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Dom Heinrich von Portugal. Madeira.

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die Grenze für die Schifffahrt war, obschon einzelne kühne Seefahrer fich darüber hinausgewagt hatten. Glücklicher Weise kam die Leitung dieser Entdeckungen in die Hände des Infanten Dom Heinrich, eines jungen Mannes von trefflichen Talenten und großer Wißbegierde, der das Studium der Erd- und Himmelsfunde mit rastlofem Eifer trieb, und den Umgang der gelehrtesten Männer feines Volkes aufsuchte, um seine Kenntnisse zu erweitern. Wenig verrieth sein eckiges, fast quadratisches Geficht die innere Größe; doch der gelassene, klare Blick verkündete Ausdauer bei reifen Vorsägen. Dem Wein und der Liebe völlig abgesagt, gab er sich ausschließlich seinem hohen Ziele hin. Sorgfältig forschte er nach den Berichten der Mauren über die entfernten Länder Afrika's, und entfernt vom Hofe, auf seinem Landfiße Terzanabel in Algarbien, entwarf er Pläne zu Reisen, die seinen Entdeckungstrieb und seinen Durst nach Ruhm befriedigen sollten. Die Schäße des Christusordens, dessen Großmeister er war, gaben ihm die Mittel dazu. Die ersten Schiffe, die er nach der Einnahme Ceuta's durch die Portugiesen im Herbst 1415 ausfandte, kamen bis zum Vorgebirge Bojador, wagten jedoch nicht, dasselbe zu umsegeln und weiter in das unbekannte Meer vorzubringen. Endlich erboten sich zwei Ritter aus seiner Umgebung, Johann Gonsalvez und Tristan Baz, zu einer neuen Unternehmung. Sie entdeckten 1419, vom Sturm verschlagen, die Insel Porto Santo, die ihren Namen schon früher von Italienischen Seefahrern erhalten hatte. Der Infant fandte Anpflanzer hin, welche Sämereien und einige zahme Thiere mitnahmen. Unter den letztern befand sich ein trächtiges Kaninchen, das in wenig Jahren eine Nachkommenschaft, lieferte, die alle Saaten abfraß, und von der man im Ernste den raschen Untergang der neuen Colonie fürchtete.

Bon Porto Santo sahen die Portugiesen oft bei hellem Wetter einen fernen Nebelstreif am Horizonte, und Gonsalvez und Tristan Baz beschlossen einmal, auf denselben loszusteuern. Sie fanden die von den Stalienern mit dem Namen Do legname bezeichnete Insel, welche überall mit dem dichtesten Gehölz bewachsen war, und die nun auch portugiesisch Madeira, d. i. die Waldinsel, genannt wurde (1420). Um sich Raum zur Anpflanzung zu verschaffen, ließ Gonsalvez einen Theil des Waldes in Brand stecken. Das Feuer griff aber dergestalt um sich, daß es neun Jahre fortbrannte, und in dieser Zeit fast alles Holz der Insel zer= störte*). Dann wurden auf Befehl des Infanten gleichfalls Sämereien,

*) Barros Asia, deutsch von Soltau, Thl. I. S. 8. Peschel a. a. D. 6. 63.

zahme Thiere, Wein aus Cypern und Zuckerrohr aus Sicilien dorthin verpflanzt. In dem mit Asche so üppig gedingten Boden gedieh Alles vortrefflich; der feine Canarienzucker und der berühmte Maderawein wurden bald ansehnliche Handelsartikel der Portugiesen.

Troß dieser Erfolge gehörte nicht wenig Muth und Beharrlichkeit von Seiten des Infanten dazu, die betretene Spur zu verfolgen. Vorurtheil und Trägheit tadelten sein Unternehmen laut; man war auf den Entdeckungsreisen jezt dem heißen Erdstriche nahe gekommen, der nach den herrschenden Ansichten wegen der großen Gluth für unbewohnbar gehalten wurde, und wo man sich die ganze Natur mährchenhaft und voll von Schrecknissen dachte; dem vaterländischen Boden, hieß es ferner, würden die Bewohner entzogen, um sie auf den Meeren, oder in ent= fernten wüsten Ländern umkommen zu lassen. Erst im Jahre 1432 ließ der Infant wieder ein Entdeckungsschiff ausrüsten, und dieses umsegelte endlich (1434) unter der Anführung seines Hofjunkers Gilianez das ge= fürchtete Cap Bojador, eine That, die damals für eine außerordentliche galt; Gilianez hatte das Gelübde gethan, entweder diese Aufgabe zu lösen oder nie wieder heimzukehren. Um dieselbe Zeit wurden auch die Azoren entdeckt. Vom Papste ließ sich der Infant eine Urkunde ausstellen, in welcher den Portugiesen ein ausschließliches Recht auf alle Entdeckun= gen bis nach Indien hin zugesprochen ward. Die Reisen wurden fort= gesetzt, obschon die Schiffe anfangs keine andere Ausbeute zurückbrachten, als Robbenfelle. Dann fingen die Portugiesen an, bei ihren Landungen Menschen aufzugreifen, und da einige der gefangenen Mauren sich durch schwarze Sklaven auslöseten, so sah Lissabon 1442 zuerst mit Erstau= nen eigentliche Neger, eine von den Bewohnern Nordafrika's völlig ver= schiedene Menschenrasse. Dies war für die Europäer der erste Anfang des schändlichen Negerhandels. Da dasselbe Schiff auch eine ziemliche Menge Goldstaub mitbrachte, jo hörte jezt auch alles Murren wider die Unternehmungen des Prinzen auf. Bisher hatte dieser allein die Kosten der Ausrüstungen getragen, jezt bemühten sich Biele um die Erlaubniß, Schiffe nach den reichen Ländern senden zu dürfen, und was der Ent= deckungstrieb begonnen hatte, vollendete die Goldgier. Heinrich hatte die Freude, schon kleine Flotten aus dem Hafen von Lagos auslaufen zu sehen. Nachdem 1441 das weiße Vorgebirge entdeckt worden, drang 1445 Diniz Dias (auch Fernandez genannt) über den Senegal hinaus vorwärts, und entdeckte dergestalt das grüne Vorgebirge. Dom Heinrich erlebte noch, daß seine Schiffe nach Guinea kamen. Er starb 1460, hochverdient um sein Vaterland und um die Welt; durch ihn hatte

