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Grimma besitzt in der Bibliothek der Königl. Landesschule eine Sammlung von 131 praktischen Werken in Stimmbüchern XVI. u. XVII. Jhrhdt., darunter umfangreiche handschriftliche Sammelwerke.

Güstrow enthält in der Bibliothek der Domschule eine kleine Musikaliensammlung von 13 theilweise in completen Druckwerken XVI. u. XVII. Jhrhdt mit geistlichen Gesängen, sowie eine Anzahl Oratorien, Cantaten, Psalmen, Motetten, Opern, Orgel- und ClavierCompositionen XVIII. Jhrhdt.

Hamburg besitzt in der Stadtbibliothek eine werthvolle musikalische Sammlung, die aus 62 Nrr. Mss. Theorie und Compositionen, meist XVII. u. XVIII, Jhrhdt. und aus 1100 alle Fächer der Musik umfassenden Druckwerken XVI-XIX. Jhrhdt besteht. Unter letzteren ist die für das hymnologische Fach bedeutende Rambach'sche Sammlung, sowie die 1868 angekaufte Sammlung Händel'scher Werke in 124 Bden besonders hervorzuheben.

(Schluss folgt.)

[121.] Die Bibliotheken in Aachen.

Anfragen nach dem Stande meines ,,Adressbuches Deutscher Bibliotheken" gehen sehr häufig ein, aber Antworten auf die im Interesse dieses Adressbuches seit November 1871 ausgesandten Fragebogen verhältnissmässig sehr spärlich. Es ist ein wahrer Jammer zu sehen, wie wenige meiner Collegen d. h. Solcher, denen die Obhut über eine Bibliothek anvertraut ist, das zu beurtheilen verstehen, um was es sich bei der Beantwortung der Fragebogen in Wirklichkeit handelt. Die Meisten scheinen der Ansicht zu sein, dass es sich hier um die Unterstützung eines für mich lukrativen Werkes handele, zu dem ich mir auf die bequemste und billigste Weise Materialien zu verschaffen beabsichtige, wogegen die Wenigsten in richtiger Beurtheilung des ganzen Unternehmens begreifen, dass sie durch die Beantwortung der Fragebogen ein Werk fördern helfen, welches lediglich dazu bestimmt ist, den Interessen der Bibliotheken und ihrer Hüter sowie der mit ihnen Verkehrenden zu dienen. Wer zumal einen näheren Einblick in die ebenso Zeit raubenden wie Kosten erfordernden Mühwaltungen gethan hat, welche mit der Bearbeitung des Adressbuches verbunden. sind, Der wird leicht einsehen, dass man ein solches Unternehmen, wie das,,Adressbuch Deutscher Bibliotheken" ist, nur im Interesse der Sache selbst, nicht aber um des eigenen Interesses willen beginnt, am allerwenigsten jedoch im Hinblicke auf den etwaigen pekuniären Gewinn, der gewiss nicht so gross ist, dass es sich erst noch der Mühe lohnt, auf dessen Rechnung hin mir einen neuen schwarzen Frack anzuschaffen, um, wie es hier und da verlangt oder gewünscht zu werden scheint, in courmässiger Kleidung Visite zu machen, und um Mittheilung des schliesslich vielleicht in sehr nothdürftiger Weise gewährten Materiales ganz ergebenst und devotest zu bitten. Unter den Orten,

von denen ich, trotz wiederholt gesendeter Fragebogen, gleichwohl keine Antwort erhalten habe, ist Aachen mit seiner unter sicherer Obhut und, wie es scheint, für Mittheilungen nach aussen hin hermetischem Verschlusse stehenden Stadtbibliothek obenan zu nennen; erst der Vermittelung eines meiner Freunde ist es gelungen, mir durch einen seiner Bekannten Nachrichten über die Aachener Bibliotheken zu verschaffen Nachrichten, denen, da ich sie in ihrer ganzen Ausdehnung für das Adressbuch nicht füglich verwerthen kann, hier im Anz. gern einen Platz anweise, in der sicheren Erwartung, dass sie den Lesern, die sonst über die Aachener Bibliotheken schwerlich etwas Näheres finden dürften, nicht unwillkommen sein werden.

