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Oxford.

,,Ubi vero Chervellus cum Iside confluit et amoenissimae insulae aquarum divortis sparguntur, in campestri planitie eminet celeberrima Academia Oxonia, Saxonice Oxenpord, vulgo Oxford, Athenae nostrae nobilissimae, Angliae μουσεῖον et ἔρεισμα, imo sol, oculus et anima, litterarum et sapientiae clarissima scaturigo, unde religio, humanitas et doctrina in omnes regni partes uberrime diffunduntur. Urbs egregia, et nitida sive privatorum edificiorum elegantiam, sive publicorum dignitatem, sive situs salubritatem et amoenitatem spectes." (Wo aber der Cherwell mit dem Isis zusammenströmt und wo die reizendsten Inseln durch die Spaltungen des Wassers gebildet werden, in einer landlichen Fläche, da zeigt sich die hochberühmte Academie. Oxonia, die auf Sächsisch Orenpord, gemeiniglich aber Orford genannt wird, unser edeles Athen, Englands μουσεῖον μηδ ἔρεισμα, in unfere Gonne, unfer Kluge, unsere Seele, der Wissenschaften und der Weisheit herr

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lichster Sig, von wo aus die Religion, die Bildung, die Gelehrsamkeit in alle Theile unseres Vaterlandes in reicher Fülle ausstrahlen. Eine ausgezeichnete, eine schöne Stadt, man mag nun die Eleganz der Privatwohnungen, oder die würdevolle Pracht der öffentlichen Gebäude oder die Anmuth und Zweckmäßigkeit ihrer Lage betrachten). So fagte vor beinahe 300 Jahren der alte treffliche Camden, dessen Werk man eigentlich bei jeder britischen Stadt vor allen Dingen nachlesen sollte.

Wie wohl thut nach Birmingham, nach Manchester, nach Leeds der Anblick einer solchen Stadt, wo es so viele gothische Kirchthürme als dort Schornsteine, so viele Tempel der Musen als dort Waarenlager, so viele Kunstwerke als dort Maschinen giebt. Wenn man nur gleich noch in verschiedenen anderen schönen Sprachen andere schöne Aussprüche wüßte, denn das Lob dieser Stadt, die selber seit so langen Jahren so viele Sprachen cultivirte, muß in allen schönen Sprachen der Welt besungen werden.

Ιλερμος Καρδηνος, tie Biliam Samben in sen griechischen Gedichten, die man auf ihn und sein Werk ,,Britannia“ gemacht hat, genannt wird, war Meister der Künste (Master of Arts) an dieser Universität und kannte fie am beßten, da er auch insofern an ihrer Förderung Theil nahm, als er eine Professur der alten Geschichte an ihr stiftete. Aber man könnte auch einen ans deren Graduirten von Orford und zwar einen Doctor cis tiren, und noch dazu einen Doctor, der seiner Zeit ein Reich beherrschte, welches den halben Erdboden bedeckt, und der daher ein ziemlich guter Richter in solchen Sachen

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war, ich meine den noch jest häufig in Orford erwähnten Orford'schen Doctor, Kaiser Ulexander von Rußland, der nach dem Frieden mit anderen fürstlichen Häuptern hier war, dem man wie dem Könige von Preußen das Doctordiplom überreichte, und der erklärte, daß Orford die schönste Stadt sei, welche er je gesehen habe. Das Wort eines solchen Doctors ist entscheidend, und es wird nicht nöthig sein, noch nach anderen Autoritäten zu suchen.

Obgleich man die ganzen Reize dieser Stadt erst be= greifen kann, wenn man ein wenig in das Detail ihrer Einrichtungen geblickt hat, so kann ich doch gleich im Voraus so viel sagen, daß man sich die ganze Stadt als aus einer Menge zusammengerückter Klöster, Kirchen und Monumente bestehend vorstellen muß, die mit freundlichen Wohnhäusern untermischt und von reizenden Gårten umgeben sind. Wenn man durch die reinlichen, schön ge= pflasterten Straßen geht, die in mäßiger Breite eine Zeit lang geradeaus laufen, die sich zwischen herrlichen gothischen Gebäuden verlieren, die hier zu einem niedlichen Marktplage, dort zu einer baumreichen Promenade sich erweitern, an deren Seiten sich in den Buchlåden die neueften Früchte der Kunst und Literatur produciren, wo sich bald hier, bald dort ein hohes Thor eröffnet, das einen Einblick in das Innere und Innerste der verschiedenen Gehöfte eines Collegiums gestattet, wo nach den Collegien die Bögen und Spigen einer alten gothischen Kirche sich erheben, wo dann wieder andere verschieden gestaltete Gebäude fich darstellen, die eine Bibliothek oder ein Museum enthalten, wenn man die Ruhe genießt, die auf

