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Die Gouvernante eines Farmers.

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den,,Rudiments" der französischen Sprache unterrichtete und die nicht wenig froh zu sein schien, diese Rudiments für ein paar 'frohe Stunden im Rücken zu haben. Sie hatte alle ihre beßte,,Toggery" bei sich, Hutkasten und Kleiderschachteln und Kisten. Sie sagte mir, daß Französisch jezt fast bei allen Farmers gelernt würde. Nach dem Französischen würde von den Gouvernanten, selbst unter den geringeren Stånden, am meisten Italienisch verlangt. Ich fragte sie:,,auch Deutsch?" „O nein," antwortete sie, ,,Deutsch nicht! Das ist jezt mehr unter der Gentry und dem Adel Mode."

Sie hatte den größdie ich ihr nannte,

Ich sprach mit ihr auch von Politik und merkte bald, daß sie eine sehr große „Tory“ war. ten Abscheu vor allen Whignamen, und sie sagte mir, daß sie ihr ganzes Leben unter ,,farming gentlemen" zugebracht habe, und daß in den Familienkreisen dieser Männer, da sie sämmtliche „,Out-andout-tories" (von außen und innen Tories) wåren, alle jene Namen, die von mir genannt worden seien, in sehr geringer Achtung stånden.

Sie war gesprächig, wie man sich nur irgend eine Französin denken kann, und ihre Ausdrücke waren manchmal sehr originell. Von der französischen Sprache sagte fie, daß sie viel mehr Artigkeit habe als die englische. ,,We English speak much more straight forward" (wir Engländer sprechen weit mehr gerade aus). Ich fragte fie, wie sie das meine. „Ja z. B.," erwiderte sie,,,wenn die Franzosen sprechen: Mille remercimens, Monsieur", fo fagen Kohl's Reifen in England. III.

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,,Bath is like any thing."

wir bloß:,,thank you!" Oder wo die Engländer straight forward fagen: „No sir!" da sehen die Franzosen noch Allerlei hinzu." Unendlich viel wußte sie mir von der Stadt Bath zu erzählen. Es ist," sagte sie, „der schönste Ort in England, er besteht nur aus herrlichen Gebäuden, und alle Häuser der Stadt haben eine wunderschöne Lage, ihm gleicht keine Stadt in England (there is nothing like Bath)," und seßte dann, nach der englischen Ausdrucksweise dieser Leute mit der umgekehrten Phrase dasselbe noch verstärkend, hinzu:,,Bath is like any thing" (Bath gleicht jedem Dinge), womit sie sagen wollte:,,Bath kann jeder Stadt die Spiße bieten." In der Gegend, wo fie lebe, erzählte sie weiter, seien voriges Jahr zwei Brücken durch eine Wasserfluth zerstört, aber noch nicht wieder hergestellt worden, weil die Leute sich nicht zu der Aufbringung der dazu nöthigen Gelder entschließen könnten (they could not make up their minds to repair the bridges). Ueberhaupt seien unter ihren,,farming gentlemen" immer viele streitsüchtige und widerspånstige Leute.,,There are some, who always love to be in the law" (einige lieben es, immer im Gefeße zu sein, d. h. Processe zu haben), ,,and some also like to take the law in their own hands" (und einige lieben es auch, das Geseß in ihre eigene Hand zu nehmen, d. h. sich selber Recht zu verschaffen). Aber diese kommen dann schlecht weg,,,when the judges go their circuits" (wenn die Richter ihren Umgang halten, d. h. wenn sie zu den Assisen kommen).

In Devizes fand ich des Weihnachtsfestes wegen Alles mit

Der Lorbeer als Weihnachtsschmuck.

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Lorbeerzweigen geschmückt. In den Schlächterboutiquen war jedes der fetten geschlachteten South-Downs mit einem Lor beerzweige besteckt. Jeder Ochsenbraten hatte einen Lorbeers zweig in den Lenden, und die Schiffe, die auf den Canålen vorüber passirten, hatten die Enden ihrer Steuerruder und ihrer Masten ebenfalls mit Lorbeerzweigen geziert. Da ich noch einige Zeit hatte, bevor ich von hier zu dem abseits vom Wege liegenden Landsige abfahren konnte, so blickte ich etwas in die Londoner Journale, die jezt voll von Weihnachtsnachrichten waren.