Unter den Bibliotheken Aachens steht die städtische obenan. Wann dieselbe entstanden ist, scheint nicht sicher bekannt zu sein; nach Ausweis eines Kataloges vom J. 1750 besass die Stadt damals bereits eine Sammlung von 910 meist in Lateinischer und Französischer Sprache verfassten Werken rechts- und staatswissenschaftlichen, geschichtlichen sowie philologischen Inhalts, über welche der städtische Archivar die Aufsicht führte. Diese Sammlung erlitt aber zur Zeit der Französischen Herrschaft in Folge grober Unachtsamkeit und Vernachlässigung bedeutenden Abbruch, so dass, als im J. 1813 auf Verlangen der Behörde ein neuer Katalog angefertigt wurde, die Zahl der Bücher nur noch 248 Werke betrug. Auch nach der Vertreibung der Franzosen blieb die Bibliothek noch längere Zeit ziemlich unbeachtet und vernachlässigt, und diente höchstens nothdürftig zum Gebrauche des Gemeinderathes und der Mitglieder der städtischen Verwaltung, war aber sonst für das Publikum unzugänglich. In dieser Hinsicht trat erst mit dem J. 1830 eine Besserung ein, wo die von dem Aachener Bürger und Notar Franz Dauzenberg zwei Jahre zuvor der Stadt vermachte Büchersammlung von c. 20,000 Bden hauptsächlich Römische Litteratur und historischen Inhaltes - nach längeren Verhandlungen und unter Bewilligung der vom Testator gestellten Bedingung, dass die Bibliothek hinfüro zum öffentlichen Gebrauche zugänglich gemacht, und eine vom Archivariate getrennte eigene Bibliothekarstelle eingerichtet werden solle in den Besitz der Stadt übernommen wurde. Die Bibliothek ward seitdem dem Publikum geöffnet, und der Obhut eines eigenen Bibliothekars (1830-32 Buchhändler Cazin, 1833-44 emer. Gymnasialoberlehrer und Privatgeistlicher Christian Quix, 1844-67 Laurent, seit 1867 Privatgeistlicher Schwan) unterstellt. Diese bessere Gestaltung der Bibliotheksverhältnisse mag dazu beigetragen haben, dass man seitdem von Seiten des Publikums der Bibliothek auch nähere Beachtung gewidmet, und ihr insbesondere manche reiche und werthvolle Schenkungen zugewendet hat so der Landgerichts-Referendar v. Fürth eine 1968 Werke starke, hauptsächlich philologische und historische Sammlung, dann der Dr. med. v. Sartorius eine medicinische Bibliothek von 1500 Werken und der Aachener

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naturhistorische Verein eine Sammlung von 300 Werken über Naturwissenschaften, ausserdem noch der Ober-Reg.-Rath Ritz eine ausgewählte, aus philologischen und geschichtlichen Werken bestehende Sammluug von denen die drei ersten unter der Bedingung abgesonderter Aufstellung in den Besitz der Stadtbibliothek übergegangen sind, die Ritz'sche dagegen dieser selbst einverleibt worden ist. In Folge solcher reicher Schenkungen sowohl als steter Anschaffungen aus den vom Gemeinderath regelmässig dazu bewilligten Summen, früher 250 Thlr. jährlich und seit den letzten beiden Jahren 500 Thlr., ist der gesammte Bücherbestand gegenwärtig auf nahezu 13,000 Werke in etwa 50,000 Bden angewachsen, wovon 8870 Werke dem städtischen Complex und 3768 den abgesondert aufgestellten Sammlungen angehören. Zur Aufbewahrung dieser Bücher dient in der sogenannten alten Redoute ein schöner, mit zwei Säulenhallen versehener Saal von 17,67 M. Länge, 13,34 M. Breite und 8 M. Höhe.

Ausser der Stadtgemeinde besitzen noch die 1870 begründete Königl. Rheinisch-Westfälische Polytechnische Schule, das Königl. katholische Gymnasium, die Städtische Realschule und der Gabelsberger Stenographen-Verein ihre eigenen Bibliotheken.

