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Mannes endlich gekrönt. Er eilte nach Palos, einem Seehafen in Andalusien, wo seine kleine Flotte ausgerüstet werden sollte, und welches unweit des Klosters Rabida lag. Mit dem Ende des Julius war Alles zur Abreise fertig. Drei höchst mittelmäßige Schiffe, von denen die bei= den kleineren ohne Verdeck in der Mitte (von der Art, die Caravelen genannt wurden) nicht viel mehr als große Boote waren, machten die ganze Flotte aus. Die Bemannung bestand aus hundertundzwanzig Bersonen, wovon die meisten sich auf das tollkühne Unternehmen nur sehr ungern einließen; wie denn überhaupt die ganze Ausrüstung mittelst der härtesten und willkürlichsten Maaßregeln von Seiten des Hofes, gegenüber dem allgemeinen Vorurtheil und dem unaufhörlichen Widerspruch der in Anspruch Genommenen, durchgesetzt werden mußte. Den Tag vor der Abreise begab sich die ganze Gesellschaft nach dem Kloster Rabida, empfahl sich Gott und allen Heiligen im Gebete, beichtete, und erhielt Lossprechung und Abendmahl, nach frommer Christen Weise.

5. Columbus' erste Entdeckungsreife.
(1492-1493.)

Den nächsten Morgen, den 3. August 1492, an einem Freitage, turz vor dem Aufgang der Sonne, stieß die kleine Flotte vom Lande ab, in Gegenwart unzähliger Zuschauer, welche die fühnen Abenteurer mit bangen Blicken begleiteten.

Auf der Santa Maria, dem Hauptschiff, befehligte Columbus selbst; die beiden andern, Pinta und Nina, führten die Gebrüder Zinzon, zwei gleichfalls muthige und entschlossene Männer, aus der reichsten und an= gesehensten Schifferfamilie von Palos. Columbus leuchtete Allen voran. Er war von hohem Wuchs und rüstigem Körperbau, sein längliches Geficht durch eine Adlernase, durch Sommerflecken und stehende Röthe marfirt, und seine hellen blauen Augen voller Leben; doch ließ ihn sein schon im dreißigsten Jahre ergrautes, ursprünglich rofhblondes Haar als früh gealtert erscheinen. Heiter und gesprächig im Familienkreise, war er im Umgange mit Andern nicht selten kurz und herb. An gottergebener Ent= schlessenbeit stand er Keinem nad); in der Zuversicht des Gelingens überbot er Alle.

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Am dritten Tage, als man noch in bekannten Gewässern den Canas rischen Inseln zusegelte, brach das Steuerruder der Pinta; ein Unfall, der den Columbus Anfangs bestürzt machte, weil er argwöhnte, derselbe sei von der Mannschaft absichtlich herbeigeführt worden, um das Schiff unbrauchbar zu machen und damit zurücksegeln zu dürfen. Indeß wurden die Canarischen Inseln glücklich erreicht, und auf einer derselben legte man an, um die Beschädigungen auszubessern.

Am 6. September fuhr die Flotille wieder ab, und gerade ins Weltmeer hinein gegen Westen. Nach einigen Tagen erhob sich ein Ost= wind, der auch, mit wenigen Unterbrechungen, sanft und milde bis zu Ende anhielt, und die Fahrt sehr begünstigte. Bald war alles Land aus den Augen der Schiffenden verschwunden, die, von der ganzen lebendigen Welt abgeschnitten, keine Aussicht hatten, als auf ein ungeheures. Meer und den weiten Himmel, und immer tiefer hineingetrieben wurden, von einem Verwegenen angeführt, der keine andere Kunde vom Ziel hatte, als die seine Phantasien ihm vorspiegelten! Auch den Beherztesten fing der Muth zu sinken an. Columbus suchte ihnen indeß wieder Vertrauen einzuflößen, und seine eigene Ruhe mußte ihre Bewunderung erwecken. Unermüdet stand der kühne Mann Tag und Nacht mit Senkblei und Beobachtungsinstrument auf dem Verdeck, schlief nur wenige Stunden, und zeichnete die kleinste Beobachtung auf. Wo er Angst und Traurigs keit bemerkte, da redete er freundlich zu, und heiterte die Murrenden mit Versprechungen auf. Es war zum Erstaunen, welche Herrschaft über die Gemüther ihm zu Gebote stand. Als die Schiffe in den Strich des Passatwindes kamen, wurden sie sanft und mit großer Schnelle fortge= trieben. Columbus gab zwar den Fragenden eine geringere Strecke als die wirklich schon zurückgelegte an, dennoch wuchs die Angst des Schiffsvolks von Neuem. Hin und wieder stellte sich Anlaß zur Hoffnung ein. Man sah unbekannte Vögel; aber man wußte nicht, daß die Seevögel viele hundert Meilen weit fliegen können. Einmal war die See mit grünem Meergrase so dicht bedeckt, daß die Schiffe fast in ihrem Laufe aufgehalten wurden. Aber Gras und Vögel verschwanden nach einigen Tagen wieder, und die armen verlassenen Menschen sahen sich von Neuem auf dem weiten, öden Ocean allein. Was sollte aus ihnen wer= den, wenn ihre Vorräthe zu Ende gingen ?. Wie sollten ihre gebrechlichen Fahrzeuge die lange und sich immer weiter ausdehnende Rückreise aushalten, wenn sie nirgends einen Hafen fänden?

