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Der Cant der Zigeuner u. ihr Gewerbe.

mer Diebe, fie treiben sich nicht unter einander an zum Stehlen, und die meisten von ihnen, wenn sie einen Underen stehlen sähen, würden von ihm Uebles sprechen, aber wenn sie es selbst thun könnten, so würden sie es nicht unterlassen. (Ganz dieselbe Weise haben sie in Ungarn und Rußland). Die Zigeuner haben einen ,,Cant" (einen besonderen Ausdruck) für jedes Ding (d. h. wohl mit anderen Worten, sie haben ihre eigene Sprache). Doch ist dieser Nomaden-Cant (vagrant cant) von einem viel ge= meineren und niedrigeren Style als der gewöhnliche Diebes-Cant."

Die meisten von ihnen leben vom Prophezeien. Sie machen Ringe von messingenen Knöpfen, und die Weiber verkaufen fie für goldene und filberne. Sie führen Feilen und andere Werkzeuge mit sich, um sie auszuschneiden. Viele von ihnen machen auch falsches Geld. Entweder münzen sie das Geld an abgelegenen Orten, oder sie kaufen es von den Händlern in den Stådten in rohem Zustande und machen es dann selbst fertig. Dieß Gewerbe ist sehr stark betrieben im Sü den und Westen von England, so wie auch in Suffer, Effer, Kent und Surrey. Sie haben keine Religion (wie in allen Låndern der Welt), sind große Flucher, gehen immer familienweise, heirathen sich nie, sondern paaren fich bloß. Viele von ihnen sind insbesondere Schafdiebe. Die beiden Familien der Borslams und Smiths, ungefähr 60 Individuen, treiben sich in Nottinghamshire und Derbyshire herum. Dort ist kaum eine Assise oder Gerichtsfizung, ohne daß einige von dieser Race gefaßt wer

Lebensweise der Zigeuner.

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den. Wenn der Winter sehr streng ist, so leben sie in Städten. Wenn sie draußen sind, so ist die ganze Familie immer unter einem Zelte. Sobald fie alt genug sind, paaren fie fich (they pair), und wenn sie sich einander nicht mehr leiden können, so geht nach einer Prügelei die Frau zu ihrem eigenen Stamme zurück, und der Mann wählt sich ein anderes Weib. Sie spielen Karten und trinken an Sonntagen, während die gewöhnlichen,,Travellers" (wandernde Diebe), welche keine Zigeuner sind, an Sonntagen kein Geschäft thun (will not do business)."

„Die größten Falschmünzer in England sind die Zigeuner. Sie führen die Formen und Stempel zu diesem Gewerbe immer mit sich. Sie können die Sache besser als Andere geheim halten und im Verborgenen betreiben. Sie verkaufen die Münzen nie, sondern machen sie nur zu ihrem eigenen Gebrauche. Sie stopfen dieselben in einen Strumpf, halten sie warm und lassen sie durch eine rohe Kartoffel gehen, bevor sie sie ausgeben, um ihnen das Ansehen alter, längst gebrauchter Münzen mitzutheilen."

,,Sehr selten sind die Zigeuner in der Nacht in ihrem Zelte. Sie kehren gewöhnlich erst gegen Tagesanbruch nach Hause zurück. Die Weiber und Kinder schlafen immer in nacktem Zustande. Die Zigeuner haben ihre Clans unter sich. So giebt es den Elan der Coopers, der Stanleys, der Bucklands, der Borslam*). Der alte Borslam, einer ihrer Hauptanführer, trågt große, dicke Sil

*) unter diesen Namen ist nur der legte ein solcher achter zigeunerischer, wie man sie in Ungarn hört.

