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Die Radcliffesche Bibliothek.

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Die Radcliffesche Bibliothek stellt sich im Aeußeren viel prächtiger dar als die größere Bodley'sche. Es ist ein herrliches Gebäude, dessen Hauptsaal ein großartiger Tempelraum zu sein scheint. Radcliffe gab für dieses Gebäude nicht weniger als 40,000 Pfund her. Es werden hier besonders medicinische und naturhistorische Bücher gesammelt ; außerdem sind daselbst auch einige herrliche Antiquitäten aus Italien aufbewahrt.

Die Universitätsdruckerei ist ein ganz eigenthümliches Institut für sich. Das Gebäude, welches früher zum Drucken der Universitätsbücher diente, war das besagte Clarendon. Das jezige geräumige und prachtvolle Gebäude wurde erst im Jahre 1825 gebaut, weil die Geschäfte der Presse sich so vermehrten, daß jenes alte Gebäude nicht mehr hinreichte.

Diese Orforder Universitätsdruckerei ist eines der größten typographischen Institute des britischen Reichs. Es find große, schöne und weite Räume, und Alles ist in der herrlichsten Ordnung. So wie die Humaniora und die Theologie die vornehmsten Studien auf der Universität sind, so sind auch die Ausgaben der alten Classiker und theologischen Schriften die vornehmsten Bücher, welche in dieser Officin gedruckt werden. Das erste von allen ist die Bibel. Und damit der Text dieses Buches vor aller Gefahr von Verfälschung bewahrt bleibe, so find nur drei zuverlässige und gehörig beaufsichtigte Officinen in England für den Druck desselben privilegirt, erstlich dieses ,,Printing-Office" der Orforder Universität, dann die Cambridger Druckerei und endlich des Königs Buchdrucker

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(the king's printer) in London. Andere Buchdrucker dürfen nur dann die Bibel drucken, wenn sie mit einem Commentare begleitet ist, in welchem Falle sie nicht als Glaubens- und Kirchenbuch, sondern als ein Gegenstand der wissenschaftlichen Untersuchung betrachtet wird. Der Druck der Bibel geht unaufhörlich fort. Es ist eine eigene Abtheilung für denselben in dieser Anstalt, und die Pressen dazu werden von Dampfmaschinen getrieben.

Auch sonst sind noch große Drudunternehmungen von dieser Officin ausgegangen, und es giebt einige sogenannte englische,,Standard-books" (Fahnenbücher, d. h. Hauptwerke), deren Druck und Wiederdruck in dieser Druckerei feit alten Zeiten betrieben wird. Ich sah hier auch einen Theil des Passow'schen Lerikons vollendet, welches zwei Orforder Gelehrte, Scott und Little, von Christ-Church und Balliol, übersehen oder vielmehr bearbeiten. Denn sie ordnen die verschiedenen Bedeutungen jedes Wortes so viel als möglich chronologisch, d. h. fie geben erst die Grundbedeutung, dann die abgeleiteten, angewandten und übertragenen Bedeutungen und endlich diejenigen, welche man spåter bei fortgehender Entwickelung der Sprache noch unterschob.

Sie haben hier lateinische, griechische, hebräische und arabische Lettern, aber keine deutschen. Hier, wie überall in England, wie auch in Belgien und Frankreich, wurde der Wunsch gegen mich ausgesprochen, daß wir Deutsche unsere eigenthümlichen alten deutschen Lettern aufLettern_aufgeben und mit den allgemeinen europäischen drucken möch

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ten, was den literårischen Verkehr zwischen den verschiedenen Völkern sehr erleichtern würde.

Das Theater der Universität ist ein großer schöner Saal, in welchem die Portraits der zur heiligen Allianz verbündeten Häupter die Hauptgemålde sind, unter die man jezt schreiben könnte:,,Sic transit gloria mundi!" Die Allianz-Siege und Alles, was damit zusam= menhing, wurden wohl nirgends in England mit mehr Jubel aufgenommen als hier. Auch die neueren chinesischen Siege wurden in Orford vorzugsweise hochgefeiert, und ich glaube, der Vorschlag, ein öffentliches Dankgebet und ein Nationalfest für diese Siege anzuordnen, ging von der Universität aus. Doch war die Freude hier anderer Natur als in Manchester. Hier freute man sich, weil dadurch ein torystisches Ministerium eine neue Stüße zu erhalten schien, dort, weil sich den Fabriken neue Aussichten eröffneten. Ich kam in Oxford auch mit einem Herrn zusammen, der, aus China kommend, die Gerechtigkeit des Opiumkrieges zu beweisen suchte. Ich bin weit davon entfernt, jene Freude oder diese Vertheidigung tadeln zu wollen. Es ist im Gegentheil gewiß gut, wenn die Dinge von allen Seiten beleuchtet werden. Ich erhärte nur einfach das vielleicht charakteristische Factum, daß ich sie in Oxford von der angedeuteten Seite beleuchtet sah.

