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Johann II. von Portugal.

Neuere Geschichte.

Erster Beitraum. Das Zeitalter der geographischen Entdeckungen und der Glaubensreformation.

Bom Aufschwung der Seefahrten bis zum Augsburger Religionsfrieden (1486 — 1555).

3weiter Abschnitt.

Die Entwickelung in Mittel- und Süd-Europa bis auf Kaiser Karl V.

1. Portugal unter Johann II. und Emanuel.
(1481-1521.)

Der Uebergang vom Mittelalter in die neuere Zeit ist in den westeuropäischen Reichen durch das vom Glück gekrönte, aber in den angewandten Mitteln keinesweges fleckenlose Streben der Könige bezeichnet, die Macht der Krone zu heben und die Feudalaristokratie zu beschränken. In Portugal geschah dies durch Johann II.

Dieser König war der Sohn und Nachfolger Alfon's V., der zwar Tanger erobert, aber an der fehlgeschlagenen Aussicht, Castilien zu erwerben, Kraft und Muth verschwendet hatte. Mit größerer Energie ergriff und hielt Johann II. die Zügel der Regierung. Feurig und in der Blüthe seiner Mannskraft, that er es Alleu an Muth und Unerschrockens heit zuvor. Als er einst mit seiner Gemahlin zu Fuß nach dem Zwinger gehen wollte, wilde Stiere zu besehen, sprang einer derselben wüthend heraus, und rannte ihm entgegen; alles floh, er aber trat unerschrocken ver die Königin, und erlegte das grimmige Thier mit seinem Degen.

Im Selbstgefühl des Herrschers brannte er vor Begierde, die übermäßige Gewalt des hohen Adels zu brechen. Er zwang die Vasallen, nicht bloß für ihre Person, sondern auch für die ihnen untergebenen Leute die Huldigung zu leisten; nahm den Großen manche vormals an sie veräußerte oder verschenkte Krongüter und Gefälle, über die sie keine völlig gültigen Rechtstitel aufweisen konnten; und verordnete, daß den königlichen Gerichten auch die Städte des Adels unterworfen sein, daß die peinliche Gerichtsbarkeit nur der Krone und nirgends dem Adel zustehen, und daß sämmtliche Richterstellen nur mit Rechtsgelehrten besetzt werden sollten. Der Adel trug diese Neuerungen mit Unwillen, und setzte seine Hoff= nung vorzüglich auf den Herzog Ferdinand von Braganza, einen durch ritterliche Tugenden ausgezeichneten Mann, der des Königs Schwager und zugleich ihm blutsverwandt war. Denn sein Großvater Alfons, der erste Herzog von Braganza, war ein natürlicher Sohn König Johann's des Unechten gewesen. Nichts desto weniger ließ Johann II. ihn verhaf= ten und peinlich anklagen, daß er mit den Spanischen Herrschern im geheimen Einverständniß stehe, und die Abgeordneten der Städte zur Widerseßlichkeit gegen den König anreize. Auf das eingeleitete Rechtsverfahren übte Johann ungebührlichen Einfluß, indem er den Sißungen der Richter beiwohnte. So ward der Herzog ohne vollständigen Be= weis und ohne Geständniß verurtheilt und auf öffentlichem Markte hingerichtet (1483). Die übrigen Glieder des Hauses Braganza ergriffen die Flucht.

Inzwischen lechzte der Adel darnach, sich zu rächen. Eine Ver= schwörung gegen des Königs Leben wurde von dem Herzog Jakob von Biseo, einem Bruderssohn König Alfons' V. und ebenfalls Schwager Johann's, eingeleitet. Johann, rechtzeitig gewarnt, entwaffnete zweimal, bloß durch seinen festen Blick und seine Fassung, die ausgesandten Mörder. Endlich ließ er den Herzog eines Abends zu sich rufen, und als dieser in sein Zimmer trat, fragte er ihn mit angenommener Munterkeit: ,,Vetter, wenn Dich jemand ermorden lassen wollte, was thätest Du?" Bestürzt antwortete der Herzog nach einigem Nachdenken: „Ich würde sehen, ob ich ihm nicht zuvorkommen könnte." —,,Recht," rief der König,,,Du hast Dir selbst das Urtheil gesprochen!" und in demselben Augenblick stieß er ihm rasch seinen Dolch zu wiederholten Malen in den Leib (1484). Die übrigen Verschwornen, die sich nicht durch die Flucht retteten, wurden nun eingezogen und hingerichtet. Seitdem wagte der Adel keine Versuche mehr, seine ehemaligen Rechte wiederherzustellen, und der König erhielt von den Ständen die Steuern, die er verlangte.