Die Azoren. Guinea.

Europa zum erstenmale eine nähere Kunde über Afrika gewonnen, wenn auch viele Glieder desselben noch immer unbekannt blieben; durch ihn war zum erstenmale die Europäische Staatenwelt von der Atlantischen Küste aus in Beziehung zu den großen Staaten Innerafrika's getreten, dem Handel und Verkehr ein neues ungeheures Gebiet erschlossen worden.

Nach seinem Tode stockten die Unternehmungen einige Zeit. Alfons V., welcher damals auf dem Portugiesischen Throne saß, zog es vor, in dem Portugal zunächst gelegenen Theile von Afrika Eroberungen zu machen, und war auch durch anderweitige Händel zu sehr beschäftigt, um seine Aufmerksamkeit auf die Fortentwickelung jenes bedeutenden Zweiges der Landeswohlfahrt zu richten. Indeß ging unter seiner Re-` gierung ein Portugiesischer Seefahrer über die Linie hinaus, wodurch das alte Vorurtheil, daß der mittlere Strich der heißen Zone unbewohn= bar und undurchschiffbar sei, durch die That als irrig erwiesen war.

Alfonsens Sohn und Nachfolger, Johann II., ein thätiger und unternehmender Fürst, suchte alsbald Dom Heinrich's Plane wieder hervor, schickte Pflanzer nach Guinea, und ließ feste Orte auf der dortigen Küste anlegen. Seine Flotten entdeckten 1484 die Königreiche Benin und Congo, und drangen über dreihundert Meilen jenseits der Linie vor. Die Zurückkehrenden erzählten den staunenden Hörern Wunderdinge von den Sternen einer neuen Hemisphäre, welche die Europäer hier zum ersten Male erblickten. Es widerlegten diese Reisen zugleich den Irr= thum, daß Afrika gegen Süden immer breiter werde, wie man auf das Ansehen des Ptolemäus, dem damaligen Orakel der Erdbeschreibung, geglaubt hatte. Dadurch erhielt nun der auch wohl früher schon gehegte Gedanke, durch Umschiffung Afrika's einen Seeweg nach Indien aufzu= finden, einen mächtigen Schwung. Sowohl diese Aussicht als die Hoffnung, zu dem Reiche des berühmten Priesters Johann zu gelangen, bewogen den König Johann zu einer neuen Ausrüstung. Der Priester Johann war das Geschöpf einer im Mittelalter entstandenen seltsamen Sage. Er sollte ein christlicher Fürst mitten unter heidnischen Völkern, zugleich ein mächtiger Monarch und der Oberbischof seines Reiches sein; sein Siß war früher in das östliche Asien verlegt worden *). Schon

*) Die Sage von dem Priester Johann ist durch die Nestorianischen Chriften entstanden. Diese hatten sich um die Ausbreitung des Christenthums in Asien mit solcher Wirkung bemüht, daß ihre Kirche sich bis nach China hin erfirecte; den Katholiken stellten sie aber ihre Erfolge noch mit prahlerischen Uebertreibungen dar. Nähere Veranlassung zu jenem Gerüchte gab, wie mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen wird, daß einige Fürsten des Tatarischen Volkes

