unterschreibung der Petition, welche ihre Beschwerden und Forderungen enthält. Das Tintenfaß wird auf die Seite geworfen, und Figwalter gebietet ihnen, ihre Aermel aufzuftreifen und ihre Federn in ihr eigenes Blut zu tauchen. Da sie sich hierzu nicht verstehen wollen, so läßt der Chairman einen seiner Leute hereinkommen, den er auf der Stelle niederschlägt (knocks him down). Er wird mit seinem blutigen Gesichte als Porzellandintenfaß hingehalten, und die Barone unterschreiben, indem sie ihre Federn in seine Wangen tauchen..

Fiswalter.

,,Worte ohne Thaten find nicht mehr werth als Kaffee ohne Sahne!..!

Drum ho, Baron Smith, entfaltet die heilige Fahne!"

Baron Smith entfaltet die heilige Fahne, auf welcher ein blaues Schwein gemalt ist, und darunter steht geschrieben : ,,The whole hog *).

*),,Das ganze Schwein.",,To go the whole hog" (das ganze Schwein gehen), ist eine gewöhnliche englische - man sagt aus Amerika herübergekommene — Redensart, die so viel bedeutet, als:,,entweder Alles oder Nichts haben wollen.“

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Alle Barone bilden dann ein „melodramatisches Tableau vivant" und marschiren ab.

Zweite Scene.

Banquet-Saal im Schloß Windsor. Es sind Couverte für eine königliche,,Dinner-party“ ausgelegt. Hubert, der könig= liche Haushofmeister, läßt die Speisen auftragen. Kleine Pagen mit enormen Perrücken schleppen die verschiedenen Schüsseln herbei. An jeder der riesengroßen Schüsseln steht angeschrie= ben was sie enthält, z. B.:

"

„Ein Birkhuhn vom Hause der Gemeinen.“

„Eine gebratene Seejungfer von den Singeschulen,” diesen jest so blühenden Schulen, deren neuerdings in ganz England so viele ins Leben getreten sind.

,,Carotten-Suppe von Brighton."

"

Ein Schwan mit zwei Hålsen von Lord —‚—r.“ ,,Noch eine Kleinigkeit," getragen von vier Männern, ,,Magen-Pillen," auf einer großen Schüffel.

,,Ein Rumkuchen von den Mäßigkeits-Vereinen."

,,French Brandy" (französischer Branntwein) von Smithfield in einer enormen Flasche, welche ein betrunkener Page trägt.

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Hubert läßt sich jedes Gericht präsentiren, kostet es und giebt gewöhnlich dem Pagen einen Schlag mit seinem groBen Löffel, damit er dem Koch sage, er folle es ein ander Mal besser machen.

Dann kommt die Musik. Vor ihr her tanzt das Conterfei eines in London wie in Paris wohlbekannten französischen Concertmeisters,,gekleidet in das Costüm der Zeit,“ d. h.

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in einer Weise, die eine groteske Caricatur auf den franzö sischen Geschmack ist.

Ihm folgt die Hofkapelle, d. h. ein einziger großer Mensch, der Trompeten, Cymbeln, Trommeln, Becken, Maultrommeln, Flöten, Violine, Dudelsack und Triangel auf ein Mal spielt. Sein Programm zeigt:

,,Incometax-Quadrillen.“

Darauf ziehen die königlichen Minister und vor allen der Lordkanzler mit einem großen Bündel von Siegeln und Schlüsseln auf seinen Schultern herein, und dann König Johann und die Königin, ebenfalls in Brobdignac-Masken Brobdignac ist Londoner Styl.

Beide stellen ihre Scepter in den

Regenschirmhalter

und hängen ihre Kronen an den Hutnägeln des Zimmers auf. Hinter der Königin her gehen die Hofdamen, Papageien, Affen, große Pudel und Bullenbeißer wie Schooßhündchen auf sammetnen Kissen hereintragend.

Kaum sizen sie bei Tafel, so verlangt die Königin zu trinken, und der König ruft:,,Champaign iced !*) (geeister Champagner!). Hubert läßt der Königin den ChampagnerKork, der mit einem Pistolenschuß losgeht, ins Auge fliegen, das ihr sogleich dick aufschwillt,

Die launigen und groben Späße bei der Tafel find ohne Ende, bis auf ein Mal die unzufriedenen Barone sich unten im Schlosse anmelden, ihre Visitenkarte heraufschicken

*) Ein nicht seltener Rufin den vornehmen Wirthshäusern von London.

Kohl's Reisen in England. III.

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