Johann II. und Emanuel, Könige von Portugal.

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Mit gleicher Heftigkeit umfaßte Johann II. die lockenden Plane, Portugal's Macht und Handel an der reichen Küste von Afrika auszu= dehnen. Er war in diesem Puncte so eifersüchtig auf seine Nachbarn, daß er auf die Nachricht, es wären drei seiner Schiffsleute, die das Aethiopische Meer befahren hatten, nach Castilien gegangen, diesen mit größter Hast nachsehen ließ; zwei derselben wurden auf der Stelle niedergehauen, den dritten aber, der ihm lebendig zurückgebracht wurde, ließ er viertheilen. Er war es auch, der den kühnen Diaz aussandte, und dem entdeckten Borgebirge den hoffnungsvollen Namen gab. Wenn er dagegen den Columbus abwies, so geschah es doch nur aus dem guten Grunde, weil er es vorzog, den einmal betretenen sichern Weg nach Indien zu verfol= gen, als an die Aufsuchung eines neuen und ungewissen vielleicht vergeb= liche Summen zu wagen.

Er hatte den Schmerz, seinen Sohn und bestimmten Nachfolger fterben zu sehen, und war nun darauf bedacht, den Thron einem natür= lichen Sohne zuzuwenden. Er fand aber beim Papste, der den Knaben für rechtmäßig erklären sollte, und zumal bei seiner Gemahlin*) unüberwindliche Schwierigkeiten, so daß er hinschied (25. Oct. 1495) ohne diesen Zweck erreicht zu haben, und das Königreich dem nächsten echten Erben, dem Herzog Emanuel von Beja, einem Bruder des getödteten Herzogs Jakob von Visec, hinterlassen mußte.

König Emanuel ist der Glückliche genannt worden, und glücklich war er auch in der That, und was mehr ist, auch werth es zu sein. Mit dem Eifer seines Vorgängers, die Portugiesische Macht zu erhöhen, mit dessen Festigkeit und Geist verband er einen sanften, wohlwollenden Sinn. Große Freigebigkeit, Herablassung, Mäßigkeit, mehrere gute Anordnungen und Stiftungen, und die Sorge für eine bessere Rechtspflege, machten ihn seinen Unterthanen in einem vorzüglichen Grade werth.

Dem Gesandten des Königs Franz I. von Frankreich, der ihn in ein Bündniß zu ziehen wünschte, antwortete er mit einer die übrigen Monarchen seiner Zeit wahrhaft beschämenden Weisheit: den Christen zieme Frieden und Eintracht **). Mit Recht hielt er es für verdienstlicher und ehrenwerther, Macht und Reichthum auf Kosten der Feinde

* S. Schäfer, Gesch. von Portugal, Bd. II. S. 655 ff.

**) Emmanuel respondit - a bellis, quae Christiani principes inter se gerebant, vehementer abhorrere. Sibi namque in animo esse, Saracenis, si posset, perniciem et interitum machinari. Christianis vero principibus bonam mentem et animorum concordiam precari. Osorius de reb. Emman. X. fol. 293.

Beder's Weltgeschichte. 8. Aufl. IX.

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des christlichen Glaubens zu gewinnen, und hier sparte er keinen Eifer. Daher setzte er die Kriege mit den Mauren in Afrika fort, wiewohl ohne großen Erfolg. Die glänzendere und wahrhaft großartige Seite seiner Regierung sind die kühnen Seereisen und die Eroberungen in Asien, von denen oben geredet worden ist. Unter ihm fand Vasco de Gama den neuen Seeweg und Cabral Brasilien; unter ihm begründeten Almeida und Albuquerque die Herrschaft ihres Volkes in Ostindien. Die Schätze des reichsten Landes der damals bekannten Erde flossen in Lissabon zusammen; alle Handel treibenden Nationen mußten die Producte der Gewürzinseln und den größten Theil ihrer Seite und Baumwolle hier kaufen. Venedig und Spanien sahen mit Eifersucht auf das so schnell emporge= kommene Reich, dessen sonst wenig bedeutender König jezt Gesandtschaf= ten von Abyssinien und vom Perfer-Schah empfing. Mit einem Worte, es war das goldene Zeitalter des Portugiesischen Volkes. Eine allge= meine Begeisterung belebte Alt und Jung, sich durch_ritterliche Unter= nehmungen und Seezüge hervorzuthun. Dieser Geist theilte sich selbst dem andern Geschlechte mit, und Emanuel's Geschichtschreiber, der Bischof Oserius, sagt, daß die Frauen am Hofe Keinem ihre Gunst schenk= ten, der nicht im Kriege eine tapfere That verrichtet hatte.

