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Zweck des Steinmonuments.

Schwert der Feinde umgekommen, damit dieses dauerhafte Monument gewissermaßen ein Altar der Tugend für ewige Zeiten sein möchte. Gewiß ist es, daß man in dieser Gegend viele Menschenknochen ausgrub, und daß das einige Meilen von Stonehenge liegende Städtchen Amesbury oder Ambresbury (d. h. Ambrosiusburg) von eben jenem Ambrosius seinen Namen hat, der gegen das Ende der römischen Herrschaft in Britannien sich hier mit dem kaiserlichen Purpur bekleidete und dem Vaterlande Hülfe und wenigstens temporåre Rettung brachte, indem er auf dieser Ebene über die zurückgeschlagenen Sachsen triumphirte. In eben diesem Ambresbury soll auch in der alten briti schen Zeit eine ganze Reihe britischer Könige residirt haben.

Andere wollen, daß Stonehenge ein druidischer Tempel gewesen sei. Da übrigens ein Mausoleum und ein Tempel sich sehr wohl vereinigen lassen, und da beide sogar unter Umständen Eines sein können, so ist im Grunde die Meinungsverschiedenheit nicht so groß. Auch unsere Kirchen dienen ja noch bis zu dieser Stunde oft zu Begräbnißplähen.

Es ist merkwürdig, daß Stonehenge so vollkommen kahl daliegt. Nicht nur kein Baum, sondern auch nicht der geringste Busch wächst in der Nähe und eben so wenig in der Ferne weit und breit. Dieß und der graue traurige Himmel, der gewöhnlich über ihm schwebt und der auch an dem Tage, an dem wir das Monument besahen, über ihm schwebte, machen Stonehenge äußerst melancholisch. Für die Schäfer der,,South Downs" ist es ein Rendezvous. Sie stehen sinnend darunter und sißen im

Die Burrows bei Stonehenge.

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Gespräch auf den alten umgefallenen Steinblicken. Ich hörte immer das Geläute der Schafglocken, und mein Schäfer erzählte mir, daß oft 20 bis 30 Herden hier in näherer oder weiterer Ferne herum weideten und die Schäfer dann hier zusammenkámen. In neuester Zeit, im August des Jahres 1842, hat man diesen alten Tempel zum Schauplag einer Dalia-Ausstellung gemacht. Die alten, öden Ruinen mögen sich dann, so mit prachtvollen Blumen geschmückt, besonders schön ausgenommen haben. Und ohne Zweifel ist eine solche Benuhung des alten Ortes kein Mißbrauch, wenn nicht etwa Speculation sich beimischt, um durch die Außerordentlichkeit des Schauplaßes um so mehr Liebhaber für die Blumen zusammenzubringen.

In der Nachbarschaft von Stonehenge, einige Büchsenschüsse von den gigantischen Steinen entfernt, erheben. sich im Rasen mehre kleine,,Tumuli" (Grabhügel), die überall in diesen Kalkdünen des südlichen Englands außerordentlich häufig erscheinen. Die Engländer nennen sie bekanntlich,,Barrows" oder,,Burrows. “ Auch die Schäfer, die ich fragte, hatten den Namen,,Burrows" dafür, was wahrscheinlich mit dem englischen Verbum,,to bury" (begraben) und dem deutschen,,bohren“ (aushöhlen, ausgraben) zusammenhängt. Wie diese Burrows sich hier über die südlichen Downs weit verbreiten, so steht auch Stonehenge selbst nicht isolirt da. Es giebt in Wiltshire ein Mausoleum oder religiöses Druidengebäude, das dem von Stonehenge ganz ähnlich ist, nur mit dem Unterschiede, daß es erstlich viel größer, zweitens auch viel ruinirter ist. Daffelbe liegt etwa acht deutsche Meilen

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Das Steinmonument bei Avebury.

nordwestlich von Stonehenge bei Avebury. Der Kreis der Steine des Monuments von Avebury soll selbst zum Theil noch durch dieses Dorf selbst verfolgt werden können. Doch haben die Menschen das Meiste davon anderweitig benugt, zerstört oder überbaut.

