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dunkle Farbe von der frischen grünen Farbe des Wiesenbodens rundumher melancholisch absticht.

Auch wenn man nåher kommt, will sich noch nichts Großartiges und Imponirendes herausbilden, und man muß erst mitten unter die Steine selber treten' und zu überlegen anfangen, wie wohl die alten Briten mit ihren rohen, maschinenlosen Hånden dieses Werk zu Stande brachten, um damit den Anfang zur Bewunderung des Ganzen zu machen. Ich habe nie ein großes Menschenwerk gesehen, das eine so unvortheilhafte Lage hätte, wie Stonehenge. Es liegt mitten in der Ebene, als wären die Steine nur gelegentlich und zufällig dahin gelegt worden, und als sollte das Gebäude selbst erst auf einem der Hügel, die sich in der Nachbarschaft befinden, zusammengeseßt werden.

Meine erste Bemühung ging dahin, die Summe der Steine zu ermitteln, und ich fing daher an, sie zu zählen, Hierüber lächelte der alte Schäfer, den wir mit seiner Herde neben den Steinen trafen. Denn, fagte er, ich würde nie damit zu Stande kommen. Noch Niemand habe die Steine von Stonehenge zählen können. Es sei eine Eigenthümlichkeit derselben, daß man sich immer bei ihrer Ueberzählung irre und jedes Mal, wenn man sie wieder überzähle, um zu sehen, ob man sich nicht geirrt habe, eine andere Zahl herausbringe. Ich erfuhr spåter, daß diese Idee nicht ein besonderer Einfall unseres Schás fers, sondern ein allgemeiner Glaube des umwohnenden Volkes fei.

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plan von Stonehenge.

Ich zählte zwar weiter, fand aber, daß die Sache in der That nicht so leicht sei, denn indem ich zählte, verfiel ich auf allerlei Zweifel. Ich fand Steine, die umgefallen und halb im Rasen versteckt waren, und die ich nicht sogleich entdecken konnte, andere, bei denen ich zweis felhaft wurde, ob ich sie für ganze Steine oder nur für Steinbrocken halten sollte, noch andere endlich, die in einiger Entfernung zur Seite lagen, und bei denen ich nicht zu entscheiden wagte, ob sie zum Gebäude selber gehörten oder nicht. Im Ganzen aber zählte ich, alle Steine, kleine und große, stehende und liegende, sowie auch die großen Bruchstücke mitgerechnet, etwa 140.

Es scheint, daß ursprünglich diese Masse von Steinen folgendermaßen geordnet war. Es stand erstlich eine Reihe von aufrechtstehenden langen großen Blöcken, etwa 40 an der Zahl, im Kreise rundherum. Innerhalb dieses Kreises befand sich ein Kreis von kleineren Blöcken, die aber ebenfalls in der Erde standen und pfeilerartig emporgerichtet waren. Der größere Kreis der größeren Steine hat, da er beinahe vollkommen regelmäßig ist, in allen Dimensionen 40 Schritt im Durchmesser. Um ihn herumgehend fand ich, daß fein Umfang etwa 130 Schritt sei, was einigermaßen mit jenem Durchmesser stimmt. Ganz genau lassen sich diese Dinge hier natürlich nicht ausmessen. In einer Entfernung von 40 Schritten von dem Rande des äußersten Steinkreises befindet sich ein niedriger Wall und flacher Graben, die beide noch deutlich überall im Rasen zu ers kennen sind und das ganze Gebäude eincirkeln. Dem Ge sagten nach hat dieser Wall und Graben etwa 370 Schritte

Dimensionen der Steine.

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im Umfang. Der einfache Grundplan des ganzen Bauwerks ist also ungefähr dieser:

Einige vermuthen, daß auch in der Mitte des kleinen Eirkels oder im Eentrum des Ganzen noch irgend etwas, ein großer Stein oder ein Hauptaltar, gestanden habe. Le= kanntlich findet sich diese Cirkelform bei allen druidischen Steinzusammenstellungen in Britannien und Eallien, wie dieß auch bei den skandinavischen Steinzusammenstellungen der Fall ist.

