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Literatur über den Royal George.

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Geschichte aller Versuche und Anstalten ihn ganz oder theilweise wieder zu heben. Ich sah Bücher von allen Formaten und Preisen, welche diese Geschichte bis auf's kleinste Detail behandelten. Auch habe ich manche Gedichte auf dieses Ereigniß gelesen.

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XXXIX.

Insel Wight.

Der kleine reizende Hafen der Insel Wight, der Portsmouth gegenüberliegt, heißt Ryde. Auch dieser Ort ist in den lehten wenigen Jahrzehenden von einem unbedeutenden Dorfe zu einem Städtchen von 5000 Einwohnern angewachsen. Ich bemerkte schon früher dasselbe von dem kleinen Ueberfahrtsort nach Irland, Holyhead. Ja man findet an der ganzen englischen Küste herum eine Menge, vermuthlich Hunderte kleiner Orten, besonders solcher, die an Flüssen, Meeresarmen und Meerengen liegen, und die alle in Folge der Dampfschifffahrt und des durch sie vermehrten Verkehrs in neuer Zeit schnell emporgeblüht sind.

Man werfe einen Blick auf die englische Karte und zähle alle die langen und kurzen, breiten und schmalen Meeresarme und Flußmündungen, die es hier giebt, und die unzählig vielen Puncte, an denen ein Bedürfniß zum Uebersehen stattfindet, und man denke sich nun, wie

Der Molo von Ryde.

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überall da, wo es sonst nur ein paar kleine Ruderboote gab, jest Dampfschiffe oder Dampfflösse wie Weberschiffchen hin und her schießen, und man wird sich einen Begriff von der großen Menge kleiner im Steigen, begriffener Hafenorte machen können.

Der Molo, der bei Ryde in die See hinausgeworfen ist, ist über 2000 Fuß lang,,,und er bildet," fagte mir ein Engländer,,,eine der schönsten MarinePromenaden (Marine-promenades), die wir im Königreiche haben." Diese Marine-Promenaden auf den Molos, ihrer Håfen, auf den Wällen ihrer Küstenfestungen, auf den Quais und Brüstungen ihrer Hafendocks bilden eine Classe von Spaziergängen, die Englund ganz eigenthümlich ist. Da sieht man die Leute hinausgehen, hin und her schlendern, die Blicke auf das Wasser gerichtet, dessen frischen Unhauch sie mit Lust einathmen, bis die Sonne in den Wellen untergeht.

Die Spaziergänger von Ryde sehen von der Spige ihres Molo mit besonderer Genugthuung in die Gewässer vor ihnen hinab. Denn sie denken leise und rühmen sich laut: ,,this is the finest piece of water in the kingdom" (das ist das schönste Wasserstück des Königreichs). Ich blieb zwei Mal auf dem Molo stehen, um nach Portsmouth, dem Royal George und den schwedischen, französischen und englischen Linienschiffen zurückzublicken, und beide Male näherten sich mir ein paar alte Schiffer oder Matrosen oder was sie sonst sein mochten (es schleicht immer eine Menge müssiges Volk auf den Molos herum) und

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sprachen:,,I dare say, sir, no country can boast of such a fine piece of water" (ich darf wohl sagen, mein Herr, daß kein anderes Land sich eines solchen Wasserstücks rühmen kann), und beide Male stimmte ich von Herzen ein.

Von Ryde aus umfuhr ich in der höchst angenehmen Gesellschaft einiger gutmüthiger Insulaner die halbe Insel bis zu ihrer südlichsten Spiße und durchschnitt sie von da gerade in der Mitte. Die kleinen Städte Newport, Brading und Cowes haben eine reizende Lage, und die Chauffee am Ufer gewährt die mannigfaltigsten Aussichten auf die See, auf schroffe Klippen, z. B. die Culver-Cliffs. Der Weg selbst führt zu Zeiten durch hübsche Laubhaine, zu Zeiten zwischen grünen Wiesen hin, in der Regel ist er auf beiden Seiten mit hübschen Villen und Landhäusern beseht.

Die Insel Wight ist für England ungefähr dasselbe, was die Hyères für Frankreich sind. Sie hat ein so mildes Klima, daß man an einigen kleinen Orten an der Südküste weder Eis noch Schnee kennt. Selbst mitten im Winter blühen hier die Myrthen. Viele Kranke, denen ein mildes Klima noth thut, und denen - eine Uebersiedelung nach den Hyères oder nach Nizza zu umständlich oder zu kostspielig wäre, ziehen sich daher an irgend einen Küstenpunkt der Insel Wight zurück, wo fie Winter und Sommer leben. Fast an jedem Orte wurde uns von einem brustschwachen Herrn oder von einer alten, ́dem Tode nahen Dame oder von einem jungen hektischen Mädchen, die mit der milden Luft der Insel ihr Leben noch ein Weniges hinhielten, erzählt.

Obgleich die Luft der Insel so außerordentlich mild ist,

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so gedeiht auf ihr doch kein Wein*). Es fehlt ihr zwar nicht an Wärme, wohl aber an Sonne. Die Wärme ist mehr durch das ganze Jahr hindurch vertheilt und im Sommer nicht concentrirt genug. Es giebt viele füdliche Pflanzen, die in England wachsen, bei uns aber nicht, weil unsere harten Winter dieselben tödten würden, während es umgekehrt wieder eine Menge Pflanzen giebt, die bei uns wachsen, in England aber nicht, weil sie dort im Sommer nicht Hiße genug haben.

Die Insel Wight hat die Gestalt einer Raute. Zwei Seiten ihres Vierecks sind dem Süden, zwei dem Norden zugewandt. Die beiden ersteren haben eine ganz andere Natur als die lehteren. Sie sind schroff und klippenreich. Die See unterminirt hier zuweilen die Felsen, von denen zu Zeiten Stücke in die See stürzen. Es hat noch in neueren Zeiten in verschiedenen Jahren bedeutende Abstürze gegeben.

Durch diese Abstürze und Einbrüche der See werden allerlei kühne Configurationen des Erdreichs hervorgebracht, von denen die berühmteste die sogenannten,,Needles" (Na= deln) find, eine Gruppe schroffer Felsen auf der Westspise der Insel. Auch das Wasser, das aus dem Inneren

*) Früher soll es indeß wirklich Weinbau auf der Insel Wight und in einigen anderen Theilen von England gegeben haben. Das Aufhören desselben erklärt sich wohl, eben so wie das Aufhören des Weinbaues in Pommern und Preußen, nicht aus einer Veränderung des Klimas, sondern daher, daß die fremden, guten Weine bei Vermehrung des Handels und bei Erleichterung des Transports billiger wurden, und es sich daher nicht mehr lohnte, in einem ungünstigen Klima mit vieler Mühe und Noth doch nur ein schlechtes Gewächs zu erzeugen. '

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