Endlich drohte die Furcht der Verzagten ihrem Führer und seinem Unternehmen die höchste Gefahr. Sie wollten den Admiral zwingen,

Columbus' Erste Entdeckungsreise.

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verruchten Gedanken ihn, Columbus stellte sich, als

zurückzukehren, und Einige faßten sogar den wenn er sich weigere, über Bord zu werfen. ob er ihre meuterischen Absichten nicht merkte, und besänftigte sie durch fein ruhiges, heiteres Vertrauen; er erklärte, daß er mit seinen bisheri= gen Fortschritten sehr zufrieden sei, und gewisse Hoffnung habe, sein Ziel bald zu erreichen.

Vögel erschienen und verschwanden wieder; mehrere Male glaubte man Land erblickt zu haben, wenn man aber näher kam, fand man sich getäuscht. Die Angst der Schiffsleute wandelte sich in Verzweiflung; fie erklärten, daß sie nicht weiter gehen würden. Columbus aber erwiederte mit großer Festigkeit, daß Alles umsonst sei, und daß er von seinem Unternehmen nicht abstehen werde, bis er mit Gottes Hülfe Indien ge= funden habe*). Kaum aber würden sein Muth und seine Haltung sie noch lange im Zaum gehalten haben, wenn sich nicht zum Glück am folgenden Tage, den 11. October, bestimmte Spuren von der Nähe des Landes gezeigt hätten; Rohr und ein Baumast mit rothen Beeren schwammen auf sie zu, ja sie fischten einen Pfahl, ein Brettchen und, was mehr als Alles war, einen künstlich geschnitten Stab auf. Die Sonne war eben untergegangen. Noch sah man nichts; aber Columbus befahl, forg= fältige Wache zu halten, um nicht etwa bei Nacht auf Klippen getrieben zu werden. Die größte Aufregung herrschte auf den Schiffen, kein Auge schloß sich. Zwei Stunden vor Mitternacht erblickte Columbus ein Licht von ferne. Der Schimmer war vorübergehend und ungewiß, aber Columbus betrachtete ihn als eine sichere Bürgschaft des Landes, und wirklich erscholl um zwei Uhr des Morgens (am 12. October, einem Freitage) von der stets vorauseilenden Pinta ein Kanonenschuß, als froh= lockendes Zeichen, daß man das Land deutlich erblicke. „Land! Land!“ erscholl es jezt aus jeder Brust; man stürzte einander in die Arme, Einer schluchzte vor Freude an des Andern Brust. Nach der ersten Trunken=

*) Columbus' Tagebuch vom 10. October bei Navarrete, T. II. p. 37. Was gewöhnlich von einer förmlichen Unterhandlung des Admirals mit den Aufrührern erzählt wird, daß er nur noch drei Tage verlangt habe, wenn sich dann kein Land zeige, wolle er umkehren — findet sich weder in diesem Tagebuche, noch bei irgend einem andern der ursprünglichen Schriftsteller, als dem unkritischen Oviedo, und verdient keinen Glauben. Ueberdies ward selbst von Oviedo diese Tradition" bezweifelt. S. Washington Irving Gesch. des Columbus, deutsche Uebers. von Meyer Bd. I. S. 204. A. v. Humboldt a. a. D. S. 212, hält die Angaben von der Furcht und den Meutereien der Schiffsleute auch sonst für übertrieben. Ebenso Peschel, a. a. D. S. 168 f.

Beder's Weltgeschichte. 8. Aufl. IX.

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heit des Entzückens erinnerte man sich seiner höhern Pflicht, und stimmte mit innigstec Andacht das Te Deum an. Als der Morgen anbrach, sah das Schiffsvolk eine schöne grüne Insel vor sich liegen.

Mit Sonnenaufgang bestiegen sie die Boote, und ruderten mit Kriegsmusik, fliegenden Fahnen und anderm Gepränge dem Lande zu. Am Ufer hatten sich viele Einwohner der Insel versammelt, die eben so sehr über die seltsamen Gäste erstaunten, als sie selber bei diesen Staunen erregten. Sie waren ganz nach, von einer röthlichen Kupferfarbe und, den Kopf ausgenommen, am ganzen Leibe unbehaart, übrigens wohlge= bildet. Ihre Sprache hatte etwas Unzusammenhängendes und Thierisches, und aus Allem, was man an ihnen sah, leuchtete so wenig Verstand hervor, daß die Spanier auf den Gedanken geriethen, es möchten am Ende gar keine wirkliche Menschen sein.