Orford selbst wurde vor Kurzem auch ein Mal von einer anderen Seite beleuchtet, als die, von welcher der alte Camden es ansah, wenn er es „das Auge, die Sonne und Seele Großbritanniens" nannte, und von der es gewöhnlich in England beleuchtet zu werden pflegt, wenn man es

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,,Oxford unmasked."

die,,Alma mater" nennt. Es erschien ein kleines Pamphlet:,,Oxford unmasked" (Oxford, wie es ist), das dem Sir Robert Peel,,without permission" (ohne Erlaubniß) dedicirt worden war. Obgleich dieses Pamphlet weder ausgezeichnet geschrieben, noch auch umfangreich und gründlich genug ist, um alle vielleicht in Orford existirenden Mißbräuche mit Wahrheitsliebe und zugleich mit rücksichtsvoller Schicklichkeit zu tadeln, so erwähne ich es doch, weil es eine Reihe von Auflagen erlebte, ferner, weil es mit den scharfen, gründlichen und geistreichen Auffäßen, mit denen in den Hallischen Jahrbüchern unsere deutschen Universitäten angegriffen wurden, ungefähr in dieselbe Zeit fiel, und endlich auch, weil es zwischen einer Menge von Phrasen und Tiraden ohne Zweifel auch einige Wahrheit enthält.

In diesem Pamphlet wird Orford, das orthodoxe und gläubige, als die Hauptfestung und die Hauptstüke der Oberherrschaft der englischen Kirche und als die vornehmste, unnachgiebige Vertheidigerin der hochfahrenden Ansprüche im Interesse derselben und ihrer Infallibilität dargestellt. Es werden darin die beständige Kirchengångerei und die monchischen Gebräuche des regelmäßigen, gezwungenen und anbefohlenen Betens, dem die jungen Studenten, aus Furcht, bestraft zu werden, oft, von einer Weinpartie kommend,,,mit Essen und Trinken überladen," beiwohnen, getadelt. Es wird darin nicht nur das Ueberladen der Studenten mit theologischen Studien, sondern auch die trockene und unfruchtbare Art der Betreibung dieser Studien, bei denen Detailkenntnisse von der Genealogie

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der alttestamentarischen Könige und von allen Ereignissen, welche die Bibel erzählt, stricter verlangt werden, als ein Eindringen in den Geist und die Moral der heiligen Schriften, kritisirt. Ebenso werden die endlosen Examina über die Structur der griechischen und lateinischen Sprache, „über den Gebrauch der Präpositionen und der unregelmäßigen Verba" darin lächerlich gemacht. Die Vernachlässigung anderer fruchtbarer Studien, der neueren Sprachen, der schönen Wissenschaften 2c., welche die auf der Universität herrschenden Theologen fast zu unterdrücken suchen, wird hervorgehoben. Insbesondere werden die Häupter der Collegien, die Regierer der Universität, die Tutoren und Leiter der Jugend angegriffen, erstlich weil sie im Gegensate mit der Unparteilichkeit, welche auf den Universitäten des Auslandes herrscht, auf eine crasse Weise den Vornehmen und Reichen begünstigen und ihm auf alle Weise durch die Finger sehen, ihm die Eramina nicht nur erleichtern, sondern auch sogar seine Excesse und Ausschweifungen und namentlich seine Schuldenmachereien deßwegen begünstigen, weil darâus für die Stadt und ihr Collegium, wie auch für sie selbst eine Vergrößerung der Einnahmen entsteht. Bosheit und Parteilichkeit wird den Dons und ungerechte Gewaltausübung den Collegienhäuptern vorgeworfen. Und das Ganze endigt ungefähr wie Abraham a Sancta Clara feine Predigten zu endigen oder zu beginnen pflegte, mit folgenden Worten:,, telschneiderischen Doctoren, wahrlich nicht von stoischem Stoffe, die ihr so gut den Eynismus und Epicuráismus zu vereinigen wißt, jenen für Andere, diesen für euch selber

ihr beu

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