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Windsor-Castle.

Die Stadt Windsor und der das Collegium umgebende Ort Eton find ganz Eins, und man geht durch eine ununterbrochene Häuserreihe zur Brücke der Themse, auf deren einer Seite jene Stadt mit dem Residenzschlosse der Monarchen von England liegt, wie auf der anderen Eton mit seinem Collegium, dessen Gebäude man von den Fenstern des hochgelegenen Schlosses aus immer vor Augen hat. Auch dieß ist ein bemerkenswerther Umstand in der Geschichte des großen Reichsgymnasiums — so kann man Eton wohl nennen, daß die Jugend des Landes darin gewissermaßen vor den Augen des Monarchen und in der Nähe seines Hofes aufwächst. Die Monarchen haben daher selbst immer sehr viel directen Antheil an der Entwickelung dieses Instituts genommen und sind selbst oft mit den Personen, die bestimmt waren, dereinst in ihrem und des Landes Dienste große Rollen zu übernehmen, und ihren Schulleistungen persönlich bekannt ges worden.

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Die armen Ritter von Windsor.

Das Schloß Windsor liegt auf dem Gipfel derjenigen Anhöhe, die schon innerhalb der Stadt Windsor selbst sich zu erheben anfängt. Es bietet in seiner Lage und der Art seiner Architektur denselben Anblick dar, den so viele Stadtschlösser in England gewährten. Es ist ganz in dem= felben Genre erbaut, wie sie alle. Nur ist es theils von außen viel größer, viel bunter, viel componirter als sie alle, theils im Innern natürlich viel prächtiger und großartiger, theils auch in Bezug auf seine Situation und Umgebung viel malerischer und reizender. Der Haupteingang und Thorweg der ersten Gehöfte liegt nach der Stadtseite zu, und man steigt von hier allmählig zu den etwas höher gelegenen Gehöften auf, und die Haupttheile des Gebäudes und seine vornehmsten Fronten wenden sich gegen die schroffe Seite dieser Anhöhe.

Das Erste, was sich gleich in dem vordersten Gehöfte, nicht weit vom Einlaßthore, darbietet, ist die Capelle des Schlosses. Vor dieser Capelle machten wir die Bekannts schaft von einem von ,,Her Majesty's Poor Knights" (Ihrer Majestät armen Rittern), einem zur Ruhe gesehten Mas rine-Offizier, der vor der Capelle auf und niederging, wie er sonst wohl auf seiner Fregatte oder seinem Dreidecker auf- und niederzugehen pflegte. Diese,,Poor Knights of Windsor (Milites pauperes) find eine wohlthätige Stiftung Eduard's III., in welcher etwa 18 alte, zum Dienste untauglich gewordene Offiziere von den aus vers schiedenen Quellen fließenden Einkünften unterhalten werden. Sechs sind aus der „Navy" (Flotte). Sonst trugen diese,,Poor Knights" eine eigene altmodige Uniform,

Das Collegium von St. George.

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die erst William IV. eingehen ließ, so wie er gleichfalls auch den Titel,,Poor Knight" in,,Military Knight" umånderte. Sie tragen nun die Uniform ihres Ranges. Es giebt, glaube ich, nicht viele solche Anstalten in England für die Offiziere der Armee, und unser Freund erzählte uns, daß es ihm sehr viel Mühe gekostet habe, ein Mitglied derselben zu werden. Es wären nicht weniger als 90 Candidaten mit ihm für die eine vacante Stelle dagewesen. Aber,,the Duke of Argyle got him in" (der Herzog von Argyle brachte ihn hinein). Die Ritter wohnen in einem Theile des Schlosses, der ganz nahe bei dem erwähnten großen Eingangsthore ist.

