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Abtheilungen der Collegienkirchen.

Schnörkel und Gewinde, und das reichste Laubwerk von der Welt. Das ,,Reading-desk" (Lesepult), das in der Mitte des Chors steht, ist ein großer bronzener Adler, auf dessen Flügel die Gebetbücher gelegt werden. Es ist diese Form des Lesepults, welche die schöne Anspielung enthält, daß unsere Gebete und Lobgefänge mit der Macht des Adlerfluges zum Himmel emporsteigen möchten, eine sehr gewöhnliche in den englischen Kirchen.

Ein anderes schönes altes Gemälde in dieser Kirche ist ein jüngstes Gericht von Christoph Schwarz. Viele Gemälde haben die Orforder Kirchen nicht, aber die wenigen sind gewöhnlich gut. Fast alle diese Collegien-Kirchen in Orford bestehen, soviel ich bemerkt habe, aus zwei Theilen, einem größeren und prächtigen Theile, dem Chor, für die Masters, Fellows, Demies, Scholars, Clerks, Choristers 2c. des Collegiums, und einem anderen Theile für Jedermann, welcher,,the Antichapel" (die Vorcapelle) genannt wird. Beide sind durch eine durchbrochene Wand, einen Thorweg, oder eine Pforte getrennt, auf deren reiche Ausschmückung gewöhnlich viel Geld verwandt ist, und die auch meistens die Orgel trägt.

An dem,,Organ-screen" (Orgelkorbe) dieser Kirche entdeckte ich mitten unter den Engeln, welche die Tibien, Flöten und Harfen spielten, auch einen, der den Dudelsack blies, ein Instrument, das ich bisher noch nirgends in einer Kirche gesehen hatte. Vielleicht war der Bildner dieses Orgelkorbes aus jenem Lande, in welchem die Tône des Dudelsackes über Alles hoch geschäßt werden, ich meine aus Schottland..

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Plastische Allegorieen.

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In dem vornehmsten Hofe dieses Collegiums,,,the great Quadrangle" genannt, um den ein Säulengang (cloister) rund herum läuft, sind als Zierrathen auf den Spizen der Bögen viele in Stein ausgearbeitete Figuren aufgestellt. Es find fast lauter gräßliche Ungethume, wie ich sie bisher nur auf solchen Bildern, auf denen irgend ein Eremit in seiner Zelle von den Ausgeburten der Hölle und seiner eigenen erhißten und leidenschaftlichen Phantasie geplagt wird, gemalt sah. Es sollten ohne Zweifel symbolische Figuren sein, welche die Leidenschaften des Menschen versinnbildlichten, die Habsucht, die fleischlichen Begierden, die Trägheit 2c., wahrscheinlich das mit die Schüler des Collegiums durch diesen Anblick_tåglich an die Gegenstücke, den Fleiß, die Keuschheit, die Gerechtigkeit 2c., ermahnt werden möchten. In dem Garten und Parke des Collegiums sah es gerade so sauber und schön aus, wie man dieß in den Parks der englischen Großen zu sehen gewohnt ist. Auch fehlten sogar nicht die Herden des friedlichen Wildes, der Rehe und Hirsche, wie man sie in jenen Parks weiden sieht. Diese Oxforder Collegien führen uns wahrscheinlich noch jest genau und deutlich das Bild vor die Augen, welches sonst die englischen Abteien und Klöster der katholischen Zeit, die wir in schönen Ruinen daliegen sehen, dargeboten haben mögen. Noch dieß ist bemerkenswerth, daß manche dieser Collegien früher an anderen Orten bestanden und erst später nach Orford verlegt wurden und sich so allmählig um die Alma Mater herum versammelten. Als Verschiedenheit zwischen diesen Orforder Collegien und unseren Klöstern, z. B.

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Der Orforder,,Slang."

den österreichischen Donauklöstern, fiel mir auf, daß diese Klöster, wenn sie reich sind, gewöhnlich auch noch hübsche naturhistorische Museen, Gemäldegalerieen und dergleichen in ihren Mauern haben, während ich außer Bücher- und Portrait - Sammlungen nichts von Museen in den Orforder Collegien fand. Es scheint mir daraus also hervorzugehen, daß die Corporationen der österreichischen Klöster ein weit vielseitigeres Interesse an den Künsten und Wissenschaften nehmen als die Corporationen der Orforder Collegien.