Ich sage, ungefähr nåhme sich der Plan, nach dem die alten Druiden bauten, so aus. Denn allerdings kann man bemerken, daß es bei dem Graben, wie bei dem Wall und auch bei den Steincirkeln besondere Thore und Einlässe gab, die wir hier nicht angegeben haben.

Der große Eirkel und seine großen Steine sind nun eigentlich die Hauptsache. Diese großen Steine ragen etwa 20 bis 22 Fuß hoch aus dem Boden hervor, stecken aber dann noch einige Fuß tief in der Erde. Ihre Gestalt ist mehr oder weniger vierseitig - prismatisch, aber natürlich ziemlich unregelmäßig und roh zugehauen. Sie sind untereinander fast gleich dick, gleich breit und gleich lang. Ihre Dicke beträgt 3 bis 3% Fuß, ihre Breite 6 bis 7 Fuß, ihr Umfang also 18 bis 21 Fuß. Sie

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Kron- und Gerip psteine.

sind alle mit ihren schmalsten oder dünnsten Seiten neben einander gestellt, doch so, daß etwa ein Raum von 4 bis 5 Fuß zwischen ihnen bleibt.

Oben sind die großen Steine glatt, und auf je zwei benachbarten ist immer ein großer Querstein niedergelegt. Diese Quersteine sind ungefähr halb so groß wie die aufrecht stehenden. Die Quersteine nennen sie,,cronet-stones" (Kronsteine) und die sie tragenden Pfeiler oder die großen aufrecht stehenden Steine ,,corse-stones" (Gerippsteine). Jeder Gerippstein trägt dem Gesagten nach die Enden von zwei Kronsteinen, und die Sache nimmt sich also ungefähr so aus:

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Das Gewicht jedes Gerippsteines wird von Camden, der übrigens sonst wenig Genaues über dieses Monument berichtet, zu 12 Tonnen, d. h. 140 Centnern oder 24,000 Pfund angegeben, und das Gewicht jedes Quersteines zu etwa 6 bis 7 Tonnen oder 12,000 Pfund. Es sind diese Gewichtsangaben wahrscheinlich ziemlich zutreffend, doch vermuthlich eher etwas unter als über der Wirklichkeit. Denn nach unseren Maßen, wenn wir 4 Fuß im Boden stecken lassen, muß jeder der großen Gerippsteine wenigstens 500 Cubikfuß Inhalt haben, und 2 bis 22 Cubikfuß

Die Ineinanderfügung der Steine.

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von diesem Stein wiegen ohne allen Zweifel mehr als einen Centner.

Das Merkwürdigste bei dieser Zusammenstellung der Steine ist ihre Ineinanderfügung. Die alten druidischen Baumeister haben sich nämlich nicht damit begnügt, sie bloß lose auf einander zu legen, sondern sie haben sie auf eine sehr rohe, aber eigenthümliche Weise in einander verzapft. An beiden Enden jedes Quersteines ist ein Loch ausgearbeitet und dann an beiden Enden jedes Gerippsteines ein Zapfen angebracht, der in jenes mit ihm correspondirende Loch ungefähr hineinpaßt, etwa so:

Diese Zapfen müssen ihnen unendliche Mühe gemacht haben, da sie sie aus dem groben und dicken Stücke hers ausmeißeln und alle Materie rundumher weghåmmern mußten. Man sieht diese Zapfen nicht nur deutlich an eis nigen umgeworfenen Steinen, sondern man kann sie auch so wie die Löcher von unten herauf an einigen ganzen und aufrecht stehenden Steinen erkennen, weil bei der rohen Anfertigungsweise des Ganzen Alles nur so halb und halb aufeinander paßt.

Es bleibt ein kleines Räthsel, wie die Leute es ans fingen, diese großen Quersteine von 6 bis 7 Tonnen oder von 120 bis 140 Centnern Gewicht auf ihre 20 Fuß hohen Kohl's Reisen in England. III.

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