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Es giebt noch andere wohlthätige Stiftungen in dem Schlosse selbst, z. B. das Collegium von St. George, gleichfalls von Eduard III. gestiftet. Es leben daselbst von den Einkünften einer Stiftung nicht weniger als 1 Dechant, 12 Canonici, 7 Minor-Canonici, 12 Clerks, 1 Organist, 10 Choristers, 1 Steward, 1 Schagmeister, 1,,Steward of the court, 1 Capitel-Clerk, 1 Sånger, 1 Stabtråger, 2 Küster, 2 Glockenläuter, 1 Thürhüter. Diese gu= ten Leute haben wenig zu thun, was nicht auch allenfalls ungethan bleiben könnte; höchstens 3 oder 4 Mal im Jahre predigen sie, und dafür beziehen sie außerordentliche Einkünfte. Nach der neuen Kirchenreformbill sollen fie allmählig eingehen, und zwar auf die Weise, daß immer statt zwei verstorbener nur ein neuer gewählt wird, und so fort, bis sie auf 4 herabgekommen sind, und dann sollen diese 4 denselben Dienst versehen, den bisher die 12 versahen, und die ersparten Gelder sollen für arme CuKohl's Reisen in England. III.

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raten, schlecht besoldete Vicars und dergleichen verwandt werden.

Der Morgendienst in der Kirche fing endlich an. Wir konnten eintreten und ihm beiwohnen, wie ihm auch täglich eine Partie der alten,,Poor Knights" beiwohnt. Wir schritten über einige Gråber dieser ,,armen Ritter" hinweg, die merkwürdiger Weise diesen Titel, der nach unserer Ansicht für einen Militår etwas erniedrigend klingt, sogar auf ihre Gråber eingemeißelt hatten, in das Innere der Kirche hinein.

Diese Windsor-Capelle ist eines von denjenigen gothischen Gotteshäusern, die zu betrachten man nicht leicht satt wird. Besonders hübsch ist das Gewölbe der Kirche verziert. Die Rippen und Leisten der Pfeiler, welche die Decke tragen, zweigen sich oben wie Palmbäume auf eine ganz eigenthümlich elegante Weise auseinander, indem sie so das Kirchendach tragen. Zwar findet auch bei unseren gothischen Kirchen oft eine gewisse Verzweigung der Pfeiler statt, aber die Rippen verlieren sich viel eher in der Fläche. Die englischen Baumeister haben dieser Verzweigung in vielen ihrer Kirchen eine besondere Eleganz gegeben. Sehr regelmäßig und in großer Anzahl gehen sie oben hübsch geschweift aus einander und verbreiten sich in einem regelmäßigen Kreise weit unter dem Dache hin, wie die beistehende Figur zeigt:

Der Strumpfband-Orden.

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Da diese Rippenkreise oft zusammenstoßen, so sieht es aus, als ob das Dach aus einer Menge regelmäßig verbreiteter Zweigbüschel geflochten sei.

Bei keiner englischen Kirche ist dieser eigenthümliche englisch-gothische Schmuck (wegen seiner häufigen Wiederkehr kann man ihn so nennen) so prachtvoll wie bei der St.-Georgs-Capelle von Windsor, die überhaupt das schönste von allen Gebäuden auf Windsor-Castle ist.

Eduard III. baute diese Capelle, wie es derselbe König war, der die,,Poor Knights" stiftete und das Collegium gründete. Eduard III. ist einer der gepriesensten Namen auf Windsor-Castle.

Eduard III. war es auch, der,,the most honourable and noble Ordre of the Garter (den sehr ehrwürs digen und edlen Orden des Kniebandes) stiftete, einen der vornehmsten und auf die geringste Anzahl von Personen beschränkten Orden von Europa, dessen Heiliger der Heilige des Reichs, St. Georg, ist. Die Wappen und Namen der Ordensmitglieder sind alle in dem schönen Chore der Kirche aufgestellt und zwar so, daß dem Altare gegenüber vor der Orgel die Wappen des Souverains und der Prinzen vom Geblüte stehen. Man hatte hier auch schon für den Helm des kleinen Prinzen von Wales einen Plaß bereitet.

Der Gottesdienst dauerte etwas lange, wie es gewöhn lich beim englischen Gottesdienste der Fall ist. Ich bemerkte da= bei, daß sie hier, was jezt in einigen englischen Kirchen eingeführt ist,,,Umen" statt,,Aemen!" fangen. Die „Prayerbooks" (Gebetbücher) waren noch die alten von George's und William's IV. Zeiten. Da nun aber in den Gebeten

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