Page images
PDF
EPUB

Persönlichkeit des Dr. Newman.

79

Männchen, mit einem ernsten, bewegungs- und mienenspiellosen Gesichte, welches weder etwas Anziehendes, noch auch etwas Abstoßendes hatte. Seine Augen waren klein und feuerlos, so viel ich sie hinter der elegan= ten Brille, die er trug, erkennen konnte. Die scharfen Linien des Gesichts schienen mir einen klugen, und die mageren Wangen und die Falten in der Haut einen gelehrten und fleißig studirenden Mann zu verrathen. Seine Haare hatte er ganz schlicht gekämmt, und die geraden Linien derselben liefen parallel mit den geraden Linien seiner Mienen, welche aussahen, als sei er durch fie eben so wie durch die Haare mit einem Kamme hindurchgefahren. Ich wiederhole es noch ein Mal, man sagte mir, daß Herr Newman einen sehr guten Charakter habe. Und wenn ich diese Bemerkungen über sein Gesicht mache, so geschieht es keineswegs, weil ich eine vorurtheilsvolle Abneigung gegen diesen Mann håtte, den ich gar nicht weiter gesehen habe, als dieß eine Mal auf der Kanzel, sondern bloß deßwegen, weil wir Menschen auch die Gesichter und Masken unserer Grundsäße tragen, ohne es zu wissen, und weil daher solche Bemerkungen zur Charakteristik der Dinge eben so gut beitragen, wie eine Kritik der Sache selbst. In seinem ganzen Wesen lag eine gewisse Ruhe, ich möchte sagen Stille und Heiligkeit, die höchst charakteristisch war und die allen frommen Puseyiten eigen zu sein scheint. Er sprach sehr ruhig, oder vielmehr fast ohne alle Bewegung. Die Arme meistens unter dem Rande der Kanzel verborgen, seine Brille fast immer auf sein Blatt

80

Dr. Newman als Kanzelredner.

geheftet, las er ohne äußeres Feuer, ohne tiefe Bewes gung, ohne Enthusiasmus zu verrathen und ohne den Schmuck und die Ueberredungsgewalt der Eloquenz zu benußen, seine Rede über das Königreich, das der Herr auf den Hügeln und auf den Gipfeln der Berge gebaut habe, ab.

Ich kann nicht sagen, welchen sonderbaren Eindruck es auf mich machte, als ich Herrn Newman die merk würdigsten Phrasen mit dem größten Gleichmuthe von der Welt aussprechen hörte, z. B. diese:,,The vast catholic body of the holy church of Christ throughout all the world is broken into many fragments by the power of the devil" (der große, die ganze Menschheit umfafsende katholische Körper der heiligen Kirche von Christus ist in viele Stücke zerbrochen durch die Gewalt des Teufels). Es kamen noch stärkere und gewaltigere Phrasen bei ihm vor, die er alle mit einer Ruhe, dabei aber doch auch mit einer Bestimmtheit von sich gab, daß mich dieser Contrast des Vortrags und des Inhalts ganz eigen ergriff.

,,Newman," sagte mir einer seiner Freunde, „mei= det mit Fleiß alle Beredtsamkeit, alle Ereiferung, allen übersprudelnden Enthusiasmus mit Fleiß, und er will, daß die Klarheit der Dinge und die Consequenzen seiner Schlußfolgerungen den Leuten von selbst einleuchten und sie ergreifen." Allein ich glaube, daß er weniger aus Ueberlegung und aus Ueberwindung seiner selbst als von Natur so ruhig ist, und es kommt einem eine solche Ruhe, die doch nicht ohne Strenge und Hef

Dr. Newman als Kanzelredner.

81

tigkeit ist, bei einem so großartigen Gegenstande, wie der ist, den die Puseyiten zu betreiben vorgeben, sehr unnatürlich vor. Innere Ueberzeugung, völliges Ergriffen= fein von einem Gegenstande führt von selbst zum Enthusiasmus, wie denn auf die Apostel das Feuer des heiligen Geistes herabkam und sie erglühen und in hunderr Sprachen wunderbar reden machte. Dieser Mangel an Enthusiasmus, der das Haupt der Puseyiten auszeich net, ist daher kein gutes Zeichen für ihre Sache, die fie einzig und allein auf Autoritäten und auf spigfindige Auslegungen und Raisonnements gegründet haben.

Kohl's Reisen in England. III.

Von Oxford nach Salisbury.

Es war zwar auf diese Weise während der Bereifung von Schottland mit Manchester und Orford Weihnachten fast nahe herbeigerückt, allein ich beschloß doch, bevor ich die Stagecoaches und die ,,machinae vi vaporis impulsae" (wir hatten es in Orford ermittelt, daß wir die Dampflocomotiven so am beßten latinisiren könnten) völlig in Ruhe ließe, noch einen weiteren Ausflug zu machen, und zwar zu der Kathedrale von Salisbury und zu einem anderen benachbarten menschlichen Monumente, das seit meiner Jugend immer meine Phantasie sehr beschäftigt hatte, nämlich dem berühmten Stonehenge.

Der Weg dahin führte mich zuerst durch die Grafschaft Berks zu der großen westlichen Eisenbahn (Greatwestern-Railway). Die Landschaft, die gleich hinter Orford anfängt, ist sehr anmuthig, und man hat von den ersten Anhöhen derselben, zu denen man sich erhebt, eine wundervolle Ansicht der der herrlichen Stadt Orford,

Ein Alderman der City von London.

83

auf die man, ungern scheidend, gern noch einen Blick wirft.

Ich vollbrachte diese Reise mit einem Alderman der City von London, der seinen Sohn als Gentleman-Commoner in eines der Collegien von Orford gebracht hatte, und dessen Bekanntschaft ich in Orford machte. Seine Freunde hatten ihn mir als einen sehr bedeutungsvollen Mann Londons geschildert, wo er oft an der Stelle des Lordmayors såße.,,He sits often instead of the Lordmayor. He has not yet passed the chair. But his turn will come after some years." (Er vertritt oft die Stelle des Lordmayors. Er hat den Stuhl noch nicht passirt, d. h. er ist bisher noch nicht Lordmayor gewesen, aber er wird nach einigen Jahren an die Reihe kommen.) Und in der That, seitdem ich die Bekanntschaft dieses Herrn gemacht, bin ich ganz vollkommen überzeugt, daß ich einen der Lordmayors von London aus dem nächs sten Jahrzehend kenne. Denn er hatte es nicht nur an der Stirn, sondern auch an den Backen geschrieben, daß er schon in seiner Wiege vom Schicksal zum Lordmayor bestimmt worden. Er war dabei ein hübscher Mann, besaß eine imposante Figur und zeigte sich sehr gesprächig.

Er erzählte mir, daß er als Alderman mit den De putirten der Südfee-Compagnie, mit den Deputirten der ostindischen Compagnie, mit den Deputirten der Bank und mit anderen Deputirten zusammensäße, um die Einführung der ,,Income-tax" (Einkommensteuer) in London zu reguliren. Ich war schon lange begierig gewesen, mit Jemandem in England zusammenzukommen, der

« PreviousContinue »