Angliae Μουσεῖον.

diesen nur von mittelalterlich gekleideten Studenten und von anständigen und wohlhabenden Bürgern bevölkerten Straßen herrscht, wo kein wilder und auffähiger Fabrikstadtpöbel, wo keine Armuth und Noth sich zeigt, scheint es einem, als wenn diese Stadt bloß von den Musen und bloß für sie gebaut sei, und so scheint es einem nicht bloß, sondern so ist es auch wirklich.,,Prudens antiquitas," fagt Camden,,,hanc urbem Musis consecravit" (eine weise Vorzeit widmete diese Stadt den Musen).

Aber wie lange, wie ausdauernd, wie sorgfältig ist auch schon an der Bereitung dieses Ortes als eines Sizes der Musen gearbeitet worden. Schon zur britannischen Zeit soll hier in Orford, das damals „Caer Vortigern“ oder,,Caer Vembir" geheißen haben soll, eine Schule gewesen sein. Als die Sachsen das Land erobert hatten, nannten sie den Ort Orenpord, nach derselben Benennungsweise, nach welcher die Griechen ihren Bosphorus und die Deutschen ihr Ochsenfurt benannt haben, und nach welcher die Britannen ihr,,Rhid-ychen“ hatten, Stådtenamen, die alle dasselbe bedeuten. Einige alte Lateiner nannten daher, das Wort buchstäblich übersehend, diese Stadt auch:,,Vada Boum," nachher aber hieß sie bis auf die neueste Zeit bei den Lateinern allgemein „Oxonia,“ wahrscheinlich nach dem Beispiele von ,,Bononia“ (Bologna), in welchem Namen auch sogar etwas von Ochsen zu tönen scheint. Die Musen, die in der unruhigen Dänenzeit aus allen Winkeln des von den Römern civilisirten Britanniens aufgescheucht wurden, führte der mildherrschende

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König Alfred (886 n. Chr. G.) in ihre Siße zurück, und von dieser Zeit an kann man wohl erst die eigentliche Stif tung und die fortdauernde Blüthe der Universität datiren. Dieser König baute hier drei Collegien, ein philologisches, ein grammatisches und ein theologisches. Und seitdem hat also dieses Auge, diese Seele, diese Sonne unter den britischen Universitäten und dieser Stern unter den Universitåten Europa's sein mildes, oft nicht ganz ungetrübtes Licht fortwährend über die britischen Inseln gespendet, und in Aller Munde wird König Alfred's Andenken dadurch wie Honig versüßt werden (cujus in omni ore quasi mel indulcabitur memoria). Wie viel Universitäten giebt es noch in Europa, die sich einer solchen tausendjährigen ununterbrochenen Blüthe rühmen können?

Die Schwierigkeit, eine Schilderung von Orford zu entwerfen, oder doch dem deutschen Leser eine Idee von dieser Stadt und dem, was sie Schönes enthält, zu geben, wird dadurch so groß, daß hier Alles sehr zerstreut, und Nichts oder nur Weniges so gesammelt und con= centrirt ist, wie bei unseren Universitätsstädten. Es giebt hier z. B. nicht weniger als 24 verschiedene Collegien und Hallen. Und jedes dieser 24 Collegien hat nicht nur seine eigenen schönen Gärten, seine eigenen Merkwürdigkeiten, seine eigenen trefflichen Gebäude, feine eigene prachtvolle Capelle, seine eigene reiche Bibliothek, sondern ein jedes besitzt auch seine eigene Verfassung, seine eigenthümlichen Sitten, seine eigenthümlichen Feste, seine besonderen Einrichtungen, seine besonderen Vorrechte, und nimmt seine eigenthümliche Stellung zum Ganzen ein. Man

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