Das wären sie nun allerdings, nur daß sie auf einer sehr niedrigen Stufe der Entwickelung standen. Sie kannten den Ackerbau nicht; das milde Klima und die Fruchtbarkeit ihrer Insel gewährte ihnen Mais und Maniokwurzel im Ueberfluß, und zwang sie nicht zur Sorge für wärmende Kleidung und Wohnungen. Große Thiere, die ihre Stärke und ihre List hätten üben können, gab es dort gar nicht; daher waren sie so zaghaft, daß ein Europäischer Bullenbeißer einen ganzen Haufen dieser Indianer in die Flucht jagen konnte.

Columbus, in einem reichen Kleide und das bloße Schwert in der Hand, stand an der Spiße des ersten Bootes, welches ans Land stieß, um der erste Europäer zu sein, der die neue Welt beträte. Ihm folgten die Anderen, und in dem unaussprechlichen Gefühle des glücklich geretteten Lebens, nach fast vierzigtägiger Angst auf schwankenden Brettern, warfen sie sich Alle nieder, küßten mit Inbrunst die Erde, errichteten dann ein Kreuz und beteten vor demselben. Sie drängten sich in ihrer Begeisterung um den Admiral, umarmten ihn, küßten ihm die Hände, und thaten Alles, um dem Manne, dessen Leben sie vor einigen Tagen noch bedroht hatten, ausschweifende Ehrfurcht und Dankbarkeit zu bezeigen. Columbus nahm nunmehr, als Don Cristobal Colon, Admiral und Vicekönig, die Insel für die Castilische Krone in Besit, mit den Formen und Feierlichkeiten, welche die Portugiesen bei ihren Entdecungen in Afrika zu beobachten pflegten. Die Eingebornen sahen das mit an und begriffen natürlich nichts davon; wie ihnen denn die ganze Erscheinung weißer Männer mit Bärten und Kleidern, einer seltsamen Sprache und noch seltsameren Manieren, überhaupt etwas Unbegreif= liches sein mußte. Sie wähnten, sie seien vom Himmel herabgekommen.

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Die Wilden bezeichneten ihre Insel mit dem Namen Guanahani; der Entdecker nannte sie San Salvador. Sie ist eine der Bahama- oder Lucahischen Inseln*). Columbus glaubte fest, er sei in dem Archipela= gus angelangt, der sich nach dem Berichte des Marco Polo an der Ost= küste von Asien hin erstrecke, sah aber wohl, daß hier von den Schätzen Indien's noch nicht viel anzutreffen sei, und beschloß daher, weiter zu steuern. Die Indianer (ein Name, den die ursprünglichen Bewohner Amerika's eben jenem Irrthum verdanken), welche die Begierde der Spanier nach den kleinen Goldblechen, die Einige zum Zierrath in der Nase oder in den Ohren trugen, bemerkten, wiesen sie südwärts hin. Dies deutete Columbus auf die von Marco Polo beschriebené Insel Zipangu oder Cipango (wahrscheinlich Japan), die nach diesem Reisenden drei hundert Meilen von der Asiatischen Küste liegen und einen unermeß= lichen Reichthum an Gold, Edelsteinen und Perlen besigen sollte. Solche Angaben waren es, wodurch Columbus mit den Vorstellungen von ungeheuern Reichthümern erfüllt ward, welche die Frucht seiner Ent= deckungen sein würden, und ihn die Hoffnung faffen ließen, daß er von da leicht zu den Ländern des Groß- Chans, des Beherrschers von Ost= afien gelangen, und das Verdienst haben würde, diesen zum Christenthum zu belehren.

Ungeduldig, nach dem reichen Cipango zu kommen, verließ Columbus Guanahani bald **). Man kam auf dieser Fahrt bei vielen kleineren Inseln vorbei, und landete auch auf einigen, namentlich auf den heutigen Inseln Rum-Kay und Long-Island, die Columbus Santa Maria de la Concepcion und Fernandina nannte. Endlich entdeckte man eine größere, welche die Indianer, die man mitgenommen hatte, Cuba nannten, und die Columbus anfangs für Cipango, dann für das feste Land von Afien oder Indien hielt. Er steuerte an den Küsten umher, fand überall einen Reichthum der Vegetation und eine Schönheit der Gegenden, die ihn in Erstaunen seßten, und von denen er mit Begeisterung spricht,

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*) Navarrete glaubte, daß die zuerst entdeckte Insel eine von den viel füdficher liegenden Türken Inseln sei. Vgl. dagegen die Note in der Französischen Uebersetzung, T. II. p. 339, und die Untersuchung bei Washington Irbing, Bd. IV. S. 136. Die langwierige Streitfrage ist gegenwärtig durch Capitän Bechers zu Gunsten der Watlings - Insel entschieden. S. Pejchel, a. a. D. S. 200 f.

**) Er sagt in seinem Berichte an die Monarchen ausdrücklich, daß er auf ber Insel nicht habe verweilen wollen, um keine Zeit zu verlieren, Cipango aufzusuchen. Navarrete, T. II. p. 47.

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