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Zauberkünfte der Zigeuner.

berknöpfe an seiner Jacke, so dick wie halbe Kronen. Die Zigeuner nennen sich unter einander Brüder und Schwestern und unterstüßen einander und helfen sich überall durch. Sie sind aber nur gegen ihre eigenen Leute so hilfreich. Daher mag es auch kommen, daß ein Zigeuner sich nie in Verzweiflung und Elend befindet. Sie sind im Allgemeinen keine Trunkenbolde, obgleich eines ihrer Hauptgeschäfte ist, in den Schenken und Branntweinhäusern als Musikanten aufzuspielen. Die Farmers glauben, daß die Zigeuner die Macht haben, Schweine und Geflügel zu bezaubern. Der Zigeuner, so sagen sie, läßt irgend etwas in den Hof der Meierei fallen, und wenn ein Schwein oder Huhn, eine Ente oder Gans dieses Ding riecht, so verschlingen sie es gleich. In kurzer Zeit fängt das Schwein an, umher zu springen und zu tanzen, zum großen Schrecken und Erstaunen der Farmers, das Geflügel beginnt zu schreien und umher zu flattern, kurz sie sind alle bezaubert, und einem solchen Unglücke entgegenzuarbeiten, bringt sie der fromme, aber leichtgläubige Farmer schnell ums Leben. Darnach erscheint der Zigeuner, als wenn es ganz zufällig geschehe, sieht die todten Thiere, bittet sie sich aus, und der Farmer giebt sie ihm herzlich gern, in der Hoffnung, daß der Teufel dem Gipsy denselben Streich spielen werde wie ihm.

Ein anderer englischer Dieb, der über die Zigeuner gefragt wurde, gab noch folgende kleine Notizen: „Ich stritt mich einst mit meinen Mitgenossen, verließ sie und gesellte mich zu einigen Zigeunern, die ich auf einem Markte traf. Ich war mit ihnen drei oder vier Monate zusammen. Wir campirten während dieser Zeit an verschiedenen

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Plågen von Lancashire, Cheshire und Wales. Die Frauen der Zigeuner pflegten in verschiedene Farmhäuser zu gehen, um den Leuten ihr Schicksal zu prophezeien, und wenn sie irgend etwas erblickten, was der Mühe des Mitnehmens werth war, so bemerkten sie sich es genau, und wir kamen dann in der Nacht, um es zu holen, Wenn wir eine Henne oder eine Gans, eine Ente oder einen Puter bekamen, so schlugen wir das Thier gewöhnlich in Letten eins indem wir die Federn daran ließen, und legten es so ans Feuer, indem wir es in seinem eigenen Fette braten ließen. Wenn der Letten trocken und hart geworden wat, so nahmen töit Federnt und wir Thon zu gleicher Zeit ab, und wenn wir es nun auffchnite ten, fo' kamen die Eingeweide alle auf ein Mat heraus. Die Beute wurde immer unter einem Baune (in a hedge) verborgen und ein Hund nicht weit davon angekettet. Einer von den Zigeunern ging in die Stadte; um Scheeren und ;um Meffer zu schleifen, und pflegte Alles zu verkaufen, was wir los zu werden wünschten.mun ndaj ni dhe

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Dieß ist Alles, was ich in den besagten Reports von Diebesaussagen über die Zigeuner habe finden können. blu og fìu? no dì 2) dividas dan (dablogama udrikk wa

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XXVI.

Salisbury.

Die Stadt Salisbury ist als Commune wohl eine der åltesten in England, als Wohnort aber nicht. Die Commune nämlich war früher nicht weit von der jeßigen Stadt auf einem Hügel etablirt, auf welchem das alte Salisbury oder Sarisbury oder, wie es im Volke auch kurz genannt wird, ,,Old Sarum" Lag. Es ist dieß ein merkwürdig gestalte ter Kalkhügel, der mit einem regelmäßig geformten Rücken wie ein hoher Damm, von Menschenhånden gebildet, da steht, Der Ort war früher befestigt. Aber die Bürger waren hier den über die kahlen Dünen heranbrausenden Winden ausgeseßt, und während sie so an Luft zu viel hatten, fehlte es ihnen an Wasser. Der dürre Kalkhügel des Berges besaß nicht eine einzige Quelle. Daher wurde, wie Camden berichtet, folgender Vers auf „,Old Sarum" gemacht.

,,Est ibi defectus lymphae, sed copia cretae,
,,Saevit ibi ventus, sed philomela silet“*).

*) Es ist daselbst Mangel an Wasser, aber Ueberfluß an Kreide, es tobt dort der Wind, aber Philomele schweigt.

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