Das Lied der Näherin. A Woman sate in unwomanly rags, Stitch stitch! stitch! Ia poverty, bunger, and dirt, And still with a voice of dolorous pitch, She sang this,,Song of the Shirt!" *) 209 *) Mit Fingern müde und matt, mit Augenlidern schwer und roth, saß ein Weib in unweiblichen Lumpen, geschäftig mit Nadel und Zwirn. Stich! stich! stich! In Armuth, Hunger und Schmuz, und doch mit einer Stimme von schmerzlichem Ton ich wollte, daß seine Weise die Reichen hörten!-sang sie das Lied vom Hemde. Kohl's Reisen in England. III. 14 Von London nach Winchester. Die Weihnachts-Pantomimen nahmen ein Ende, und die drückenden und melancholischen Winternebel verzogen sich. Die Parliamentsmitglieder, welche für London die ersten Frühlingsschwalben sind, kehrten zur Stadt zurück, und als der Frühling und Sonnenschein immer heiterer und prachtvoller wurde, die schönen Parks und Squares ergrünten, folgten ihnen die Schwärme von schönen Damen und Freude suchenden Herren nach. Auch diese Zeit, in welcher die Bienen ihre enge Wohnung unerträglich finden und sie verlassen, in welcher die Würmer und die Vögel, mit einem Worte alle Creaturen das Freie suchen, in der auch die Menschen aller Nationen einen Drang empfinden, aus ihren Städten in die schöne heitere Natur zu wandern, und in welcher allein die Engländer den umgekehrten Drang verspüren, nämlich aus dem Freien in die Stadt zu kommen, ging vorüber, und es erschien endlich wieder der Herbst und mit ihm der Tag, an welchem ich diese große Stadt- ich fand in ihr so viele interessante Dinge zu besichtigen Gelegen= Reise zu den Antipoden. 211 heit, daß ich es nicht wage, dem Leser dieses Buches eine Beschreibung davon zuzumuthen, und es mir vorbes halten muß, vielleicht später in einem besonderen Werke darüber zu handeln, verließ, um mich von da zu den Antipoden zu begeben. Es führen von London aus zu den Antipoden hauptsächlich drei Wege, ein kurzer und zwei etwas längere, aber viel interessantere. Der kurze geht auf der Eisenbahn über Folkstone nach Boulogne und durch die Picardie, der eine der interessanteren die Themse hinunter und über Calais oder Boulogne. Beide kannte ich schon und wählte daher den anderen interessanten über Southampton, Portsmouth, die Insel Wight, Havre de Grâce, die Seine hinauf, zu der Hauptstadt der Antipoden Englands, nämlich Paris. Die Eisenbahn, welche jest nach Portsmouth und Southampton führt, heißt,,Southwestern Railway" (die südwestliche Eisenbahn). Es ist, als wenn die wandernden und reisenden Engländer immer einen Compaß im Kopfe hätten; denn fast alle ihre geographischen Abtheilungen und Benennungen find von den Himmelsgegenden hergenommen. ་་༞་། Die meisten Eisenbahnen, welche von London auslaufen, haben ihren Namen von der Himmelsgegend erhalten, nach welcher sie sich wenden, so die südwestliche Eisenbahn und die große westliche (the Great Western) oder die Bristol' sche, die südliche (the Southern) oder die Brighton'sche ic. 212 Süd, Nord, Ost, West. ebenso laffen fie gewöhnlich ihre Insel in das nördliche, füdliche, westliche und östliche Land (the Eastern Counties, the Western Counties etc.) zerfallen. Im gemeinen Leben hört man die verschiedenen Theile des Landes beständig so bezeichnet. So zerfallen auch fast alle ihre Grafschaften in ein westliches und östliches, oder in ein südliches und nördliches Stück, z. B.,,East-Suffolk," ,,West-Suffolk,“ ,,North-Wiltshire," ,,South-Wiltshire," je nachdem dieselben in dieser oder in jener Richtung långer gestreckt sind. Auch ihre Städte scheiden sie in ein Westende und in ein Ostende. Ja sogar die ganze Welt theilen die Engländer in den Süden, Norden, Osten und Westen ein, indem sie sich und ihr Land dabei natürlich als in der Mitte liegend ansehen. Ihre ganze Schifffahrt ist daher entweder nördliche, oder füdliche, oder westliche, oder östliche Schifffahrt (Northern, Southern, Western, Eastern Navigation). Es ist genau bestimmt, welche Länder zu dieser oder jener Schifffahrt gehören*). Wir kennen von dem Allen nichts bei uns, δα *) So gehören zur nördlichen Schifffahrt z. B. das ganze nördliche Europa, auch Holland und Deutschland, nebst Grönland und der Küste von Labrador, zu der südlichen Schifffahrt die Länder des Mittelmeeres, auch Frankreich, die pyrenäische Halbinsel und die ganze Küste von Afrika bis zum Cap der guten Hoffnung, zur westlichen Schifffahrt Nord-Amerika_und Süd-Amerika bis zum Cap Horn, und endlich zur östlichen Schifffahrt alle Küsten und Meere zwischen dem Cap der guten Hoffnung und dem Cap Horn, Ostindien, die Ostküste Afrika's, China, Australien und alle Häfen des stillen Oceans. wir nicht so wie der Engländer jeden kleinen Fleck gleich in seinem Zusammenhange mit dem Weltganzen erblicken und auffassen. Der südwestliche Train durchrauscht zunächst die Grafschaft Surrey, die ebenso wie das englische Paradies, die Grafschaft Kent, das vornehmste Hopfenland des König, reichs ist. Die Hopfengårten vertreten in der Nähe von London die Stelle der Weinberge, wie das Bier für die geringere englische Bevölkerung die Stelle des Weines. Ich hatte von London aus einen kleinen Ausflug in diese Hopfendistricte gemacht, die mir ein nicht geringes Interesse gewährten. Ich besuchte die Hauptstadt des englischen Paradieses, das anmuthig gelegene Maidstone, das zu glei= cher Zeit die Hauptstadt des Hopfendistricts ist. Leider waren die,,Hoppers" (Hopfenbauer) dieß Jahr sehr bes trübt, denn das Wetter war für ihr Gewächs ungünstig gewesen. Die Hopfenstauden hatten sich nicht gehörig entwickelt, und an ihren Ranken hingen schwärzliche Blätter, die zum Theil wie verkohlt aussahen. Der Hopfen hat es mit dem Weine gemein, daß er sehr zart und empfindlich ist und durch die Veränderungen des Wetters mehr als andere Ackerbaupflanzen leidet. Man hat zuweilen in einem Jahre zehn und sogar zwölf Mal so viel geerntet als in einem anderen. Bei der Hopfenernte (in the picking season) geht es fo lebhaft zu, wie bei der Weinernte am Rhein. Die munteren armen Irländer kommen dazu in Schaaren herbei. Die Hopfengartenbesizer haben für ihre Beherbergung |