2. Spanien unter Ferdinand und Isabella.
(1474 u. 1479—1516.)

Wir haben die Geschichte von Spanien früher bis zu dem Zeitpunkte geführt, wo durch die Vermählung Ferdinand's von Aragonien, der den Beinamen des Katholischen erhielt, und Isabellen's von Castilien der Grund zur Vereinigung beider Reiche gelegt ward. Beide regierten ge= meinschaftlich, doch so, daß jedes Reich seine besondere Verfassung und Verwaltung behielt. Isabella war schön, anmuthig, klug, und übertraf ihren Gemahl weit an Milte und Adel der Gesinnung. Ferdinand, ein Fürst von Geist und Kraft, suchte seine Zwecke durch) Arglist und Schlauheit zu erreichen. Doch waren die Bestrebungen Beider fast immer auf dieselben Ziele gerichtet. Dahin gehörte vor Allem, die königliche Macht in beiden Reichen möglichst unabhängig von dem Adel und der hohen Geistlichkeit zu machen, wozu sie die Zeitumstände mit großer Klugheit benutten. Im Allgemeinen bedienten sie sich der nämlichen Mittel, die

Ferdinand und Isabella von Spanien.

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Johann II. von Portugal anwandte. Sie verschafften sich vom Papste Sixtus IV. das Recht, die Bisthümer zu beseßen, dem Adel wurde die richterliche Gewalt genommen, und die Gerichtshöfe wurden mit Rechtsgelehrten besetzt. Die drei geistlichen Ritterorden Spanien's besaßen so viel Land, Kriegsmacht und Festungen, daß ihre Großmeister den Köni= gen oft gefährlich geworden waren. Isabella und Ferdinand wußten es dahin zu bringen, daß dieser allmählig selbst zum Administrator der Dr= den gewählt wurde, bis späterhin der Parst die Verbindung der Großmeisterthümer mit der Krone für immer bewilligte. Dadurch fielen dieser bedeutende Einkünfte, die Verfügung über die Kriegsmacht der Orden, und großer Einfluß auf die Ritter sowie auf diejenigen zu, die es werden wollten. In den Städten bestand von Alters her eine Miliz, um für Ordnung und Ruhe innerhalb der Ringmauern und für die Sicherheit der Landstraßen zu wachen. Sie hieß die heilige Brüderschaft (la santa hermandad). Diese Einrichtung war in Verfall gerathen, wurde aber jezt von Ferdinand nd Isabella wieder hergestellt und gebraucht, der Zügellosigkeit des Adels zu steuern, der von seinen Schlössern aus Plünderung und Unfug verübte.

Auf solche Weise stellten sich die Könige (so heißen bei den Spanischen Geschichtschreibern Ferdinand und Isabella) selbst an die Spitze der adligen und städtischen Institutionen, um deren Unabhängigkeit zu brechen *). Und wie sie durch die Besetzung der Bisthümer auf die Kirche großen Einfluß gewannen, so diente auch eine andere Einrichtung in der leztern, die unter ihrer Regierung eingeführte Inquisition, ihre Zwecke zu befördern.

Die Inquisition hatte zwar schon bei ihrer Entstehung im dreizehnten Jahrhundert auch nach Spanien den Weg gefunden; jezt aber wurte sie neu begründet und befestigt, und mit der weit größern Ausrehnang ihrer Macht erhielt sie die schreckliche Gestalt, in der sie Jahrhunderte hindurch die Geißel dieses Landes war. Spanien hatte durch die zahlreichen Mauren und Juden, die dort lebten, einen nichtchristlichen Bestandtheil von großer Bedeutung in seiner Bevölkerung; und Fertinand glaubte, daß politische Einheit ohne Glaubensübereinstimmung nie wurzeln könne. Dazu gesellte sich mißverstandener Religionseifer und Habsucht. Die Juden hatten durch die außerordentlichen Neichthümer, in deren Besit sie waren, einen allgemeinen Haß auf sich geladen, der

*) Nanke, Geschichte der Nomanischen und Germanischen Völker. Bd. L S. 53. Vgl. Prescott, Ferdinand und Isabella, Tyl. I. S. 223 ff.

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