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Geldnoth des Reisenden.

englischen Kutscher etwas von diesem Buche zu Ohren kommen, damit er mich einigermaßen entschuldige. Nur indem ich einer schwachen Hoffnung darauf mich zu übers lassen wage, habe ich mir hier eine Ausnahme von der sonst von mir befolgten Regel erlaubt, nichts zu erzählen, was den fremden Leser gar nicht interessiren kann.

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Ein Stoß, ein Ruck, und husch! husch! husch! sch! sch! und die Locomotiven der Great-Western-Bahn hatten uns durch Wiltshire nach Eton in Buckinghamshire gebracht, wo ich diejenige berühmte englische Schule ansehen wollte, die als eine Vorschule für Orford und Cambridge für den jenigen, der diese Universitåten besucht hat, von um so größerem Interesse ist.

Ich kam in Eton gerade zur rechten Zeit an, um die Be kanntschaft aller dortigen Schüler und Lehrer auf ein Mal zu machen. Denn sie waren eben allesammt, etwa 650 an der Zahl, in der Capelle versammelt, um mit ihrem Nachmittagsgottesdienste ihr Tagewerk zu beschließen.

Diese Capelle ist das merkwürdigste Gebäude in Eton und gewissermaßen das Wahrzeichen dieses Ortes, benn man sieht überall ihr hocherhabenes Dach aus der lieblichen Ebene, durch welche die Themse ihre Wellen ergießt, hervorragen. Ich ging auf den Orgelchor, von wo aus man das ganze Innere übersehen konnte. Die

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Die Capelle von Eton-College.

Capelle oder vielmehr Kirche, denn der Größe nach

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verdient

fie ist 175 Fuß lang und dabei sehr hoch fie diesen Namen, bietet inwendig einen großen, freien, durch keine Pfeiler und Nebenschiffe getheilten Raum dar, und man übersieht mit einem Blicke, was in dem ganzen Raume vor sich geht. Sechshundert junge frische Leute, ohne Zweifel die Blüthe der englischen Schuljugend, auf keiner der anderen berühmten englischen Schulen finden sich so viele Schüler und zwar aus den ersten Familien des Landeswaren hier im Gebete versammelt, die meisten in derjenigen Knabenkleidung, welche in England gewöhn lich ist, einige aber in einem alten Costüme, das mit dem alten gothischen Gebäude eben so gut harmonirte wie die Anordnung ihrer Sige nach Rang und Würden. Die Meister und Häupter des Collegiums saßen in der obersten Reihe der Bänke, ihnen zunächst die Söhne der,,Noblemen," weiter unten die gewöhnlichen Schüler und zulegt diejenigen armen Schüler, welche von (der] Unstalt unterhalten werden. Uns kommt eine solche Abtheilung der Schüler ungewöhnlich und unerhört vor. Den Enge ländern scheint sie in der Ordnung und den alten Ges brauchen gemäß.

Es ist ein ergreifender Unblick, so viele blühende und hoffnungsvolle Jünglinge bei einander zu sehen und besonders hier in Eton-College, dessen Annalen bisher immer bewiesen haben, daß, wer zu irgend einer Zeit seine 600 Schüler beisammen fah, immer eine ziemliche Partie von Personen ers blickte, deren Leben und Namen einst durch ausgezeichnete Kriegs- oder Friedensthaten auf dem ganzen Globus

Der Headmaster von Eton.

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bekannt werden sollten. Wie viele berühmte Rechtsgelehrte, wie viele ausgezeichnete Staatsmänner, Kirchenhäupter, Feldobersten, wie viele Generale und Feldmarschälle für die indischen, chinesischen und amerikanischen Schlachtfelder empfingen ihre erste Bildung hier in Eton und lagen täglich Morgens und Abends in dieser Capelle betend auf den Knieen, und wie viele solcher tüchtigen Männer, solcher dereinst gepriesenen und einflußreichen Helden und Staatslenker, Redner und Gesetzgeber liegen auch jest wieder dort singend und betend auf den Knieen, als Ruhmesknospen, in kleinen kurzen blauen Jacken, die sie viels leicht einst mit der Admiralsuniform, in blonden frischglänzenden Jugendlocken, die sie vielleicht einst mit des Kanzlers langer Allongenperrücke, auf hölzernen Bänken, die sie vielleicht einst mit dem Wollfacke im Parliamente vertauschen werden.

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Als die Kirche aus war, hatte der liebenswürdige Dis rector der Schule, der hier, wie bei den meisten englischen Gymnasien, den Titel,,Headmaster" führt, die Güte, mich in den verschiedenen Theilen des Collegiums herumzuführen. Die Gebäude der Schule sind ziemlich weitläufig und bilden zwei große Quarrees, und das Ganze gleicht in seinen Hauptzügen ganz einem der von uns geschilderten Orford's fchen Collegien.

Die innere Einrichtung der Schule gleicht ebenfalls ganz der eines Orford'schen Collegiums. Auch in Eton giebt es eine,,Fundation," wie in jenen Collegien, auch hier wie dort Fellows, Choristers, Scholars 2c., die von dieser Fundation erhalten werden, und andere Mitglieder des Collegiums,

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Erste Bestimmung von Eton-College.

die nichts von der Fundation genießen, sondern zu bezahlen haben, welche Lehteren eben den größeren Theil der Schüler bilden. Die Stiftung stammt bekanntlich von Heinrich VI. her, dessen Statue in der Mitte des einen der Gehöfte steht. Das Ganze wurde nach dem Plane des berühmten Wykeham angelegt, von dem noch jest in England die Schüler von Winchester - College Wykehamisten genannt werden. Dieser Plan bestand darin, daß ein Gebäude errichtet werden sollte für die Aufnahme von 25 armen GrammatikSchülern (poor grammar-scholars) und 25 armen, altersschwachen Männern, „um für den König zu beten.“ Die Al= ten verbanden in ihren Wohlthätigkeitsanstalten die Personen und Dinge wirklich nach einer sonderbaren Logik. Verbrecher findet man mit Schuldnern, Gefangene mit Kranken und Irrsinnigen, — Arme mit Kranken und Verbrechern gepaart, lauter Personen-Kategorieen, die wenig oder gar keine Verwandtschaft mit einander zu haben scheinen. Aber junge Leute, die etwas lernen sollen, und altersschwache Männer, die für den König beten sollen, in einer Anstalt zu versammeln, das scheint eine Verknüpfung sehr fremdartiger Dinge zu sein. Jeht existiren diese „poor and infirm men" nicht mehr, und das Ganze ist jest folgendermaßen zusammengefeßt.

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An der Spike des ganzen Collegiums stehen ein „Provost“ (Propst), ein Viceprovost und dann sechs Fellows, die im Collegium wohnen, übrigens aber mit der Schule selbst fast nichts zu thun haben. Gewöhnlich besigen sie außer ihrer Wohnung und ihren Einkünften im Kloster auch noch Pfarren oder Pfründen (livings)

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