Einige dieser Collegien waren wirklich früher Klöster, z. B. das Worcester-Collegium. Es war ein BenedictinerKloster und nachher der bischöfliche Palast. Die,,Gentlemen Commoners" heißen in diesem Collegium,,Fellowcommoners." Ich aß hier mehre Male zu Mittage und wurde von einigen Mitgliedern desselben sehr freundlich aufgenommen. Mich interessirte es bei dem Umgange mit ihnen besonders, einige der Orforder Studentenausdrücke kennen zu lernen und sie im Stillen mit unseren Studentenausdrücken zu vergleichen. Es giebt deren so viele in Oxford, daß man eine eigene Sprache daraus machen könnte. Man nennt diese Sprache,,Oxford Slang."

Hier sind einige Orforder Slangausdrücke:

,,Dons" nennen sie ihre Tutoren. Es ist dieß wahrscheinlich eine Abkürzung von,,Dominus."

,,A fresh man" (einen frischen Mann) nennen sie das, was bei unseren Studenten,,ein Fuchs" heißt.

,,Bedmakers" (Bettmacher) und ,,Scouts" (Kundschaf= ter) nennen sie ihre Diener.

,,A fast man" (ein fester Mann) heißt ein tüchtiger,

Der Orforder,,Slang.“

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firer Student, etwa das, was unsere Studenten,,einen Hahn" nennen. Etwas Aehnliches ist:,,a jolly man" (ein munterer Mann). Das Umgekehrte davon heißt: „a slow man" (ein langsamer Mann), wofür unsere Studenten ebenfalls viele Ausdrücke haben. Was bei uns ,,ein Bursche“ ist, ist hier bloß immer,,Mann.“ „A plodding" oder „,a reading man" heißt ein tüchtiger Arbeiter, wie denn,,to read" (in den Büchern lesen) überhaupt für ,,studiren" gebraucht wird.,,Our big men" (unsere dicken Männer) nennen sie die ausgezeichnetsten Gelehrten und Geister der Universität.

,,He is plucked" (er ist gerupft), sagten sie von Jemandem, der durchs Examen gefallen ist.

,,Cut your stick“ (schneide deinen Stock) soll so viel heißen als: Bereite deinen Wanderstab und geh!" wie man im Deutschen sagt: Packe ein!"

,,Tandems" nennen sie eine Art von Gig, in der sie oft Spazierfahrten unternehmen. Es sind dieß einspånnige zweiräderige Wagen, vor welche sie aber zwei Pferde und zwar sonderbarer Weise eines vor das andere spannen, und mit denen sie dann wild ins Freie jagen. Da diese Anspannungsweise sehr gefährlich ist, so ist ihr Gebrauch verboten. Aber die jungen Herren, welchen das schnelle Fahren nicht weniger gefällt, es mag nun verboten oder erlaubt sein, lassen das zweite Pferd vor die Stadt hinausführen und spannen es dort vor, wohin weder die Augen ihrer,,Esquire Bedels," noch die ihrer,,Yeomen Bedels" (vornehmen oder graduirten und gemeinen Pedelle) reichen.

Für das Geld haben sie eben so verschiedene Ausdrücke

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wie unsere Studenten, auch selbst für die einzelnen Münzsorten. So heißt z. B. in Orford ein Schilling:,,a bob."

Auch für die verschiedenen Strafen, denen man sie unterwirft, haben sie natürlich ihre eigenen Ausdrücke, mit denen sie die sonderbaren Bestrafungs-Einfälle, welche ihre Oberen zuweilen haben, lächerlich machen. Ich habe aber leider keine davon erfahren. Uebrigens sind diese Bestrafungsarten und Strafgrade, wie man mir sagte, folgende:

Für geringe Versehen lassen die Tutoren und Häupter der Collegien sie auf ihr Zimmer kommen und geben ihnen Privatverweise.

Den Privatverweisen folgen öffentliche Verweise oder Geldstrafen (fines), oder außerordentliche literarische Arbeiten (,,impositions" genannt).

Nach den Verweisen folgt die temporåre Verbannung von der Universität, welche,,Rustication" genannt wird. Sie ist länger oder kürzer, indem sie sich je nach der Größe des Vergehens auf zwei, vier oder mehre Terms erstreckt. ,,He is rusticated for two terms" (er ist für zwei Termine aufs Land geschickt) sagen sie. Natürlich verlängert sich dadurch die Dauer der Studien des jungen Mannes, da er, wie wir oben sagten, für jedes Examen und für jeden Grad eine gewisse Anzahl von Terms halten muß.

Nach der Rustication kommt die völlige Verbannung (expulsion). Diese ist auch wieder eine zweifache, entweder eine stille oder eine öffentliche Verbannung. ,,One is quietly expelled" (Einer ist ruhig vertrieben worden), sagt man, wenn bloß sein Name aus der Liste der Studenten ausgestrichen und ihm selber angedeutet worden, sich zu

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