Dom Heinrich hatte seinen Seefahrern aufgetragen, sowohl über Judien wie über das Land des Priesters Johann Erkundigungen einzuziehen*). König Johann war jetzt auf Grund der erhaltenen Nachrichten überzeugt, jenes Priesterreich müsse in Ostafrika zu finden sein **), und dort wollte er es zu Wasser und zu Lande aufsuchen lassen. An der Spiße des flei= nen Geschwaders, welches er 1486 in dieser Absicht aussandte, stand der kühne Bartholomäus Diaz. Dieser umsegelte in der That, ohne ihrer ansichtig zu werden, die Südspiße von Afrika (1487), indem er auf hoher und stürmischer See erst weit südwärts steuerte, dann gegen Often. und endlich gegen Norden wandte; so erreichte er die Algoabai und die Kreuzinsel; aber weiter vorzubringen verhinderten ihn Meutereien unter seinen Leuten, die sich fürchteten, auf dem unbekannten Meere Hungers zu sterben. Auf ihrer Rückfahrt ***) kamen sie nun erst an das merkwürdige Vorgebirge, welches Diaz wegen der schrecklichen Stürme, die er bei der ersten Umseglung ausgestanden hatte, das stürmische Vorge= birge (cabo tormentoso) nannte. Nach seiner Heimkehr wurde aber die=. ser Name, im Geist der hochgespannten Erwartungen des Zeitalters, von dem vertrauenvollen Könige in die glückverkündende Bezeichnung des Vorgebirges der guten Hoffnung umgewandelt; denn Johann II zweifelte nicht länger, daß damit der Weg nach Indien gefun= den sei.

Noch vor der Rückkunft des Diaz hatte der König, gemäß seinem ursprünglichen Beschlusse einer Doppelexpedition, zwei Männer, den des Arabischen kundigen Covillam und den Payva, über das Mittelländische Meer nach dem Orient gesandt. Als diese nach Aden an der Südlüste von Arabien gekommen waren, trennten sie sich. Payva ging nach Abyf= finien; Covillam aber schiffte sich nach Indien ein, sah das herrliche Land mit eignen Augen, besuchte Calicut und Goa, ging nach Sofala, und kehrte dann nach Cairo zurück. Hier erfuhr er den Tod des Payva, fand jedoch zwei Juden, die früher im Morgenlande gewesen waren, dem Könige Johann Nachrichten von den dortigen Handelsverhältnissen gebracht hatten, und von ihm den Gesandten nachgeschickt worden waren.

ber Keraiten sich vom Anfange des 11. Jahrhunderts an zum Christenthum bekannten. Ihr Reich ging durch die Mongolischen Eroberungen zu Grunde. Ausführlichere Nachweisungen geben Schröckh Kirchengeschichte, Thl. XXV. S. 186 fg., und Ritter Erdkunde, 2 Ausg. Thl. II. S. 283 fg.

*) Azurara, bei Peschel a. a. D. S 73.

**) Lafitau, Histoire des decouvertes des Portugais, T. I. p. 58. ***) Barros a. a. D. S. 69. Vgl. Bejchel a. a. D. S. 93 ff.

Barth. Diaz. Cap der guten Hoffnung. Pahva und Covillam.

Durch den einen derfelben sandte Covillam dem Könige Bericht von sei= ner Reise nach Indien; mit dem andern ging er erst nach Ormuz und hierauf, dem erhaltenen Befehle zufolge, nach Abyssinien, wo der Briester Johann herrschen sollte. Dort fand er wirklich ein christliches Volk und einen christlichen König, der ihn sehr gütig aufnahm, aber unglücklicherweise schon nach einigen Tagen starb. Sein Nachfolger wollte den bedauernswerthen Covillam nicht wieder entlassen, sondern zwang ihn, in Abyssinien zurückzubleiben. So löste sich die Sage vom Priester Johann.

4. Christoph Columbus und die Entdeckung Amerika's.

Während nun alle Blicke Europa's in höchster Spannung auf die Umschiffung Afrika's gerichtet waren, und von ihr die Vollendung des Weges nach Indien erwarteten, hatte in dem Geiste eines großen Mannes, des berühmten Columbus, der Gedanke Reife gewonnen, diesen Weg in einer ganz andern Richtung aufzusuchen; ein Gedanke, dessen Ausführung nichts Geringeres zur Folge hatte, als die Entdeckung eines neuen mächtigen Welttheils und eine völlige Umgestaltung des menschlichen Wissens von der Erde. Allerdings war das Festland von Amerika schon ein halbes Jahrtausend vor Columbus, wie wir in der Geschichte des Mittelalters erzählten, durch die Normannen von Island und Grönland her aufgefunden worden. Doch war die Kunde davon, obwohl sie sogar nach Nom gelangte, im Laufe der Zeit so vollständig wieder in Bergessenheit gerathen, daß des Columbus Entdeckerruhm nicht im mindesten durch jene Thatsache geschmälert werden kann. Zwar ist es nicht unmöglich, daß er bei seinem Befuche Islands im Jahre 1477 eine, wenn auch nur dunkle Sage darüber hätte vernehmen können; allein aus seinen Schriften, wie aus der Richtung seiner eigenen Pläne geht genugsam hervor, daß er nichts von einem Continente im Südwesten Islands wußte oder ahnte. Denn eben nicht nach dem öden und sagen= haft verschollenen Winland, sondern nach den regsamen und geschichtlichen Kulturländern Ostasiens trug ihn sein sehnsüchtiger Blick über den Atlantischen Ocean; eine nähere Kunde von jenen Entdeckungen hätte also, fern davon ihn zu bestärken, ihn vielmehr in seiner Zuversicht be= unruhigen müssen. So stand denn offenbar der große Genuesische Seefahrer, zwar nicht unabhängig von den zahlreichen Vermuthungen und

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