Was die aus einer École secondaire unter Preussischer Herrschaft in ein Gymnasium umgewandelte Anstalt betrifft, so besitzt dieselbe drei verschiedene Büchersammlungen; eine zum Gebrauche der Lehrer, eine andere zur Benutzung der Schüler und die sogenannte Schippers'sche zur Unterstützung unbemittelter Gymnasiasten mit Schulbüchern. Die 1825 angelegte Lehrerbibliothek war anfangs ziemlich dürftig, ist aber bald durch Anschaffungen sowohl (seit 1865 regelmässig im Betrage von 200 Thlrn jährlich), als insbesondere auch durch verschiedene Schenkungen, vor allen des Erzbischofes von Cöln und des Ober-Reg.-Rath Ritz, von denen der erstere 297 Bücher, meist ältere Ausgaben Römischer Classiker, aus der vormaligen Aachener bischöflichen Diocesan-Bibliothek 1826 bewilligte, und der andere im Laufe der Jahre 1830 bis 1835 nahezu 500 Bücher aus den Fächern der Litteratur der alten und neuen Sprachen, sowie der Geschichte dem Gymnasium widmete, so vermehrt worden, dass der Bücherbestand gegenwärtig c. 3000 Werke beträgt. Die seit 1840 bestehende Schülerbibliothek, auf deren Vermehrung seit 1865 jährlich 50 Thlr. verwendet werden, enthält wenigstens 700 Bde. Die 380 Bde starke Schippers'sche Bibliothek stammt aus einem Vermächtnisse des Landgerichtsrathes Schippers, welcher 1832 dem Gymnasium seine ganze, vorzüglich juristische Bibliothek hinterlassen hatte, die mit Ausnahme einiger weniger zurückbehaltener Werke versteigert, und der Zinsbetrag von der aus der Auction gelösten Summe von 302 Thlrn. seitdem zum Ankauf von Schulbüchern benutzt worden ist. (Bibliothekar: Oberlehrer Dr. J. Savelsberg.)

Auch die 1839 eröffnete Realschule besitzt zum Gebrauche der

Lehrer und Schüler zwei gesonderte Bibliotheken, auf deren Anlegung man gleich vom Anfange der Schule an durch regelmässige Anschaffungen im jährlichen Betrage von 200 Thlrn, für erstere und 100 Thlr. für die andere Bedacht genommen hat. Die Lehrerbibliothek enthält 1330 Werke aus den Fächern der Mathematik und Naturwissenschaften, der Geschichte sowie der Deutschen, Französischen und Englischen Litteratur, wogegen die Schülerbibliothek aus 700 Nrr. geschichtlicher Werke und Reisebeschreibungen besteht. (Bibliothekar: Direktor Prof. Dr. J. L. Hilgers.)

Die Bibliothek des 1866 gestifteten Gabelsberger StenographenVereins zählt c. 100 Bde.

[122.] Aus dem Kreise des Colportagehandels.

Die litterarische Thätigkeit der Colportagehandlungen entzieht sich in der Regel mehr oder minder der allgemeinen Uebersicht, wie man sie sich in Betreff der Verlagsthätigkeit anderer Handlungen leicht verschaffen kann, und zwar aus dem Grunde, weil ein grosser Theil der von den Colportagehandlungen ins Werk gesetzten und meist nur auf einen geistig sehr untergeordneten Leser- und Kundenkreis berechneten Verlagsunternehmungen in den gewöhnlichen Bibliographien nicht mit zur Verzeichnung kommt, sondern nur den betreffenden Colporteuren kundgegeben wird, auch vollständige Verlagskataloge, wie sie jede gewöhnliche Verlagsbuchhandlung auszugeben pflegt, von den Colportagehandlungen entweder überhaupt nicht veröffentlicht oder, wie es mir selbst in vier am hiesigen Orte bestehenden Handlungen dieser Art ergangen ist, nicht. Jedwedem ausgehändigt werden. Und doch würde es in besonderer Rücksicht auf Volkswohlfahrt sehr erwünscht sein, dass man vollständige Uebersichten von den litterarischen Produktionen der Colportagehandlungen erlangen könnte, um in den Stand gesetzt zu werden, die sogenannte Verdummungslitteratur, die sich gerade unter den Colportageartikeln durch erbärmliche Romane, Räuber- und andere Schauergeschichten sehr zahlreich und mehr als anderwärts vertreten findet, kennen zu lernen, und deren Verbreitung durch öffentliche Kennzeichnung mit steuern zu helfen. In diesem Sinne habe ich denn auch bereits den von dem verstorbenen Poenicke in Leipzig und seinem wohlgeschulten Nachfolger Arndt ausgegebenen populär-medicinischen Rathgebern gegenüber ebenfalls so einer Gattung von Colportageartikeln zu wirken gesucht.