Es ist unglaublich, wie viele Dinge zu jeder Jahreszeit in diesen Journalen besprochen und ans Tageslicht gebracht werden. Jest waren, wohin ich blickte, so viele Dinge über Weihnachten und über allerlei mit diesem Feste zusammenhängende Vorfälle und Sitten darin, daß, wenn man Alles, was sich in den Journalen auf dieses Fest bezog, håtte heraussuchen und zusammenstellen wollen, dieß allein ein lehr und inhaltreiches Buch gegeben haben würde. Könnte man die Bemerkungen und Beiträge zur Landesund Sittenkenntniß, welche die Londoner Journale jedes Jahr bei jedem wiederkehrenden Tage oder bei jedem wichtis gen Vorfalle geben, aus dem Wuste anderer Dinge, unter denen fie vergraben sind, herausbringen, so gewanne man den schönsten Stoff zu einer englischen Sittengeschichte. Allein da Alles in kleinen Brocken in den ungeheueren Papiermassen begraben liegt, so ist es unerreichbar und so gut wie verloren, Ueber die ,,Christmas-boxes," welche bei den Londoner Banquiers üblich sind, fand ich folgende Notiz. Die,,Depositars (diejenigen Herren, welche ihr Geld bei

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Die Christmas-boxes der Depositars.

den Banquiers stehen haben) schenken den Clerks bei ihren Banquiers,,Christmas-boxes" von 2, 3, 4, 8 bis 10 Guineen. Diese Geschenke haben sich als ein Gebrauch, oder vielmehr als ein Mißbrauch, den man nun nicht mehr wohl umgehen kann, eingeschlichen, da die Clerks jest diese Geschenke als einen schuldigen Tribut erwarten. Weil manche Banquiers wohl an 1000 Depositars haben, so steigt die Summe, welche einem einzigen solchen Hause an Weihnachtsgeschenken bezahlt werden muß, oft bis auf 4000 bis 5000 Guineen, und es ist also durch diese Sitte eine ziemlich schwere Tare dem Verkehre mit den Banquiers aufgelegt."

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Nachdem ich dann noch einige,, curious facts, strange stories, extraordinary circumstances, dreadfull occurrences, singular incidents, horrible accidents" Dinge, von denen die englischen Journale eben so voll sind wie die englischen Suppen von ,,black pepper" (schwarzem Pfeffer) — mit in den Kauf genommen hatte, machte ich mich zu meinem Weihnachtsfeste nach Bowood auf den Weg.

Bowood ist ein in jeder Hinsicht so reizender, so genußreicher Aufenthaltsort, seine Gebäude sind so geschmackvoll, práchtig und großartig, seine Parks so lieblich, seine Bibliotheken und Gemäldesammlungen, die in der Wagen'schen Schilderung der britischen Landsiz-Museen unverzeihlicher Weise nicht erwähnt sind, so interessant und ausgezeichnet, sein Besizer ist ein durch seinen Charakter wie durch seinen politischen Einfluß so hochgestellter Mann, daß ich eine Schilderung von diesem Allen geschickteren und unparteiischeren Federn

Christmas-dinner.'

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überlasse, als es die meinige ist, die sich immer` scheut, das zu beschreiben und zu besprechen, was sie verehren und hochachten lernte. Nachdem ich einem englischen,,Christmasdinner beigewohnt, nachdem ich auch ein solches hübsches Fest mit angesehen, wie die englischen Damen, selbst die vornehmsten, es den Kindern der Armen in ihrem Hause selber bereiten, nachdem ich die herrlichen Gemålde von Ruisdael, von El Mudo, von Rembrandt, die sich hier beständig um den Frühstückstisch versammeln, tåglich bewundert und mich an den sommerlichen Weihnachten in dem Bezirke eines großen englischen Parkes hinreichend erfreut, nachdem ich auch dadurch, daß mir gerade an diesem Punkte mein Geld ausging, in sehr viele Verlegenheiten gerathen war und mich daher in Mitte des größten Comforts theilweise sehr uncomfortable befunden hatte ich berechnete, daß ich erst in Eton einen Freund finden würde, dem ich mich ohne Scham wie kommt es doch, daß man in Bezug auf Geld immer so schamhaft ist, als wenn es eine große Schande wäre, kein Geld bei sich zu haben? —entdecken könnte, und daß ich gerade bis dahin und nicht weiter die Reisekosten auf der Eisenbahn zu bezahlen im Stande sei nachdem, sage ich, ich dieß Alles gesehen, erfahren und empfunden, fuhr ich wieder zu derjenigen, schon erwähnten kleinen Stadt, die jezt statt Wollenzeuge Käse macht, nach Chippenham, wo ich meinem Kutscher nicht einmal, wie es eigentlich billiger Weise hätte geschehen sollen, mit ein paar Schillingen den Abschied verfüßen konnte, welch traurige Rolle spielt doch der Mensch ohne Geld in der Tasche! Möchte doch diesem guten

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