Stonehenge hat wahrscheinlich seinen Namen von den großen Kronsteinen, die sich über die Gerippsteine hinüberbrücken und gewissermaßen zu hängen oder schweben scheinen, und die ohne Zweifel, wie es das immer so Eluge Volk richtig erkannte, den charakteristischen Zug von dieser Steinzusammensehung ausmachen. Denn während Steinringe und Steinkreise häufig sind, ist dieß Hängen oder Schweben der Quersteine selten oder vielleicht einzig. Ich weiß nicht, ob die Steine bei Avebury Aehnliches haben. Aber auch der lateinische Name, den das Mausoleum bei den alten englischen Schriftstellern führt,,,Gigantum chorea" (das Chor der Giganten), ist eine sehr bezeichnende Benennung. Denn in der That glaubt man zwischen diesen cyklopischen Säulengången die Schatten eines titanischen Geschlechtes wandeln zu sehen.

XXVIII.

Von Stonehenge nach Eton.

Nachdem ich nun Stonehenge besehen, war das Christfest nicht nur sehr nahe gekommen, sondern der Weihnachtsmann pochte an die Thüre. Es war nämlich Weihnachtsabend, und der nächste Tag der erste des fröhlichen Festes selbst. Um diese Zeit suchen alle Leute in England irgend einen Plaz auf dem Lande aus,,,to keep their christmas" (um ihre Weihnachten zu halten). Alle öffentlichen Institute haben an diesem Tage einen Festtag und erhalten ein außer ordentliches Mittagsmahl. Alles, was einen Verwandten auf dem Lande besigt, wandert an diesem Tage aus London hinaus zu ihm, um,,Christmas-dinner" und Fuchsjagden zu genießen. Die Londoner Cockneys, die keine Verwandten auf dem Lande haben, gehen wenigstens nach Epping hinaus, einem Dorfe bei London, wo um diese Zeit die,,Epping hunt" (Eppingjagd) stattfindet. Sogar die Vagabonden in den Nachtasylen erfreuen sich am Weihnachtstage eines außerordentlichen Festessens. Ja selbst in einigen Gefängnissen macht man den Gefangenen an diesem Lage

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ein außerordentliches Zugeständniß. Und auch die Aerms sten erhalten zum Plumpudding ein Weihnachtsalmosen und Geschenk, damit sie doch wenigstens einen reichlichen und einen sorgenlosen Tag im Jahre genießen mögen.

Es entstand nun auch für den Reisenden die Frage, wo er sein Weihnachtsfest feiern sollte. Glücklicherweise war die Lösung dieser Frage nahe zur Hand. Denn ich hatte schon im Voraus die freundliche Erlaubniß erhalten, auf einem der schönsten benachbarten Landsize, auf Bowood, an der Feier des Weihnachtsfestes Theil zu nehmen, und ich machte mich daher von Stonehenge aus über Devizes dahin auf den Weg, indem ich zunächst meinen Gig auf die große Landstraße lenkte, um hier die Devizes-Kutsche abzupassen und mich ihr bis zu jenem Städtchen anzuvertrauen. Die ganze Kutsche war vollgepackt mit ,,Christmas-boxes" (Weihnachtsschachteln). So werden eigentlich die Schachteln genannt, in welche Geschenke verpackt sind, dann aber heißen diese Geschenke auch selbst so.

Die meisten dieser ,,Christmas-boxes" waren fette Puter, eine Delicatesse, mit der man sich um Weihnachten so häufig überrascht, daß, wie ich später las, ein Dampfschiff zu diesem Weihnachtsfeste mehre Tausende solcher Ueberraschungen auf ein Mal nach London heranführte.

Unsere Gesellschaft bestand meistens aus solchen müssigen Leuten, die von einem Orte zum anderen fuhren, um ihren Freunden und Verwandten Besuche abzustatten, nachdem sie sich auf einige Zeit von ihren Geschäften freis gemacht. Darunter war auch eine Gouvernante, die, wie sie mir sagte, die Kinder eines,,farming gentleman" in

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