Es kostet aber mitunter keine geringe Mühe, sich in den Besitz des zu einer nur annähernd vollständigen Uebersicht solcher ColportageArtikel erforderlichen Materiales zu setzen. Wie schon erwähnt, habe ich in vier verschiedenen Handlungen hiesigen Ortes vergeblich versucht, Verzeichnisse ihres Colportageverlages zu erlangen; erst ein glücklicher Zufall hat mich in den Besitz eines interessanten Akten

stückes gesetzt, in, dem sich nicht nur eine grössere Anzahl von Colportageartikeln einer hiesigen Handlung verzeichnet, sondern auch eine,,richtige Anweisung" angegeben findet, wie sich der Colporteur zu benehmen habe, um die betreffenden Artikel in seinem Kundenkreise an den Mann zu bringen oder, eine vulgäre Ausdrucksweise möge hier gestattet sein, dem Publikum die Artikel aufzuschmieren. Die ,,richtige Anweisung" lautet wie folgt:,,Sie wollen gefälligst meine Prospekte gleich nach Empfang in Ihrem Kundenkreise verbreiten lassen. Am andern Tage geht der betreffende Colporteur mit Heften, und beginne dort, wo er zuerst den Prospekt hintrug, und fahre Haus für Haus der Reihenfolge nach fort, ebenfalls, wie bei dem Abtragen der Prospekte, im obersten Stocke anfangend. Höflich komme man dem Publikum entgegen; man sage z. B.:,,Ich war so frei, Ihnen gestern einen Prospekt über den Roman: Der Würgengel von Paris Graf von Monte-Christo Kloster-Geheimnisse Die Opfer der Liebe Die Bergmannshütte *) zu überbringen. Heute wollte ich mir erlauben, Ihnen die ersten Hefte von diesem spannend geschriebenen und schönen Roman vorzulegen." Erfolgt keine entschieden durchaus abweisende Antwort, ist im Gegentheil bei dem Besuchten durch den vielversprechenden, gestern von ihm gelesenen Prospekt der Wunsch entstanden, das Werk kennen zu lernen, so hat der Colporteur gewonnen, und nun muss es seiner Ueberredungsgabe gelingen, sein Werk zu verkaufen. Unbedingt nothwendig ist es, dass man den Artikel, welchen man vertritt, genau kennt, um über den Inhalt berichten zu können. Es kommt viel auf den Colporteur an, seine Artikel so auszunutzen, so pikant und lecker zu machen, dass das Publikum vor Begierde und Neugierde brennt, dasselbe kennen zu lernen, als:,,Der Würgengel von Paris, enthaltend die Liebesabenteuer der üppigen, schönen, verführerischen Kaiserin Eugenie, in ihrer angeborenen südlichen Gluth der Liebe." Dies der Wortlaut der ,,richtigen Anweisung," deren letzte Phrase hinlänglich anzeigt, wess' Geistes Kind das Publikum sein muss, dem die dargebotene litterarische Speise auf diese Art pikant und lecker gemacht werden soll, wess' Geistes Kind aber auch die dargebotenen Romane jedenfalls sein mögen. Anständige Leute würden Colporteure mit solchen Phrasen sammt allen ihren Prospekten und Romanen auf angemessene Weise schleunigst und so zu entfernen wissen, dass sie das Wiederkommen wohl unterlassen sollten.

Das Colportiren solcher Verdummungslitteratur mag aber immer

Denen aus dem angeführten Aktenstücke noch andere für Leser und Leserinnen in Wacht- u. Küchenstuben an sich schon leckere und pikante Titel von Romanen, wie „Die Todtenhand. Nachteulen, Die Rächer der Nacht, Antonetta Czerna die Tochter der Wildniss, Der Wildschütz, Schwarze Bibliothek" hinzugefügt werden könnten,

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